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MLS: LAFC-Star Timothy Tillman sieht Nachteil in Lionel Messis USA-Wechsel

Los Angeles FC midfielders Ryan Hollingshead, left, and Timothy Tillman, center, and forward Denis Bouanga celebrate a goal during the first half of an MLS soccer match against the Seattle Sounders, S ...
Timothy Tillman (m.) spielt seit 2023 für den LAFC in der MLS.Bild: AP / Eric Thayer
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Timothy Tillman erklärt, was die Bundesliga von der MLS lernen kann

19.03.2024, 07:38
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Spätestens in zwei Jahren soll die ganze Fußballwelt auf die USA blicken, 2026 findet dort schließlich die WM statt. Schon jetzt rückt der US-Fußball aber immer stärker in den Fokus, denn Lionel Messi hat einen Hype um die MLS ausgelöst.

Timothy Tillman, in der Jugend einst beim FC Bayern, wechselte kurz vor dem Weltfußballer in die USA. Seit Anfang 2023 läuft er für den LAFC auf. Mit watson spricht er über den Wandel des US-Fußballs, eine mögliche Rückkehr nach Europa und was die Bundesliga von der MLS lernen könnte.

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Watson: Timothy, was hältst du vom Begriff "Rentnerliga"?

Timothy Tillman: Es ist sehr abwertend. Ich würde nicht mal zu meinen Jungs in der Kreisliga sagen, dass sie in einer Rentnerliga spielen. Das ist respektlos.

Wie viel vom Klischee "Rentnerliga" steckt tatsächlich in der MLS?

Gar nicht so viel, die MLS macht allgemein den Move weg davon. Die Vereine legen den Fokus vermehrt auf jüngere Spieler. Sie wollen keine Altstars mehr holen, die sich die Taschen vollmachen.

Ältere Spieler wechseln trotzdem noch in die Liga.

Man schaut eher, wer einem wirklich hilft. Das kann auch mal ein erfahrener Spieler sein, wie Hugo Lloris bei uns. Der hilft uns enorm weiter, weil wir ansonsten ein sehr junges Team haben.

War der Wechsel von Lionel Messi und seinen ehemaligen Barça-Kollegen vor dem Hintergrund trotz des Hypes ungut für das Image der Liga?

Ja, vor diesem Hintergrund auf jeden Fall. Trotzdem muss man natürlich sagen, dass der Wechsel mehr Positives mit sich brachte.

Du hast im September erstmals gegen Messi gespielt. War das eine Partie, wie jede andere?

Nein. In der Spielvorbereitung war es anfangs surreal. Je öfter man die Videos gesehen und den Gegner analysiert hat, desto normaler wurde es. Aber als dann das Spiel anstand, war es wieder surreal. Gerade für mich, weil ich erst auf der Bank saß. Da war ich nur auf Messi fokussiert.

Und als du auf den Platz gekommen bist?

Da habe ich es wieder ausgeblendet. In Zweikämpfen denkt man dann nicht mehr darüber nach, wer einem gerade gegenübersteht. Nach dem Spiel war ich extrem froh und stolz auf diese Erfahrung.

Seit Messis Ankunft befindet sich der US-Fußball in einem interessanten Spannungsfeld: Einerseits gab es einen Hype um den Transfer, andererseits gilt Fußball dem Klischee zufolge eher als Randsportart. Wie groß ist das Interesse tatsächlich?

Es wächst langsam, aber sicher. Messis Wechsel hat sehr viel Aufmerksamkeit auf die MLS gebracht, aber allgemein wächst der Fußball. Die Einfachheit bewegt viele Jungs und Mädchen zum Spielen. Die bevorstehende WM kann hier noch einiges auslösen.

"Es gibt Stadien, da ist die Stimmung komplett tot, da ist es Hoffenheim gegen Leipzig."

Merkt man das auch im Stadion?

Hier herrscht oft eine gute Stimmung, das hatte ich so nicht erwartet. Es ist aber eine andere, schöne, sehr spaßige Kultur. Sie ist definitiv weniger rivalisierend.

Inwiefern?

Die Fans gehen ins Stadion, um eine gute Zeit zu haben und um entertaint zu werden – nicht zum Pöbeln. Man kann auch mal mit dem Trikot der gegnerischen Mannschaft auf der Haupttribüne sitzen, ohne dumm angeschaut zu werden.

Auf einer Skala von Hoffenheim gegen RB Leipzig bis Frankenderby: Wie gut ist die Stimmung in den MLS-Stadien?

Das hängt vom Spielort ab, da wird wirklich die ganze Skala bedient. Es gibt Stadien, da ist es komplett tot, da ist es Hoffenheim gegen Leipzig.

Wie sieht’s beim El Tráfico, dem LA-Derby, aus?

Da merkt man ein bisschen Rivalität, der nötige Respekt ist trotzdem da. Letztes Jahr haben wir am 4. Juli, also am Nationalfeiertag, vor über 80.000 Zuschauern im Rose Bowl gegen sie gespielt. Das war krass und gemessen an der Stimmung mit das Beste, was ich hier erlebt habe.

LA stellt nicht nur in der MLS zwei Teams, sondern auch in vielen anderen großen US-Ligen. Geht ihr ob dieser innerstädtischen Konkurrenz unter?

Nein, unsere Fans sind echt top, da spüren wir einen starken Rückhalt. Und Konkurrenz trifft es auch nicht ganz.

Wieso?

Aus den anderen Sportarten kommen immer mal wieder Profis vorbei. Da LA viele Leute anzieht, sind oft berühmte Sportler oder Schauspieler im Stadion. Es macht Spaß, denen zu zeigen, was man kann.

Triffst du die auch persönlich nach den Spielen?

Wir kriegen vor den Spielen immer eine Mail, wer vorbeischaut. Wenn jemand dabei ist, der mich interessiert, dann suche ich den Kontakt.

Wer fällt in diese Kategorie?

Es sind oft die Basketballer: Karl-Anthony Towns, Trae Young. Ich versuche, bald auch Daniel Theis zu uns ins Stadion zu locken.

Mit Schauspieler Will Ferrell habt ihr obendrein einen prominenten Klubbesitzer.

Er ist praktisch jedes Spiel im Stadion und kommt oft in die Kabine. Mit ihm kann man super reden, er ist ganz entspannt und am Boden geblieben.

Prominent ist aus deutscher Sicht auch euer Trainer: Steven Cherundolo. In Hannover galt er über Jahre als fleißiger, zuverlässiger Arbeiter. Wie viel vom Spieler steckt heute auch im Trainer?

Viel, er ist sehr fleißig. Man kann immer mit ihm reden, immer Bedenken äußern. Er ist nicht so verkrampft auf seine Idee vom Spiel. Wenn ich sage, dass ich mich mit einer Idee nicht wohlfühle, dann findet er eine Lösung. Er hat mir gerade am Anfang extrem viel geholfen, mich hier wohlzufühlen. Und mir gefällt seine Spielweise.

Was charakterisiert Cherundolo-Ball?

So bedacht wie nötig, so schnell wie möglich Richtung Tor.

"Die MLS ist top für junge Spieler. Man muss keine Angst haben, dass man komplett abkratzt."

Und für welche Spielweise steht die Liga im Allgemeinen?

Da es hier keine Absteiger gibt, ist das Spiel weniger auf Fehlervermeidung ausgelegt als in Deutschland. Stattdessen ist es mehr auf Risiko, mehr aufs Gewinnen ausgelegt.

Kommt das dem Ansatz entgegen, zunehmend junge Spieler auszubilden?

Ja, die MLS ist top für junge Spieler. Sie können viel Verantwortung übernehmen, haben aber nicht viel zu befürchten. Man muss keine Angst haben, dass man komplett abkratzt.

Wie hoch ist das sportliche Niveau der MLS?

Ich habe in der 1. und in der 2. Bundesliga gespielt. Die MLS würde ich dazwischen ansiedeln. Es gibt Teams, die bräuchten sich in der ersten Liga nicht zu verstecken. Es gibt aber auch Teams, die in der zweiten Liga ihre Probleme hätten.

Los Angeles FC midfielder Timothy Tillman, right, gets entangled with Houston Dynamo midfielder Héctor Herrera during the second half in the MLS playoff Western Conference final soccer match Saturday, ...
Timothy Tillman (r.) stürmte mit dem LAFC 2023 bis ins MLS-Finale.Bild: AP / Marcio Jose Sanchez

Ein prägendes Element ist das Salary Cap, also eine Begrenzung der Gehälter. Was hältst du von diesem System?

Es hat Vor- und Nachteile. Es macht den Wettbewerb ausgeglichener, gleichzeitig bremst es den Aufschwung. Was die Saudis machen, kannst du hier nicht machen. Ich finde das System nicht schlecht, aber Details könnte man schon noch verbessern.

Und zwar?

Ich finde es schade, dass man eine Meistermannschaft nicht zusammenhalten kann. Das Draft-System könnte auch verbessert werden.

"Wenn morgen ein Verein anklopft, bei dem alles perfekt passt, ich eine Weiterentwicklung sowie den nächsten Step sehe, dann mache ich das."

Wäre das Salary Cap eine Option, um die Bundesliga spannender zu machen?

Auf jeden Fall! Hier hat es noch nie eine Mannschaft geschafft, durch die ausgeglichenen Budgets zweimal hintereinander Meister zu werden.

Du bist Leistungsträger im Klub, seit Januar US-Nationalspieler und in LA gefällt es dir bestens. Sehen wir dich trotzdem nochmal in Deutschland?

Da will ich mich nicht beschränken. Ich habe hier sehr viel Spaß, fühle mich wohl. Wenn morgen ein Verein anklopft, bei dem alles perfekt passt, ich eine Weiterentwicklung sowie den nächsten Step sehe, dann mache ich das. Es ist aber nicht so, dass ich unbedingt zurück nach Europa muss, nur weil es Europa ist.

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