Mitten im Südpazifik, über 1.000 Kilometer von Tahiti entfernt, liegt das Tatakoto-Atoll. Ein Ort, der auf den ersten Blick kaum lebensfreundlich für Korallen wirkt.
Im Wasser der halb geschlossenen Lagune, die mit dem Ozean nur über kleine Kanäle verbunden ist, herrschen extreme Temperaturunterschiede von bis zu vier Grad. An besonders heißen Tagen klettern die Werte auf fast 35 Grad Celsius. Eigentlich ein Todesurteil für viele Korallenarten.
Doch das Gegenteil ist der Fall: In kaum einem Meter Tiefe gedeihen dort Dutzende Korallenarten. In einem abgelegenen Unterwasser-Lagunenbecken vor der französisch-polynesischen Insel Tatakoto hat ein Team von Meeresbiolog:innen eine Korallenart entdeckt, die selbst unter extremer Hitzebelastung zu gedeihen scheint: sogenannte "thermoresistente Superkorallen".
"Es war fast wie ein Wunder", sagte Dr. Laetitia Hédouin von der französischen Forschungsorganisation CNRS gegenüber ABC News. Sie leitet das Projekt in Zusammenarbeit mit der Meeresschutz-Organisation 1ocean.org. Die Korallen, so Hédouin, überlebten nicht nur die extremen Bedingungen, sie "gedeihen" sogar.
Die Ozeane dieser Welt gehören zu den am stärksten gefährdeten Lebensräumen des Planeten. Mit jedem Jahr steigen die Temperaturen weiter, das Wasser erwärmt sich, und ganze Ökosysteme geraten aus dem Gleichgewicht.
In einer Zeit, in der Hitzewellen häufiger und intensiver werden, sind auch viele Korallenriffe weltweit vom Aussterben bedroht. Steigt die Wassertemperatur zu stark, verlieren Korallen die symbiotisch lebenden Algen in ihrem Gewebe. Sie "bleichen" aus und sterben häufig ab.
Umso bemerkenswerter ist, dass die Tatakoto-Korallen selbst dann überleben konnten, als andere Riffe in der Region bei geringeren Temperaturen geschädigt wurden. Hédouin vermutet, dass die Korallen einen "biologischen Überlebensmechanismus" entwickelt haben.
Eine Erkenntnis, die frühere Studien stützt: Korallen, die regelmäßig Temperaturschwankungen ausgesetzt sind, entwickeln offenbar eine höhere Hitzetoleranz. Das könnte das Verständnis von Schutzstrategien revolutionieren.
Riffe aus Steinkorallen nehmen eine zentrale Rolle im Ökosystem der Weltmeere ein: Sie bedecken weniger als ein Prozent des Meeresbodens, beherbergen aber etwa 25 Prozent aller marinen Arten. Fische, Krebse, Schnecken, Schildkröten – sie alle finden dort Nahrung, Schutz oder Brutplätze. Gleichzeitig dienen Korallenriffe dem Küstenschutz: Sie dämpfen Wellen und verhindern Erosion.
Die Forscher:innen wollen nun herausfinden, ob sich die hitzeresistenten Korallen auch in kühleren Gewässern ansiedeln lassen. Ein entsprechender Versuch läuft bereits: Ableger wurden in einer anderen Region des Tuamotu-Archipels eingepflanzt. Gelingt die sogenannte "assistierte Migration", könnte Tatakoto zur biologischen Schatzkammer für künftige Korallenpopulationen werden.
Das Projekt wird auch von der Unesco unterstützt. Die Organisation bezeichnete die Korallen als "bemerkenswerte Exemplare" und erklärte, die Erkenntnisse könnten helfen, weltweit neue Strategien zur Wiederbesiedlung geschädigter Riffe zu entwickeln.
Der französische Unterwasserfotograf Alexis Rosenfeld, Gründer von 1ocean.org, hat das Projekt dokumentiert. Für ihn ist Tatakoto ein Symbol: Ein Zeichen dafür, dass der Mensch in der Lage ist, besser mit der Natur zu leben.