In der Theorie ist es schnell dahingesagt, dass man für den oder die Partner:in gerne das "Ein und Alles wäre", in Wirklichkeit scheint das aber ein ziemlich ungesunder Zustand für eine Beziehung zu sein. Schließlich ist es doch eigentlich erholsam, wenn man mehrere Menschen für unterschiedliche Bereiche des Lebens zur Verfügung hat.
Besonders Freundschaften sind prädestiniert, um Mängel in einer Liebesbeziehung auszugleichen. Der Boyfriend steht nicht auf Fußball? Geht man halt mit Freundinnen ins Stadion. Die feste Freundin hat keine Geduld, sich dein Familiendrama anzuhören? Ein emotionaler Aderlass beim Sport-Buddy kann den Druck nehmen.
Doch einige Leute haben von Natur aus kaum bis keine eigenen Freund:innen. Ihnen reicht der Kontakt zu ihrem Lieblingsmensch, vielleicht noch hin und wieder zur Familie. Kann das in Beziehungen zum Todesstoß werden?
Wir fragten bei Nina Grimm nach. Sie ist Familienpsychologin und Bestsellerautorin, lebt und arbeitet von Freiburg aus und weiß viel über Dynamiken in Paarbeziehungen.
Ob mangelnde soziale Kontakte außerhalb der Beziehung für euch zum Problem werden, "das kommt auf dein:e Partner:in an", sagt die Expertin. "Es kann sehr gut sein, dass er der Typ ist, der sich mit wenigen, dafür engen Kontakten einfach wohler fühlt."
Besonders introvertierte Menschen benötigen gar nicht ständig neue Impulse von außen. Ein, zwei enge Bindungen genügen ihnen vollauf und machen sie vielleicht sogar glücklicher. Für einen extrovertierten Typen, der am liebsten jeden Tag im Rudel unterwegs wäre, ist das zwar schwer zu verstehen, aber wichtig zu akzeptieren.
Die entscheidende Frage ist eher: wie freiwillig ist die Eigenbrötlerei? Denn kommt die Einsamkeit "aus einer sozialen Unsicherheit heraus, die er gerne mit deinen Freunden kompensiert, statt sich um eigene Kontakte zu kümmern – kann das ein Warnsignal sein", sagt Nina Grimm zu diesem Thema.
Interessanterweise ist das ein Phänomen, was besonders Männer betrifft. Mehr Frauen (68 Prozent) als Männer (57 Prozent) stimmen der Aussage zu, es sei "wichtig, eigene Freundschaften unabhängig von meinem:r Partner:in zu pflegen" (ElitePartner-Studie, März 2024). Sie bewahren sich ihre eigenen Freundeskreise eher.
Passend dazu hören 35 Prozent der Männer auch Klagen aus dem Freundeskreis, sie würden abtauchen, sobald sie eine Liebesbeziehung führten (bei Frauen sind das "nur" 17 Prozent).
Die Verschmelzung der Freundeskreise ist ebenfalls dokumentiert. Laut der Studie geschieht das bereits in den ersten drei Beziehungsjahren (37,5 Prozent im Schnitt), nach zehn Jahren geben 55 Prozent aller Vergebenen an, sie hätten einen gemeinsamen Freundeskreis.
Wenn aber auch die Freizeit nur noch in einem gemeinsamen Pulk verbracht wird, bedeutet das wenig Freiraum für das Individuum. Viele Menschen verhalten sich erfahrungsgemäß anders, wenn sie ohne ihre bessere Hälfte unterwegs sind, egal ob frecher oder ruhiger, weil die Paardynamik wegfällt. Diese sonst vernachlässigten Aspekte der Persönlichkeit ab und an auszuleben, kann guttun. Zu viel Symbiose wiederum kann lähmen.
"Sicher ist es bis zu einem gewissen Grad auch schön, wenn sich Leben und damit auch Freund:innen ineinander verweben", sagt die Familienpsychologin. Doch sie ergänzt:
Sich einen eigenen Freundeskreis aufzubauen und ihn auch während einer Beziehung zu pflegen, ist also nicht nur gut für das Trainieren des sozialen Muskels, weinselige Abende und Rückendeckung im Krisenfall, sondern bringt auch Entlastung und Schwung zurück in die Liebe.
Wenn das mal kein guter Grund ist, um die alten Freund:innen zu einer gemeinsamen Runde auf dem Weihnachtsmarkt zusammenzutrommeln ...