Nachhaltigkeit
Vegan-Kolumne

Vegan durch den Süden Frankreichs: Eine Reise mit Herausforderungen

Portrait of a young woman enjoying coffee sitting outdoors at the traditional french cafe during the morning in Paris
Ob es in Frankreich so leicht ist, sich vegan zu ernähren? Unsere Autorin findet es heraus.Bild: iStockphoto / RossHelen
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Vegan durch den Süden Frankreichs: Eine Reise mit Herausforderungen – aber auch Überraschungen

Theresa Schwab
Theresa Schwab
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"As vegan as possible" – die watson-Kolumne zu vegetarischem und veganem Leben
29.06.2022, 15:0429.06.2022, 15:46

Hinter mir liegen zwei Wochen Frankreichurlaub – eine Woche in der Provence, eine an der Atlantikküste. Wenn ich zuvor an Frankreich außerhalb von Paris dachte – und ich dachte oft daran, weil ich der Sprache, der Lebensart und dem Flair der unterschiedlichen Gegenden schon lange verfallen bin – erinnerte ich mich an Märkte mit Olivenpasten, frische Salate zum Mittagessen und hübsche Anwesen mit sonnengereiften Gemüseverkaufsständen.

App hilft beim Finden veganer Restaurants

Ich war überzeugt, unsere beiden Ziele seien ein Paradies für Veganer. Wir planten, einige Mahlzeiten selbst zuzubereiten, andere im Restaurant einzunehmen. Vorsorglich hatte ich mir die App "Happy Cow" heruntergeladen, die weltweit nach veganen Restaurants sucht. Man gibt seinen aktuellen Standort an und lässt sich vegane Optionen in einem bestimmten Radius anzeigen. Bei "Happy Cow" kann man zwischen veganen, vegetarischen und Veg-Options wählen. Letzteres bedeutet, dass es mindestens ein veganes Gericht auf einer nicht-veganen Menükarte gibt. Mit der App ausgerüstet, ging der Urlaub los in Gordes, ein kleines Bergdorf im Luberon, einer Gebirgskette in Südfrankreich.

Sicher ist nicht jedes Restaurant in dieser App erfasst, doch das Ergebnis überraschte mich doch. Das einzige Restaurant in dieser nicht gerade unbekannten Gegend war eine "Veg-Option" mit dem Hinweis, dass die Karte ein vegetarisches Gericht enthalte, das auf Anfrage vegan bestellt werden könnte – Quinoa mit Ratatouille. Das "Un café et atelier culinaire vegan" 40 Minuten entfernt klang zwar wundervoll, war uns mit zwei kleinen Kindern jedoch zu weit, um es extra anzusteuern.

Auf dem Markt wartet bunte Vielfalt

Stattdessen besuchten wir den Markt in Gordes und ich tauchte in herrliche Gemüse- und Obststände ein. Ich wählte aus mindestens zehn verschiedenen Tomatensorten, die ich nach Farbe und Form kaufte. Am meisten faszinierten mich rosafarbene Tomaten, die auch genau so schmeckten: mild und doch aromatisch. Der Vorteil eines im Süden gelegenen Landes, denn so benötigt ein Tomatensalat nicht mehr als eine klein gehackte Zwiebel, etwas Essig und Olivenöl. Das Gleiche gilt fürs Obst, das aus der Region kommt und so schmeckt, wie Aprikosen, Feigen, Pfirsiche und die für dort typischen Cavaillon-Melonen eben schmecken sollten – saftig, süß und nach Sonne.

Wählen wir zu Hause fürs Abendbrot zwischen den meist immer gleichen Aufstrichen, bietet jeder südfranzösische Markt eine leckere Alternative, vor allem Oliven in allen Variationen: Neben in Kräutern eingelegten Olivensorten liebe ich die unterschiedlichen Olivenpasten, sogenannte Tapenaden, die aus grünen oder schwarzen Oliven mit Olivenöl, Kapern, Knoblauch und provenzalischen Kräutern hergestellt werden. Da ich mich zum ersten Mal näher mit den Zutaten befasste, weiß ich aber seit diesem Urlaub, dass in dem Klassiker auch Sardellen enthalten sind. Somit wäre der Vegan-Status dahin, außer man bereitet die Pasten selbst zu. Die eingelegten Knoblauchzehen, die ich ebenfalls kaufte, waren dagegen sicher rein pflanzlich.

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Über die Autorin
As vegan as possible – das beschreibt Theresa Schwab am besten. In ihrer Kolumne berichtet die freie Journalistin über positive Erkenntnisse, über Anstrengungen und darüber, warum es okay ist, manchmal im Alltag an einem nicht-tierischen Lebensstil zu scheitern.

Natürlich entging mir nicht, dass neben all den vegan-vegetarischen Optionen die Käse- und Wurststände die mit am belebtesten waren. Getrocknete Würste, die mit Trüffeln, Nüssen und Kräutern der Provence verfeinert werden, sind hier kaum aus der Gegend wegzudenken. Genauso wie hauchdünn aufgeschnittener Schinken, der zum Apéro gereicht wird.

Dass die Franzosen Wurst, Fleisch und Käse lieben, wird auch auf jeder Menükarte sichtbar. Sobald wir ein typisch französisches Restaurant besuchten, tauchten Lammkeulen, Schmortöpfe oder eben gleich Tartar, rohes Rindfleisch, auf. Vegane Gerichte waren nicht zu finden. Ich hätte höchstens darum bitten können, den Ziegenkäse beim Salat wegzulassen.

"Der Süden Frankreichs liegt, was eine vegane und vegetarische Küche betrifft, ganz weit hinten."

An einem Nachmittag besuchten wir Freunde in der Nähe von Carpentras, die in die Provence gezogen waren und sich inzwischen gut in der Gegend auskennen. Ich checkte vorher meine App und fand lediglich Veg-Options. In der von Usern hinzugefügten Beschreibung in einem der vorgeschlagenen Restaurants stand: "Generally a meat and seafood restaurant with traditional French food. The chefs know how to cook a vegan meal. Note that restaurant also sells foie gras." Ob ein Veganer ein Restaurant unterstützen möchte, das Foie Gras – also Gänsestopfleber – auf der Speisekarte führt, hängt von der jeweilig eigenen Einstellung ab.

Aber zurück zu unseren Freunden, die meine bisherigen Erfahrungen im Jahr 2022 bestätigten: Der Süden Frankreichs liegt, was eine vegane und vegetarische Küche betrifft, ganz weit hinten. In Paris schaut das, wie in jeder Metropole anders aus. Dennoch taucht die französische Hauptstadt auf keiner der jährlichen veganen Städte-Rankings auf.

Wer hier lebt und – größtenteils – auf tierische Produkte verzichten möchte, kommt nicht drumherum, aus den vorhandenen Zutaten selbst zu kochen. Ein französischer Klassiker: Man nehme eine frische Artischocke, koche diese 20 Minuten lang in Wasser und serviere dazu eine Vinaigrette, bestehend aus Senf, Rotweinessig, Olivenöl, Salz, Pfeffer und Knoblauch. Die Kelchblätter einzeln abzupfen, den Ansatz in die Vinaigrette tunken und mit den Zähnen abziehen.

An der Atlantikküste dominieren Fisch und Meeresfrüchte

Nach einer Woche reisten wir quer durch Frankreich an die Atlantikküste, in die Nähe von Arcachon. Für die Reise kaufe ich mein Lieblings-Fertiggericht – eines der vielfältigen Taboulé-Varianten, die es wirklich in jeder Frischetheke eines französischen Supermarkts gibt, sogar an Tankstellen. Dazu einen mit Essig und Zitrone angemachten Karottensalat. Seit Jahren frage ich mich, wann diese leckeren veganen Zwischenmahlzeiten endlich nach Deutschland schwappen werden?

"Zum Dessert dann einen Milchkaffee statt eines Espressos zu bestellen, war bereits verwunderlich. Dann aber noch nach Sojamilch zu bitten? Der Kellner hat nicht mal die Frage verstanden."

Dann kamen wir endlich an der Küste an, wo statt Fleisch- jedes Restaurant von Meeresfrucht-Gerichten beherrscht wird: Muscheln, Garnelen und weil wir uns in einem Austernzuchtgebiet befinden, natürlich Austern. Bei einem Bootsausflug ans Cap Ferret landeten wir in dem einzigen geöffneten Restaurant. Dass der Name "Baraque à Huitres" (zu Deutsch: "Austernbaracke") ernst gemeint ist, merkte ich, als ich lediglich zwischen Austern, Garnelen und Krabben wählen konnte.

Zum Dessert dann einen Milchkaffee statt eines Espressos zu bestellen, war bereits verwunderlich. Dann aber noch nach Sojamilch zu bitten? Der Kellner hat nicht mal die Frage verstanden. Vegane Grill-Optionen in einem normalen Supermarkt? Fehlanzeige. Die Franzosen haben Traditionen, an denen sie festhalten. Oft ist es genau das, was dieses Land ausmacht. In diesem Fall würde ich mir aber etwas mehr Weitblick wünschen.

Am vorletzten Tag, an dem wir noch mal auswärts essen wollten, öffne ich meine Vegan-App und kann es nicht fassen, dass Frankreichs erstes veganes Sternerestaurant "Ona" der Köchin Claire Vallée in Arès nur 71 Kilometer von unserem Urlaubsort entfernt liegt. Doch dann lese ich, dass das Restaurant in der Pandemie vorübergehend schließen musste. Wie schade und dennoch: Frankreich, du überraschst mich immer wieder!

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