Stefan Raabs Rückkehr nach neun Jahren Ruhestand hat das Potenzial, die Fernsehlandschaft aufzuwirbeln. Der Moderator, Produzent und Musiker prägte vor seinem (temporären) Ruhestand im Jahr 2015 eine ProSieben-Ära.
Die Rückkehr bei Konkurrent RTL fand im Rahmen eines Boxkampfes gegen Regina Halmich statt – und wurde zum TV-Event. Über 17 Millionen Zuschauer:innen schlugen in der Primetime zu Buche. Nur vier Tage später lief Raabs neue Show an: "Du gewinnst hier nicht die Million (bei Stefan Raab)".
RTL spielt das Format allerdings nicht im traditionellen TV aus, sondern bei seinem Streamingdienst RTL+. Um hier Inhalte zu schauen, muss das Publikum ein kostenpflichtiges Abo abschließen – eine zusätzliche Hemmschwelle, die Stefan Raab aber wohl überwinden kann. Oder?
So groß, wie sich RTL das vorgestellt hat, ist der Hebel "Stefan Raab" offenbar nicht.
Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat im Auftrag von watson vom 19. September bis zum 23. September rund 5000 Bundesbürger:innen ab 18 Jahren online zu ihrer Haltung zu Stefan Raabs neuer Show befragt. Genauer: Wie verbreitet ist die Bereitschaft, für Stefan Raab RTL+ zu abonnieren?
Das Ergebnis: Nur zwei Prozent der Befragten würden sich tatsächlich zu einem Abo durchringen – die überwältigende Minderheit. 94 Prozent beantworteten die Frage mit "eher nein" oder "Nein, auf keinen Fall".
In der jungen RTL-Zielgruppe (Personen bis 49 Jahre) sieht es etwas freundlicher aus. Immerhin sechs Prozent der 30- bis 39-Jährigen sehen Raab als Anreiz für ein RTL+-Abo, also die Generation, die mit Raab aufwuchs und mit Streaming-Angeboten vertraut ist. Positive Ausschläge gibt es auch bei den 18- bis 29-Jährigen (fünf Prozent) und den 40- bis 49-Jährigen (drei Prozent).
Gegen null geht das Interesse hingegen in der Altersstruktur ab 50 Jahren, in der Streamingdienste deutlich weniger populär sind.
Insgesamt ist das Umfrageergebnis aus RTL-Sicht niederschmetternd. Aber schlägt es sich auch in den kommunizierten Geschäftszahlen wieder?
Inga Leschek ist Chief Content Officer bei RTL Deutschland, und sie fädelte den Raab-Deal ein, der den Sender Berichten zufolge 90 Millionen Euro kosten soll, bestätigt sind diese Zahlen nicht. Für fünf Jahre bindet der Vertrag Raab an RTL. Leschek jedenfalls betrachtet den Raab-Deal gegenüber "DWDL" als "das smarteste, was ich in meinem Leben gemacht habe. Das wird nur schwer zu toppen sein."
Leschek zufolge hat die erste Folge von "Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab" dem Streamingdienst "einen Riesenboost gegeben". Die Neukund:innen rekrutieren sich demnach "zu rund 80 Prozent aus den Zielgruppen der 30- bis 59-Jährigen", was sich mit den Daten aus der watson-Umfrage deckt.
Aber wie genau drückt sich der "Riesenboost" für RTL+ in Zahlen aus? Leschek gibt an, die erste Folge der Raab-Sendung sei "in den ersten fünf Tagen bereits über 1,5 Millionen Mal auf RTL+ geschaut" worden. Das sind in der Tat Zahlen, mit denen auch Netflix auf dem regionalen Markt zufrieden wäre. Die Doku-Serie "Kaulitz & Kaulitz" etwa wurde in der ersten Woche eine Million Mal gestreamt.
Die Zugriffe auf die Raab-Show stammen aber wohl zum Großteil aus dem bereits vorhandenen Kundenstamm. Verzeichnet RTL+ ein Wachstum, das konkret auf Raab zurückzuführen ist? Leschek dazu:
Zudem würden "täglich Tausende weitere Abonnenten allein wegen Stefans Show dazukommen [...]. Davon sind 75 Prozent Neukunden, was ein spektakulärer Wert ist." Tiefer lässt sich RTL nicht in die Karten schauen.
Passende Vergleichswerte zu "spektakulären" Abo-Zuwächsen bei anderen Streamingdiensten gibt es leider auch nicht. Sind Tausende neue Abos pro Tag wirklich viel, gemessen am wirtschaftlichen Volumen des Raab-Deals?
Relativ sicher ist: RTL wird Stefan Raab nicht ewig auf RTL+ "verstecken". Und als Entwicklungshilfe für den Streamingdienst wird er sicher einen Zweck erfüllen. Schon bei der Vorstellung seiner ersten RTL-Show versprach Raab aber: Er wird auch wieder im traditionellen TV auftreten. Und das dürfte RTL ebenfalls recht sein. Streaming-Wachstum hin oder her.