Seit über zwei Monaten protestieren die Menschen im Iran gegen das Mullah-Regime nach dem Tod der Kurdin Masha Amini. Gegen die Proteste geht das Regime mit unbarmherziger Härte vor, über 400 Tote zählt die Menschenrechtsorganisation IHR bereits im Land. Dabei sind die gewaltsamen Auswirkungen der iranischen Revolutionsgarden längst nicht mehr nur inländisch spürbar, sondern auch in Westeuropa greift das Regime immer wieder Oppositionelle an.
Unter dem Titel: "Heuchler oder Helfer – kuscht der Westen vor dem Iran?" diskutiert Maybrit Illner über die Proteste im Iran und die bisher vermeintlich ausbleibenden Reaktionen der Bundesregierung.
Das waren die Gäste bei "Maybrit Illner" am 1. Dezember:
Zu Beginn der Sendung thematisiert Maybrit Illner, dass die Protestbewegung im Iran bis nach Katar übergeschwappt ist und sich auch dort Iraner inklusive der Spieler gegen das Regime gestellt haben. Zugleich stellt ZDF-Reporterin Golineh Atai klar, dass der Iran nach Katar auch viele Anhänger:innen des Regimes geschickt hat, um Gegner:innen zu stören. Zudem wurde laut ihren Informationen nach dem ersten WM-Spiel des Iran massiv Druck auf Spieler und deren Familienangehörigen ausgeübt. Ein Kontakt zu ausländischen Medien wurde strengstens untersagt. Iran-Coach Carlos Queiroz wurde dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass es zu keinen politischen Äußerungen mehr kommt.
Illner versucht Friedrich Merz im Anschluss noch zu entlocken, ob er die WM nach diesem Ereignis immer noch als reines Sportereignis sieht. Der CDU-Vorsitzende geht allerdings darauf nicht ein und konzentriert sich auf die kritische Vergabe durch die FIFA. Illner geht zum nächsten Politiker und versucht ihn zu "entlarven": Omid Nouripour wird schnell zum Gas-Deal mit Katar abgefragt, ob hier nicht eine Doppelmoral drinsteckt.
Der Grünen-Politiker windet sich etwas um die Frage herum. Nouripour stellt zum einen klar, dass es bei der Vergabe von Turnieren schwer ist, nur in Demokratien eine WM auszurichten, die Umstände der WM verurteilt er. Auch die aktuelle Durchführung und die Zusammenarbeit zwischen Katar und dem Iran beim Abführen von Regime-Gegner:innen und das folgende Nichteingreifen der FIFA stört ihn massiv.
In die Sendung zugeschaltet ist die bald 80 Jahre werdende Alice Schwarzer. Die Gründerin der "Emma" beschwert sich über die heuchlerische Iran-Politik der Vergangenheit:
Illner entfernt sich kurz von der Runde, um die iranische Fotografin Ghazall Abdollahi allein zu sprechen. Die Iranerin ist erst vor zwei Wochen aus dem Iran nach Deutschland geflohen, hat in Teheran auch an Protesten teilgenommen und wurde dabei auch angeschossen. Sie schildert ausführlich ihre erschreckenden Erlebnisse und hat eine klare Bitte an die Runde und die deutsche Politik, dass dieses Regime isoliert werden muss und eben nicht mehr verhandelt werden kann.
Kritisiert wird unter anderem von Friedrich Merz, aber auch von Maybrit Illner das langsame Vorgehen der Bundesregierung bezüglich Sanktionen gegenüber dem Iran. Grünen-Politiker Nouripour beschwichtigt zunächst, sagt aber zugleich, dass es ihn persönlich unheimlich frustriert, dass es innerhalb der EU nicht schneller vorangeht. "Wir sind drei Wochen hinter Kanada bei Sanktionen hinterher."
Er sieht auch, dass die Gewalt des Regimes immer schlimmer wird. In Teheran werden vielleicht noch Gummigeschosse eingesetzt, aber in kurdischen Gebieten wird scharf geschossen, so der Grünen-Vorsitzende.
Alice Schwarzer kritisiert den Grünen-Politiker dafür, dass seine Partei viel zu lange blind gegenüber dem politischen Islam gewesen sei. Auch wenn die Publizistin begrüßt, dass beispielsweise das islamische Zentrum in Hamburg nun überprüft wird. Für die Frauenrechtlerin kommt das zu spät.
Kurz danach geraten Merz und Nouripour in einen kleinen Disput bezüglich einer parlamentarischen Anfrage, ob die Bundesregierung dahintersteht, dass die Revolutionsgarden als Terrororganisation eingestuft werden. Nach mehrmaligem Nachhaken von Illner und Merz bekräftigt der Grünen-Politiker diesen Willen und weist zugleich auf Außenministerin Baerbocks Forderung im UN-Menschenrechtsrat bezüglich Ermittlungen hin.
Düzen Tekkal stößt nach einer Preisverleihung verspätet zur Runde hinzu und steuert zusammen mit Atai viele wichtige Fakten zum Regime bei. Atai fordert klarere Worte von der Bundesregierung, auch bezüglich mutmaßlich von Teheran gesteuerter Anschläge in Westeuropa auf Exil-Iraner. Viele sind seit langem im Visier des Regimes. Die ZDF-Reporterin fordert eine Zeitenwende, wie bei der Russland-Politik. Tekkal sieht das ähnlich, "die Appeasement-Politik der letzten Jahre hat dazu geführt, dass dieses Regime heimlich morden konnte".
Die Autorin erläutert, dass die Gefahr durch den Iran nicht nur innerhalb des Landes, sondern auch für Westeuropa durch beispielsweise Terroranschläge unterschätzt wird. Sie fordert harte Sanktionen gegen das "Mittelalter-Regime". Den Vorstoß der Außenministerin sollte man der Ansicht von Tekkal nach nicht kleireden.
Illner fragt Tekkal, ob Deutschland nicht Angst hat, dass der Iran in einen Bürgerkrieg verfällt und damit eine Flüchtlingswelle droht: "Iran ist nicht Syrien, Iran ist nicht der arabische Frühling, wir reden im Iran von einer Generation, die pro westlich ist und mit diesem Regime nichts mehr zu tun hat."
Irritierend zum Ende der Sendung ist der Solidaritätsaufruf von Alice Schwarzer. Sie freut sich über die Bilder der stolzen Frauen ohne Kopftücher, ist berührt davon. Sie würde es als einen großen Akt der Solidarität sehen, würden Kopftuchtragende im Westen das Kopftuch ebenfalls fallen lassen, um sich mit den Iranerinnen solidarisch zu zeigen. Dafür erntete sie in der Runde Kopfschütteln. Auch in den sozialen Netzwerken irritierte die Frauenrechtlerin mit ihrer Aussage sehr.