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ESC: Warum Deutschland immer verliert und das überhaupt nicht schlimm ist

07.05.2024, Schweden, Malmö: Isaak aus Deutschland mit dem Titel "Always On The Run" beim ersten Halbfinale des Eurovision Song Contest (ESC) 2024 in der Malmö Arena. Mit dem ersten Halbfina ...
Mit Isaak hat Deutschland beim ESC wieder keine Chance, oder?Bild: dpa / Jens Büttner
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Eurovision Song Contest: Wie ich gelernt habe, mit Deutschlands Niederlagen zu leben

10.05.2024, 08:03
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Es ist ESC-Zeit. Am Samstag muss Europa wieder darüber entscheiden, ob eher ein rappender Rumäne mit Querflöten-Support zwölf Punkte verdient oder eine Norwegerin, die den Refrain ihrer Techno-Ballade spontan mit Opernstimmvolumen schmettert.

Der ESC ist ein großer Spaß, aber er würde mir nicht so viel Spaß machen, wenn ich ihn nicht ein bisschen ernst nehmen würde. Also ja, bei diesem Wettbewerb geht es auch immer um Deutschlands musikalische Würde. Oder was davon übrig ist.

Deutschlands verlässliche ESC-Inkompetenz

Seit der Jahrtausendwende holten deutsche Teilnehmer:innen beim Eurovision Song Contest (ESC) sechsmal den letzten Platz. Kein Land "schaffte" häufiger null Punkte. Immer wieder wird deshalb über den kompletten Rückzug Deutschlands aus dem ESC diskutiert. Man kapituliert lieber, als nochmal zu verlieren.

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Aber ohne das jährliche Verlierer-Abo würde mir etwas im Leben fehlen. Deutschlands permanentes Versagen beim ESC hat mir geradezu buddhistische Lehren über Gleichmut und Zuversicht beigebracht.

Bei den sich verlässlich anbahnenden ESC-Zurückweisungen folge ich jedes Jahr denselben 13 Phasen – von vorsichtiger Erwartung über Begeisterung bis zur unausweichlichen Enttäuschung.

Meine 13 Phasen ESC-Frust

Phase 1: Zuversicht

Mit einer "So kann es nun wirklich nicht weitergehen"-Anpackgeste revolutioniert der NDR mal wieder den jährlichen ESC-Vorentscheid. Eigentlich läuft natürlich alles so ab wie immer, aber diesmal irgendwie mit Internet. Das ist cool, das ist fresh, das ist modern, da fahren die jungen Leute drauf ab. Vielleicht wird ja diesmal wirklich alles anders, denke ich.

Phase 2: Ablehnung

Der NDR, der den Vorausscheid organisiert, hat ein Teilnehmerfeld zusammengetrommelt – und das offenbar mit dem Ziel, die sechs bis acht austauschbarsten Sänger:innen und Bands Deutschlands zu finden, die bereit sind, an einem Freitagabend im Februar ab 22 Uhr live im Fernsehen aufzutreten.

In der Sendung bewirkt irgendeine Mischung aus kollektiver nationaler Selbstgeißelung und metaphysischer Geschmackserschütterung, dass beim Telefon-Voting die langweiligste Band mit dem maxgiesingerhafesten Song das ESC-Ticket erhält. Sorry, aber: Macht euren Scheiß doch alleine. Für mich gibt es dieses Jahr keinen ESC.

Phase 3: Akzeptanz

Die Dauerbeschallung "Unseres Songs für europäische Stadt XXX" in Radio, Frühstücksfernsehen und so weiter macht mich mürbe. Ich kann mich gegen die Vertrautheit der trüben Klänge nicht wehren, ich erwische mich beim Mitwippen im Refrain und hasse mich dafür. Vielleicht haben wir ja doch eine Chance mit, keine Ahnung, Valentin Richter und seiner gefühlvollen Pop-Ballade "Starlights". Fuck it, ich bin wieder dabei.

Phase 4: Selbstbetrug

Irgendein unseriöser britischer Wettanbieter, bei dem man auch auf den Todeszeitpunkt von König Charles tippen kann, sieht Finnland, Albanien und ... ja, Deutschland als Favoriten. Ka-kann es wirklich sein ...? Nein. (Oder doch?)

Phase 5: Vorsichtige Euphorie

Samstag, ESC-Finale, Tag der Entscheidung. Barbara Schöneberger verbreitet unter einem gelben Regenschirm in Hamburg Zweckoptimismus. Oder ist es doch aufrichtige Zuversicht? Bei ihr weiß man das immer nicht so genau. Sie konnte uns auch S!sters mit "Sister" im düsteren Jahr 2019 als konkurrenzfähig verkaufen. Die Schöneberger ist zu allem fähig.

Phase 6: Abwärtsvergleich

Die ersten acht Länder haben performt, vier davon habe ich schon wieder vergessen (eins davon wird am Ende gewinnen!). Das Niveau ist furchtbar und schlechter als Belgien sind Wir auf gar keinen Fall!

Phase 7: Das war doch eigentlich sogar richtig gut (oder?)

Die deutsche Teilnehmerin namens, keine Ahnung, Mia Bergmann mit ihrer gefühlvollen Pop-Ballade "Fly" hat performt. Das ... das war doch richtig gut, oder? ODER?! Und hat nicht auch das Publikum in der Halle am Ende ganz besonders laut gejubelt? Beim ESC-Tippspiel setze ich doch Großbritannien auf den letzten Platz und nicht Deutschland.

Phase 8: Punktevergabe, oder: "Noch ist nichts verloren!"

Das erste Land vergibt seine Jury-Punkte. Die ersten acht Zähler werden in einem Rutsch verteilt und Wir sind nicht unter den Begünstigten. Aber vielleicht gibt's ja sogar die vollen zwölf Punkte von unseren netten dänischen Nachbarn, haha. Die sollen doch auf gefühlvolle Pop-Balladen stehen. (Es gibt sie nicht, die zwölf Punkte.)

Phase 9: Punktevergabe, oder: "Wir finanzieren euch doch den ganzen Mist!"

Lettland könnte uns ja wenigstens einen Punkt gönnen. Und hat der Gitarrist von Mia Bergmann nicht mal in Riga studiert?!

Phase 10: Hauptsache, nicht hinter Großbritannien.

Aus irgendeinem Grund kassiert der Folksong mit HipHop-Elementen aus Belgien eine Zwölf-Punkte-Ladung nach der anderen. Es ist beeindruckend, wie schnell so ein 256 Punkte-Abstand zwischen Platz 1 und Platz 26 zusammenkommt, den sich Deutschland, Österreich und Großbritannien (alle null Punkte) teilen.

Phase 11: Hauptsache, nicht null Punkte.

Beim großen Publikumsvoting fallen in Frankreich zwei Mitleidszähler vom Laster. Es fühlt sich zu diesem Zeitpunkt wie eine Demütigung an. Irgendwie gewinnt am Ende doch wieder Schweden.

Phase 12: Woran hat's gelegen?

Barbara Schöneberger lobt den "wirklich tollen Auftritt", aber, gewandt an, keine Ahnung, Thomas Anders: "Woran hat's gelegen? Mögen uns unsere Nachbarn einfach nicht?"

Es wird trist. Die No Angels (wo kommen die plötzlich her?) treten in Hamburg auf. Mein Tippzettel, die Auswertung wurde vergessen, liegt zerknüllt zwischen Snackresten. Es ist schon viel zu spät.

Phase 13: Gute Vorsätze

Am Sonntag danach fordert irgendein opportunistischer CSU-Politiker, den ESC ab sofort zu boykottieren. Vielleicht wäre das nicht schlecht. Der ESC tut mir nicht gut. Er fühlt sich jedes Jahr an wie die letzten drei Länderspiele der Nationalmannschaft unter Hansi Flick. Vielleicht lasse ich den nächsten ESC mal aus. Oder gehe wenigstens nicht mit ganz so hohen Erwartungen ran.

Phase 1: Zuversicht

Der NDR kündigt eine Revolution beim Vorentscheid an.

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