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Supermarkt: Edeka polarisiert mit Talahon-Aktionen

ARCHIV - 16.04.2018, Hamburg: Kunden gehen durch die Edeka-Filiale in der Rindermarkthalle. (zu dpa:
Mehrere Edeka-Märkte sorgten mit kuriosen Marketing-Aktionen für Aufsehen.Bild: dpa / Christian Charisius
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Supermarkt: Edeka fällt mit kontroversen Talahon-Aktionen auf – was soll das?

12.08.2024, 10:2012.08.2024, 13:46
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Der Begriff "Talahon" hat in den vergangenen Monaten für viele Diskussionen gesorgt. Er bezeichnet einen bestimmten Prototyp Mann – beziehungsweise jungen Mann –, der neben seiner Kleidung auch durch sein Verhalten gekennzeichnet ist.

Und da liegt auch schon das Problem: Viele projizieren rassistische Vorurteile auf den Begriff und bezeichnen mit "Talahon" den Stereotypen eines mutmaßlich kriminellen oder unsittlichen jungen Mannes mit Migrationshintergrund. Gleichzeitig bezeichnen sich viele Menschen aber auch selbst mehr oder weniger scherzhaft als Talahon.

Es ist also kompliziert. Das hält die Supermarkt-Kette Edeka jedoch nicht davon ab, den umstrittenen Begriff für verschiedene Aktionen zu nutzen. Gegenüber watson rechtfertigen sich die Verantwortlichen nun dafür.

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Talahon diskriminierender Begriff? Edeka verteidigt sich

Seinen Ursprung in der deutschen Popkultur hatte das Wort "Talahon" in einem gleichnamigen Rap-Song des Künstlers Hassan, in dem es viel um Gewalt geht. Der Song wird in letzter Zeit vielfach in Clips auf Tiktok abgespielt. In den Videos boxen und treten Jungs etwa in die Luft.

Problematisch ist dabei häufig das transportierte Weltbild: Es schwingt "eine veraltete und patriarchale Sichtweise auf Frauen und queere Menschen" mit, wie der Radiosender Deutschlandfunk Nova analysiert. Dennoch bezeichnen sich viele selbst als "Talahon", mal ernst, mal ironisch, mal auf einzelne Eigenschaften beschränkt, mal mit ganz anderen Interpretationen.

Und diese vermeintlich stolze Selbstbezeichnung nutzen rechte Stimmen in der Öffentlichkeit wiederum, um aus dem Trend weitere Angst vor migrantische Gruppen zu schüren. Für Aufsehen sorgen in den letzten Tagen daher mehrere Videos von oder aus Edeka-Märkten.

In einem Edeka-Markt in Fürstenau in Niedersachsen wurde etwa ein "Talahon"-Abteilungsschild gefilmt. Einer Unternehmenssprecherin zufolge wurden in den Regalen unter dem Schild "bei Jugendlichen beliebte Trendprodukte wie Limonaden, Schokoladensorten, Buldak Nudeln und weitere" präsentiert.

Unter dem Video auf Instagram finden die meisten die Aktion lustig. Andere streiten sich wiederum um die wahre Bedeutung des Begriffs. Auch Kritik wird geäußert: "Lustig finden das nur Leute, welche nicht vom Rassismus betroffen sind", schreibt eine Userin. Eine weitere schiebt nach:

"Wie der Begriff missbraucht wird, ist rassistisch. Es ist einfach nur abwertend. Ebenso wie der Begriff 'K*nake'. Auch da sagten Leute: 'Ist doch nur Spaß.'"

Die Unternehmenssprecherin verteidigt den Markt gegen solche Kritik. Der Inhaber des Marktes Mehmet Seker habe selbst eine Migrationsgeschichte und spreche auch Arabisch. "Der Begriff 'Talahon', der übersetzt bedeutet 'Komm her', erinnert ihn an seine Kindheit, als ihn seine Eltern mit diesem Wort abends nach dem Spielen ins Haus gerufen haben."

Edeka-Filialen mit Talahon-Aktionen – etwa zur Azubi-Werbung

Auch Stefan Legat, Inhaber der Edeka-Legat-Märkte in Bayern, verteidigt sich, ein von seiner Kette gepostetes Video auf Tiktok sei "satirisch gemeint". Eine Person im Hühner-Kostüm ist darin vor einem Eier-Regal zu sehen, im Hintergrund läuft der "Talahon"-Song von Hassan.

Legat preist "Vielfalt und Toleranz": "Wir legen großen Wert auf Respekt und ein faires Miteinander – unabhängig von Nationalität, Religion, Geschlecht oder Alter. Jede:r ist bei uns Willkommen."

Auch in Baden-Württemberg hat der dortige Markt Edeka Seifert in einem Tiktok-Video mit "Talahon"-Vorurteilen gespielt und so versucht, jungen Menschen eine Ausbildung schmackhaft zu machen.

In dem Video sieht man einen jungen Mann mit gelockten Haaren, Bart, schwarzem Armani-T-Shirt und Bauchtasche, der die Zuschauer:innen begrüßt: "Was geht, ihr Talahons? Ihr sucht eine Ausbildung? Dem jungen Mann ging es früher genauso." Zu sehen ist ein weiterer Jugendlicher mit Lacoste-Sweatjacke, schwarzer Cap und Kette.

Er sagt, er wolle bald ein "Patron" werden und unterschreibe dazu nun den Ausbildungsvertrag, denn so könne es nicht weitergehen. Sein Gesprächspartner ergänzt: "Führt kein Weg dran vorbei. Der Junge wird bald ein Elite-Talahon."

Edeka-Seifert-Chef Pascal Seifert erklärt dazu, die Intention sei es gewesen, junge Menschen zur Aufnahme einer Ausbildung zu motivieren – was demnach auch gelungen sei. Drei Ausbildungsplätze konnten so demnach vermittelt werden.

Edeka-Erklärung: Toleranz und der Langenscheidt-Verlag

Auch Seifert versteht den Begriff nicht negativ, sondern "neutral". Man würde sich auf "den Kleidungsstil, unabhängig von irgendeiner Herkunft" beziehen. Die Gesinnung gegenüber Frauen sei durch die Kleidung nicht vorbestimmt: "Nur weil man eine Gucci Cap, einen Louis Vuitton Gürtel und Air Max Schuhe trägt, ist man nicht automatisch frauenfeindlich."

Seifert verweist zudem auf den Langenscheidt Verlag, der "Talahon" in die Kandidatenliste zur Wahl des Jugendworts des Jahres aufgenommen hat. Der Verlag schließt dabei "Begriffe mit eindeutig beleidigendem, diskriminierendem oder sexistischem Bezug" aus.

Außerdem beteuert Seifert: "Eine rassistische Interpretation lehnen wir entschieden ab." Und: "In unserem Arbeitsalltag treten solche Probleme auch nicht auf."

Dieser letzte Satz macht die Schwierigkeit in den Ausführungen aller Statements deutlich. Die Erklärungen unterstreichen die gute Absicht aller Verantwortlichen. Und dass gerade im Fall von Mehmet Seker ein Mensch mit Migrationsgeschichte selbst den Begriff "Talahon" nutzen möchte, zeigt, dass eine pauschale Rassismuskeule in der Debatte nicht weiterhilft.

Dennoch kann man gewisse Probleme nicht ignorieren. Rassismus tritt allgegenwärtig auf, das sieht man allein schon bei einem Blick auf die Kommentare unter den Videos. Ob man einen Begriff mit so viel Angriffsfläche daher – auch unter guten Absichten – reproduzieren sollte, ist zweifelhaft.

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