Es sollte eigentlich nur ein Interview mit Désirée Nick über das diesjährige Dschungelcamp (19. Januar bis 4. Februar 2024 auf RTL) werden. Doch spricht man einmal mit der Schauspielerin, Autorin und Dschungelkönigin von 2004, dann ist das nie "nur" ein Interview.
Im watson-Interview setzt sie an zu einer heftigen Kritik an der beliebten Sendung und dann auch an der gesamten Unterhaltungs-Branche an.
watson: 20 Jahre ist es her, dass Sie selbst das Dschungelcamp gewonnen haben. Hat sich das Format seitdem zum Positiven oder zum Negativen entwickelt?
Désirée Nick: Nach meiner Staffel hieß es, dass das Dschungelcamp eigentlich an den Nagel gehängt werden muss. Was ich in Prüfungen geleistet habe – die Höchstzahl der Sterne, in jeder meiner neun Prüfungen – das hat bis heute Kultstatus. Ich habe damit Maßstäbe gesetzt, die niemals wieder eingeholt werden konnten. Heute trommeln sich die Insta-Teilnehmer auf die Brust, wenn sie in Prüfungen drei Sterne ergattern. Ich habe das nonchalant einfach abgehakt und mich dafür nicht einmal gefeiert. Ich habe gedacht, das gehört so.
Es steht also nicht gut ums Dschungelcamp?
Drei Tage vor dem Finale wird es bei RTL zur Primetime ein Format geben, "Das Geheimnis der Dschungel-Krone", mit den "IBES"-Gewinnern. Ich war unter anderem da mit Filip Pavlović (Anmerkung der Redaktion: Dschungelcamp-Sieger von 2022). Zu meinem großen Erstaunen wusste er aber nicht mal, dass ich am Dschungel teilgenommen habe. Er wusste auch nicht, dass ich ihn gewonnen habe und damit die erste deutsche Dschungel-Queen gewesen bin. Da habe ich ihn gefragt: "Informierst du dich nicht, wenn du an so einem Format teilnimmst?" Und er antwortete: "Ne, mache ich nicht …" DA sind wir heute hingekommen.
Sie halten offenbar nicht besonders viel davon, wenn Fernsehen von Influencern und Reality-Stars "unterwandert" wird?
Leute, bei denen die Biografie nur aus Reality-, Trash- und Dating-Formaten besteht – das sind für mich leere Biografien. Es geht von "Love Island" und "Temptation Island" über zu "Kampf der Realitystars". Und als nächstes landen sie im Dschungel. Ich sehe das sehr kritisch, wenn sich das Personal bei "IBES" in diese Richtung entwickelt. Ein Unterhaltungsfaktor ergibt sich nicht aus der Aneinanderreihung von Fernsehformaten, sondern aus einem gelebten Leben. Aus Weisheit, Witz und Warzen.
Viele finden die Teilnehmer:innen dieser Trash-Formate unterhaltsam.
Man kann sandgestrahlt, tätowiert oder mit gemachter Oberweite durch all diese TV-Formate gesegelt sein und trotzdem ist man weit weg von dem Anspruch, Unterhaltungs-Künstler zu sein. Unterhaltung und Entertainment erfordern Virtuosität und dramaturgische Brillanz. Nicht jeder, der bei "IBES" gewonnen hat, ist auch ein Sieger. Es gab in der Vergangenheit sehr viele, die gewonnen haben, weil sie als kleinstes Übel übriggeblieben sind. In dem Fall haben sie den Ball einfach so flach gehalten, dass sie unterm Radar durchgesegelt sind. Wo sind die Spuren, die als Siegerin eine Jenny Frankhauser hinterlassen hat? An welche Momente erinnert man sich bei Maren Gilzer? Auf dem Thron zu landen, heißt noch lange nicht, als Sieger zu triumphieren.
Warum sind Formate wie "Love Island" und "Temptation Island" Ihrer Meinung nach so erfolgreich?
So erfolgreich sind diese Sendungen nun auch nicht. Im Fernsehen ist es heute ja schon ein Riesen-Erfolg, wenn 2,2 Millionen Menschen zugucken. Ich finde nicht, dass das gigantische Erfolge sind, bei insgesamt 84 Millionen Deutschen. Aber Teil des Erfolgs ist natürlich: Der Inhalt dieser Shows ist für jedermann verständlich. Und natürlich ist das in gewisser Weise auch ein Spiegel der Gesellschaft. Die Jungs sind alle tätowiert, möglichst mit Sixpack, ein bisschen prollig und bitte bloß nicht zu gebildet. Das wäre ein Hindernis. Sie werden da niemals jemanden finden, der beim Militär gestählt wurde oder Pilot ist. Und die Bräute sind entsprechend gecastet. Das sind Protagonisten und Formate, bei denen man dann entspannt auf dem Sofa vor sich hinvegetieren kann.
Heißt das, anspruchsvollere Formate im TV kommen inzwischen gar nicht mehr an?
Komischerweise komme ich ja immer gut an, wenn ich dann legendäre Szenen liefere. Aber heutzutage wird ja nebenher noch durch Social Media gepusht und manipuliert.
Junge Menschen informieren sich heutzutage vor allem über Social Media.
Ja, deswegen ist ja Entertainment auch zugrunde gegangen. Im letzten Jahr war der Dschungel ja so eindimensional, dass der Hauptteil der Schlagzeilen aus dem Versace-Hotel stammte. Es gab mehr Schlagzeilen zu Yvonne Woelke und Peter Klein als aus dem Dschungel.
Sie sind selbst aber auch auf Social Media ...
Ja, ich mache das so hobbymäßig nebenher, um meine Fans zu informieren. Ich dokumentiere aber nicht mein ganzes Leben auf Social Media und es ist auch nicht meine Einnahmequelle.
Sind Sie auch Shitstorms gewohnt?
Ich finde, Hater sind wichtig für die Relevanz. Ein hämischer Kommentar zieht hundert Leute nach sich, die dagegen sprechen. Hater sind wie meine Sklaven, die ziehen den ganzen Karren und sorgen für Bewegung und Traffic auf dem Account.