Die Diskussionen um die WM 2022 reißen in Deutschland nicht ab. Millionen Menschen lassen ihren Boykott-Androhungen Taten folgen und verzichten darauf, den Fernseher einzuschalten.
Nach knapp einer Woche wird deutlich: Nie war in den vergangenen Jahrzehnten das Interesse an einer Männer-Fußball-WM so gering wie in diesem Jahr.
Zahlen der AGF Videoforschung in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut GfK zeigten beispielsweise, dass keine der Parteien am Montag auf über fünf Millionen TV-Zuschauer:innen kam. Nicht einmal Mannschaften wie die Niederlande oder England sorgten für ein größeres Interesse. Zuschauerstärkstes Spiel des Montags war die Partie zwischen Wales und den USA (4,35 Millionen). Die Krimi-Wiederholung von "Donna Leon" wollten zeitgleich mehr Menschen sehen.
Besonders schlecht waren die veröffentlichten Zahlen in Bezug auf das Deutschland-Spiel gegen Japan. Durchschnittlich sahen 9,23 Millionen Menschen die Partie, die von Esther Sedlaczek und Experte Bastian Schweinsteiger im Stadion moderiert wurde. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 spielte Deutschland um 13.30 Uhr gegen Serbien zu einer vergleichbaren Uhrzeit. Damals saßen 22 Millionen Zuschauer:innen vor dem Fernseher.
Dennoch sind die veröffentlichten Quoten nur die halbe Wahrheit. Denn: In diesen Zahlen fehlen zum einen die Zuschauer:innen von Magenta TV. Beim Pay-TV-Anbieter werden alle Partien des Turniers live gezeigt. Zum anderen sind in den TV-Zahlen die Online-Abrufzahlen der öffentlich-rechtlichen Mediathek nicht inkludiert.
Natürlich darf man im Jahr 2022 davon ausgehen, dass viele Menschen einen Stream und nicht einen linearen TV-Sender anmachen. Erst recht um 14 Uhr, wenn Millionen Menschen im Büro sind. Watson fragte deshalb bei der ARD und bei Magenta TV nach, wie viele Zuschauer:innen das Angebot online verfolgten.
Die Presseabteilung von Magenta TV beantwortete die Anfrage mit folgendem Statement:
Ungewöhnlich ist das im Falle von Magenta TV nicht. Für Pay-TV-Anbieter ist nicht nur die Zuschauerzahl wichtig, sondern beispielsweise auch die Frage, wie viele Neukund:innen durch ein Angebot gewonnen werden können. Deshalb veröffentlichen beispielsweise auch Amazon Prime, Netflix oder Sky nicht alle Zahlen, wie man es von klassischen TV-Sendern gewohnt ist.
Die ARD war bezüglich der Anfrage auskunftsfreudiger. Am Mittwoch registrierte der öffentlich-rechtliche Sender 12,5 Millionen Abrufe des Sportschau-Livestreams und des 24/7-Streams in der Mediathek. Eine Sprecherin konkretisierte auf watson-Nachfrage: "Wir gehen davon aus, dass etwa 7 Millionen Abrufe allein dem Deutschland-Spiel zuzuordnen sind."
Konkret bedeutet das: Die reellen Einschaltquoten sind deutlich höher als in vielen Meldungen ursprünglich angenommen, bleiben aber dennoch unter dem Niveau der vorausgegangenen Weltmeisterschaften.
Spannend wird sein, wie die Zahlen am Sonntag sind. Denn im so wichtigen zweiten Gruppenspiel trifft Deutschland nicht nur auf Spanien, sondern spielt dann auch zur besten Sendezeit um 20 Uhr.