Die 2. Bundesliga ist keine Liga, wie jede andere. Nicht etwa, weil übertragende Sender sie als beste zweite Liga aller Zeiten vermarkten wollen. Schon eher, weil sie vollgestopft mit traditionsreichen Großklubs ist, die Woche für Woche riesige Stadien füllen. Vor allem aber wegen des absurd engen Rennens um die Aufstiegsplätze.
Aktuell dürfen sich schließlich zwei Drittel der Zweitligisten berechtigte Hoffnungen auf den Aufstieg machen, die restlichen Teams kämpfen, so zumindest die Momentaufnahme, um den Klassenerhalt. Den ersten und den zwölften Platz trennen lediglich sechs Zähler, nur zwei Siege. Mittendrin in diesem Pulk: der HSV.
Mit 19 Punkten stehen die Rothosen derzeit auf dem fünften Rang, stellen mit +9 das beste Torverhältnis der gesamten Liga. Gewinnt der HSV das anstehende Heimspiel gegen Kellerkind Schalke, winkt bei günstigen Ergebnissen der Konkurrenz im Optimalfall die Tabellenspitze.
Das ist eine Möglichkeit, die sich praktisch im Wochenrhythmus, sofern nicht gerade eine Länderspielpause dazwischenfunkt, verändernde Tabellenkonstellation zu lesen. Es gibt aber auch eine, die dem Hamburger Traditionsverein deutlich weniger wohlgesonnen ist.
Diese zweite Sichtweise zeigt wettbewerbsübergreifend vier sieglose Spiele in Folge, darunter Niederlagen in Elversberg, Braunschweig sowie beim Pokalspiel in Freiburg. Und auch beim 1:1 gegen Nürnberg vor heimischer Kulisse konnten sich die Hanseaten glücklich schätzen, dass sie nicht als Verlierer vom Feld gegangen sind.
All das steht in dem Gesamtkontext, der den HSV ohnehin seit einer halben Ewigkeit begleitet: Eigentlich will man doch zurück ins Oberhaus, im mittlerweile siebten Jahr in der 2. Bundesliga ist der Klub aber unfreiwillig erneut zum Dino geworden. Ein Image, das der im Frühjahr geholte Steffen Baumgart endlich abschütteln sollte.
"Als er nach Hamburg kam, dachte ich: Spätestens jetzt laufen sie da über Wasser, über die Alster", berichtete Marcel Reif in der "Bild"-Sendung "Reif ist Live" von seinen biblischen Erwartungen.
Dass diese überhöhten Erwartungen ungerecht sind, dürfte auf der Hand liegen. Und dennoch ist der Kultkommentator, der früher unter anderem für RTL oder Sky aus den Bundesliga-Stadien berichtete, von der HSV-Entwicklung unter Baumgart enttäuscht.
Es sei "klar, dass sich Baumgart nach den letzten schlechten Ergebnissen hinterfragen muss". Der Trainer selbst habe sich in Hamburg zudem verändert, "ist stiller geworden, nicht mehr die ganz große Tröte."
Laut Reif werde es "selbstverständlich" wieder eine Trainerdiskussion rund um den HSV geben, die Suche nach einem neuen "Messias – das ist ermüdend", ordnete er deutlich ein.
Ohnehin sei Baumgart nicht der Alleinverantwortliche für die sportlichen Probleme des Vereins. "Dieser und auch die vergangenen Kader müssten doch längst wieder erste Liga spielen", legte Reif den Finger in die Wunde. "Wenn du aber in der zweiten Liga nicht alles abrufst, was dieser Topkader und dieser Toptrainer – zumindest für Zweitligaverhältnisse – zu bieten haben, dann werden die anderen dir den Zahn ziehen."
In den vergangenen Jahren ist das der Konkurrenz geglückt, in dieser Saison aber kann der HSV mit der richtigen Zahnpflege um den schmerzhaften Arztbesuch Ende Mai noch herumkommen. Ein Sieg gegen Schalke am Samstag wäre ein Anfang.