Irgendwie ist das Dschungelcamp nicht mehr das, was es mal war. Schon im vergangenen Jahr stellte RTL die Fans durch mehr oder weniger dreiste "RTL Direkt"-Unterbrechungen auf die Probe, nun wird fleißig daran angeknüpft. Viele Entwicklungen der aktuellen Staffel bereiten Sorge. "IBES" droht sogar, sein Alleinstellungsmerkmal zu verlieren, das die Show jahrelang von allen anderen Reality-Formaten abhob.
Zwar jubelt RTL weiterhin über die Quoten, doch die Sendung dominiert die Primetime (vor allem am Wochenende) mittlerweile nicht mehr. Es gibt in jeder Hinsicht gute Argumente dafür, die 17. Staffel als die schlechteste aller Zeiten zu bezeichnen.
Das Offensichtlichste zuerst: Sonntags speist RTL die Dschungel-Fans mit 40 Minuten Sendezeit ab. Danach wird das Geschehen in den Stream zu RTL+ verlagert. Die Schatzsuche beispielsweise wurde am ersten "IBES"-Sonntag komplett in "Die Stunde danach" verschoben. Dass das für Frust sorgt, war erwartbar.
Der Sender steckt in einem massiven Dilemma, das sich nicht ohne Weiteres auflösen lässt. Da RTL seit Neuestem die NFL überträgt und dafür sehr viel Geld geflossen ist, können die Verantwortlichen die Football-Spiele nicht einfach aus dem Programm streichen – selbst ein absoluter Quotengarant wie "IBES" muss zurückstecken.
Ob die Rechnung aufgeht, ist absolut fraglich. Nicht wenige Fans des Dschungelcamps sind anscheinend skeptisch gegenüber Streaming. Sie fühlen sich vergrault und in die zweite Reihe abgeschoben. Ihrer Meinung nach gehört "IBES" ins lineare Programm, alles andere fühlt sich falsch an.
Erträglicher wäre die Situation freilich, wenn der Stream bei RTL+ wenigstens durchgängig funktionieren würde. Doch weit gefehlt. An Tag drei, als Cora Schumacher aus gesundheitlichen Gründen das Handtuch warf, brach die Plattform aufgrund des großen Interesses zusammen, das Publikum schaute teils stundenlang in die Röhre. "RTL+ kann gerade nicht geladen werden" – ernsthaft?
Eine Sprecherin der privaten Sendergruppe teilte später mit, aufgrund einer "extrem hohen zeitgleichen Nutzung" sei es trotz aller Vorbereitungen zu einer Überlastung mehrerer Systeme gekommen. Wie diese Vorbereitungen wohl aussahen? Fest steht: So etwas darf nicht passieren.
Es muss leider so deutlich gesagt werden: Der neue Cast ist überwiegend eine große Enttäuschung, was sich auch anhand von Zahlen belegen lässt. In der erste Woche wurden drei Prüfungen abgebrochen, was einem Negativ-Rekord entspricht.
Nun ist es natürlich leicht, sich vom heimischen Sofa aus über das Versagen der Promis zu beschweren. Doch es steckt noch mehr dahinter. Leyla Lahouar etwa sprach bereits vorab über ihre Höhenangst, Ekel vor benutzten Handtüchern, Krabbeltieren und fiesem Essen. Das alles ist zunächst absolut keine Schande, niemand sollte für Ängste verurteilt werden.
Aber: Wie kommt man auf die Idee, mit diesen Voraussetzungen ausgerechnet am Dschungelcamp teilzunehmen? Das alles hat etwas von einem Reality-Himmelfahrtskommando. Es entsteht der Eindruck, der eine oder die andere habe die Herausforderung auf die leichte Schulter genommen.
An Mike, Kim und Leyla führt dieses Jahr kein Weg vorbei. Die Kurzfassung: Mike und Kim bandelten bereits in einer anderen Show miteinander an, im Dschungel konzentrierte sich Mike dann eher auf Leyla (zum Unmut von Kim). Das Drama war groß.
Das Problem hier: Das Dschungelcamp war nie für Seifenopern dieser Art bekannt und tatsächlich steht der Sendung das Liebes-Dreieck absolut nicht gut zu Gesicht. RTL lenkt die Aufmerksamkeit gezielt auf diese Geschichte, was nicht zuletzt unfair gegenüber den anderen Promis ist und falsche Signale aussendet.
Dating-Formate gibt es wie Sand am Meer, die meisten davon kämpfen mit sinkenden Quoten. Nicht ohne Grund wurde zum Beispiel das Konzept beim "Bachelor" 2024 auf den Kopf gestellt. Wenn nunmehr aber auch bei "IBES" verstärkt Beziehungskisten stattfinden: Was macht den Dschungel dann überhaupt noch einzigartig? Dramen wie bei Mike, Leyla und Kim finden die Fans zuhauf woanders. Und freche Kommentare dazu liefert auch Sophia Thomalla bei "Are You the One?".
Désirée Nick erklärte kürzlich im watson-Interview: "Leute, bei denen die Biografie nur aus Reality-, Trash- und Dating-Formaten besteht – das sind für mich leere Biografien. Es geht von 'Love Island' und 'Temptation Island' über zu 'Kampf der Realitystars'. Und als nächstes landen sie im Dschungel. Ich sehe das sehr kritisch, wenn sich das Personal bei 'IBES' in diese Richtung entwickelt." Jetzt zeigt sich, dass ihre Skepsis nicht ganz unberechtigt ist, denn:
Das kann niemand ernsthaft wollen.
Obendrein bleiben Änderungen aus, die eigentlich lange überfällig sind. In Woche zwei durfte dieses Jahr niemand zweimal hintereinander in eine Prüfung gewählt werden. Diese Regel hätte aber unbedingt auch für Woche eins gelten müssen, denn dann bestimmt das Publikum, wer antreten muss – und viele Dschungelcamp-Fans sind, was ihr Abstimmungsverhalten betrifft, erwiesenermaßen sadistisch veranlagt.
Wer scheitert, wird am nächsten Tag gleich wieder gewählt – so lange, bis der Promi überzeugt. Vor allem junge Frauen im Camp können davon ein Lied singen. Es wäre für RTL so leicht, diesem Sexismus Einhalt zu gebieten, doch weinende Kandidatinnen versprechen am Ende des Tages nun einmal bessere Quoten.