Glitzer rieselt auf den Rasen, zum fünften Mal läuft "Stern des Südens". Und zumindest, wenn man sich die Kinder in den ersten Reihen des Rudolf-Harbig-Stadions in Dresden anschaut, scheint die Euphorie der Heim-EM in Form kollektiv getragener DFB-Trikots wieder aufzuleben. Klingt nach einem besonderen Ereignis? Das war es auch.
Zum ersten Mal seit 27 Jahren fand am Sonntag der Supercup der Deutschen Fußball-Liga (DFL) auch wieder für die Mannschaften der Frauen statt. Der deutsche Meister FC Bayern München trat gegen den DFB-Pokalsieger VfL Wolfsburg an, vor Ort waren entsprechend auch einige Namen aus der Nationalmannschaft.
Im Vorfeld hatte es Kritik gegeben, dass dieses buchstäbliche Jahrzehnt-Ereignis zeitgleich zum Start der Bundesliga der Männer terminiert worden war. Nur wenige Stunden zuvor hatten am Sonntag die jeweiligen männlichen Vereinskollegen aus Wolfsburg und München gegeneinander gespielt.
Wir haben uns bei watson dennoch fürs Spiel in Dresden entschieden und das Wichtigste für dich gesammelt, was du beim Supercup der Frauen verpasst hast.
Und falls du wirklich gar nichts mitbekommen hast, hier erstmal das Wichtigste: Der FC Bayern München gewann das Spiel mit 1:0. Torschützin war Klara Bühl.
Der Start des Spiels wurde am Sonntag von den tragischen Ereignisse in Nordrhein-Westfalen überschattet. In Solingen waren bei einem Messerangriffdrei Menschen getötet worden, die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) reklamierte das Attentat später für sich.
Beide Mannschaften liefen am Sonntag daher in Trauerflor auf.
"Gewalt und Hass jeder Form haben keinen Platz in unserer Gesellschaft – und auch nicht in unseren Stadien", sagte der Stadionsprecher.
Zu Beginn der ersten Halbzeit war im Block der Wolfsburger Fans ein weißes Banner zu sehen mit der Aufschrift "Fankultur: Die Proteste beginnen".
Wenige Minuten später war das Plakat verschwunden, aus der Ferne ließ sich nicht erkennen, ob die zugehörigen Fans noch an der gleichen Stelle standen.
Wie schon in der vergangenen Woche beim Supercup der Herren dürfte das Ganze klar mit den zunehmenden Protesten gegen die DFL und ihre Kommerzialisierung zusammenhängen. Vor allem die Wiederaufnahme des Supercups bezeichnen viele als reinen Kommerz, die Rede war bei den Männern häufig von einem "Kirmes-Pokal".
Beim Supercup der Frauen wurde zusätzlich die künstliche Herbeiführung eines weiteren Events zwischen Olympia und der Bundesliga angeprangert.
Vor allem bei längeren Spielunterbrechungen, etwa vor der Ausführung eines Eckballs durch Klara Bühl, aber oft auch bei Ballbesitz von Torhüterin Maria Luisa Grohs ertönten im Stadion laut Pfiffe, mitunter auch Buhrufe.
Das nahm auch in den Augen der Verantwortlichen in der zweiten Halbzeit derart überhand, dass man vonseiten des Stadionsprechers einschritt. "Liebe Fans, bitte unterlasst das Pfeifen", mahnte dieser per Ansage noch einmal kurz vor Schluss.
Insgesamt wirkte die Atmosphäre in Dresden allerdings friedlich und ausgelassen. Viele Familien mit Kindern waren gekommen, nur einige verlassene Blöcke erinnerten an die fehlenden Fans bei den Spielen der DFB-Frauen während Olympia. Insgesamt waren laut DFB 16.690 Fans ins Stadion gekommen.
"Das Stadion und die Atmosphäre, das war, wie sagt man auf Deutsch – geil?", sagte Bayern-Trainer Alexander Straus im Nachhinein auf der Pressekonferenz.
In seinen Augen habe es sich von der Seitenlinie angefühlt, als hätte seine Mannschaft vor 40.000 Zuschauer:innen gespielt. Auch Wolfsburgs Trainer Tommy Stroot unterstrich in seinem Fazit, wie sehr er die Lautstärke im Dresdner Stadion genossen hatte.
Spielerinnen, die noch vor zwei Wochen in Paris gemeinsam ihre Bronzemedaille feierten, wurden beim Supercup am Sonntag eigentlich wieder zu Gegnerinnen. "Das Timing ist nicht so einfach zu lösen", gab etwa auch Stroot zu.
Dass die DFB-Frauen aber so oder so wie eine kleine Familie sind, zeigte sich am Sonntag auf dem Platz. In der ersten Halbzeit stolperte Giulia Gwinn beim Sprint in Richtung Defensive, die Schiedsrichterin erkannte kein Foul.
Gwinn lag mehrere Sekunden gekrümmt auf dem Boden. Noch bevor Schiedsrichterin Fabienne Michel abpfeifen konnte, rannte Svenja Huth zu ihrer ehemaligen DFB-Kollegin – als Spielerin des Gegners, wohlgemerkt.
Schon während des Spiels zeigt sich bei den Ein- und Auswechslungen, dass es auch vonseiten des Publikums vor allem die Frauen der Nationalmannschaft sind, die besonderen Applaus bekommen. Nach Spielende standen aufgeregte Kinder auf den Rängen und baten vor allem die DFB-Spielerinnen um gemeinsame Fotos.
Für viele der Olympiasiegerinnen gab es nach dem Supercup-Finale aber erstmal die nächste Medaille. In Windeseile verwandelte sich das Spielfeld wie üblich in eine Siegertribüne, auf der schließlich der silberne Pokal und die Medaillen überreicht wurden.
Die Spielerin des Abends verpasste ihre Ehrung aber dann beinahe. Nach einem Interview mit der ARD am Spielfeldrand musste Klara Bühl ihre Stürmerinnenqualitäten noch einmal unter Beweis stellen und schnell zu ihren Teamkolleginnen des FC Bayern joggen.
Gemeinsam wartete auf die FCB-Frauen die Medaillenvergabe, viele Fotos und ein Regen aus Glitzerfäden. Und plötzlich wurden auch die Spielerinnen wieder zu Kindern: Erst schütteten sie Glitzer in ihren soeben gewonnen Pokal, dann rauften sie sich inmitten der Konfettiberge, eine der Spielrinnen macht einen "Schneeengel".
Der Sieg, so Klara Bühl, gebe der Mannschaft Selbstvertrauen und den nötigen Push für die anstehende Saison."Es ist schon ein bisschen komisch, zu Beginn der Saison einen Titel zu feiern", sagte sie. Dennoch: Es gibt Schlimmeres, als mit lautem Jubel zu "Stern des Südens" in eine neue Saison zu starten.