In Russland läuft noch die Fußball-WM, in Deutschland versucht der DFB nach einer Reihe an Misserfolgen einen Schuldigen zu finden. Und der heißt offensichtlich Mesut Özil.
Man kann es nicht anders sagen: Da ist eine Debatte um eine sportliche Niederlage in heftige Schieflage geraten. Und anstatt zu beruhigen und zu beschwichtigen, zeigt der unter Druck stehende DFB mit dem Finger auf einen einzelnen Spieler als Sündenbock. Weil dieser einen Fehler gemacht hat.
3 Gründe, warum sich der DFB lieber mit seinen eigenen Problemen beschäftigen muss.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat gesprochen. Und auch wieder nicht. Denn DFB-Manager Oliver Bierhoff gab der Tageszeitung "Die Welt" zwar ein Interview, in dem er indirekt Mesut Özil für das schlechte Abschneiden der WM verantwortlich machte.
Hinterher wollte Bierhoff es aber so nicht gesagt haben und entschuldigte sich. Drei seiner Pressemitarbeiter hätten über das Interview geschaut und keinen Fehler gemerkt.
Aber was bedeutet das? Offensichtlich spricht der DFB intern viel
deutlicher über "Özil raus!?" als es öffentlich bisher den Anschein machte. Ansonsten lassen sich solche krassen Missverständnisse nicht erklären.
Fazit I: Entweder der DFB hat in seiner öffentlichen Kommunikation Mist gebaut und so seinen eigenen Spieler an den Pranger gestellt. Oder: Der DFB steht nicht zu seinem Spieler. Beides wäre fatal und der Fußballbund sollte sich noch einmal grundlegende Gedanken über seine Haltung machen. Die von Bierhoff mitinitiierten Marketing-Slogans "Die Mannschaft" und "#ZSMMN" wirken mittlerweile fast wie Hohn.
Mesut Özil spricht nicht viel. Nicht über das Spiel. Und nicht über Erdogan. Er ist so. Zur Debatte gehört auch, dass Mesut Özil, aufgewachsen in Gelsenkirchen-Buer, seine Zukunft stets aus einer professionellen Perspektive bewertet hat.
Schalke verließ er in Richtung Werder Bremen (damals noch ein Spitzenclub), Werder verließ er für Real Madrid und anschließend ging er in die superreiche Premier League zu Arsenal London.
Auch seine Entscheidung für den DFB war eine rationale. Die Auswahl des
Deutschen Fußball-Bunds bot schlicht mehr Erfolgschancen. Kann ihm das jemand
verdenken?
Der DFB hatte schlicht das
attraktivere Team. Und Özil wurde eben auch Weltmeister.
Klar: Özils Entscheidung hatte auch eine gesellschaftliche
Dimension. Gerade diskutierte Deutschland über das neue Einbürgerungsgesetz und über doppelte Staatszugehörigkeiten.
Özils
Entscheidung für den DFB verstanden damals zweifellos viele als Zustimmung zu Deutschland und
seiner offenen Gesellschaft. Anders lassen sich Jahre später die wütenden Reaktionen auf das Erdogan-Foto nicht erklären.
Fazit II: Der DFB hat hier die Aufgabe, für seine Spieler öffentlich zu vermitteln und zu zeigen, was hier eigentlich gerade passiert ist. Er muss den Menschen mit Haltung erklären: "Es geht hier gar nicht um zwei Nationen oder gar um mangelndes Team-Commitment von Özil zur Mannschaft. Wir als DFB sehen Erdogan als Autokraten an, und unsere Spieler sollten das ab jetzt wissen." Darauf aufbauend hätte man sowohl mit Fans als auch Özil reden können, anstatt erst eine Debatte zu unterdrücken und ihn jetzt an den nationalen Pranger zu stellen.
Reinhard Grindel ist DFB-Boss. Davor war der Mann mal Bundestagsabgeordneter (für die CDU). Man muss Grindel und sein streberhaftes Verhalten als DFB-Präsident nicht mögen, aber ein gewisses politisches Gefühl sollte man bei solch einem Mann doch vermuten. Umso merkwürdiger ist es, wenn Grindel Özil jetzt Fachmagazin "kicker" ein Ultimatum setzt. Wann hat es das jetzt gegeben?
Dazu fallen einem spontan folgende Gegenfragen ein:
Halten wir fest: Das geht so nicht. Der DFB kann sein eigenes Verhalten und das seiner Spieler nicht mit zweierlei Maß messen.
Dass der DFB im Fall Özil in einer derart gesellschaftlichen Atmosphäre so handelt, ist schlicht beschämend. Es zeugt von einem längst überwunden geglaubten Denken.
Der Fußball Bund handelt nach der Devise der
"funktionalen Integration" – ein Gastarbeiter darf auf dem Bau schuften, Putzen
oder was auch immer. Aber er soll sich bitte unauffällig verhalten und wenn er es nicht tut, wird er eben fallen gelassen.
Fazit III: Wir schreiben das Jahr 2018. Und der DFB ist von vorgestern.
Um es mal so zu sagen: DFB erneuern!