"Einfach fallen lassen", das ist in Sachen Lust manchmal leichter gesagt, als getan. Im Gegenteil: Für viele ist Sex, besonders wenn er mit einem Menschen stattfindet, den man beeindrucken möchte, mit Leistungsdruck verbunden. Umso unangenehmer wird es dann, wenn etwas nicht so recht "klappen" will, zum Beispiel eine Erektion.
Erektionsstörungen können zahlreiche Gründe haben, unter anderem Medikamenteneinnahme, Bluthochdruck und Diabetes. Doch wenn alle medizinischen Ursachen ausgeschlossen wurden, die betroffene Person eigentlich jung und kerngesund ist – woran liegt es dann, wenn der Penis einfach nicht steif wird?
Lea Holzfurtner ist klinische Sexologin. Sie coacht Menschen in ihrer Praxis in Berlin und in ihrem neuen Podcast "Berlin Intim" in allen Fragen der Intimität.
Sie merkt an, dass es sinnvoll ist, sich erst einmal von einer falschen Annahme zu lösen, wenn es um Erektionen geht: "Männer wollen und können immer? Das ist eines dieser Mythen, das sich unglaublich hartnäckig bei uns hält. Kein Geschlecht profitiert von dieser völlig falschen Erzählung."
Denn sowohl die Männer, deren Erektion ausbliebe und sich als Versager fühlten, als auch ihre Partner:innen, die das Ausbleiben mitunter auf sich beziehen, würden durch diese Erzählung massiv verunsichert.
"Wie oft erlebe, ich es in der Praxis bei Paaren, mit denen ich arbeite, dass weniger Lust bei ihm interpretiert wird als 'er findet mich nicht mehr sexy' oder 'er liebt mich nicht mehr'", berichtet Lea Holzfurtner. Ein Missverständnis. Denn mangelnde Lust oder Performanceschwierigkeiten können auch auftreten, wenn das Gegenüber sehr begehrt und geliebt wird. Die Expertin deutlich: "Sex ist ein schlechtes KPI (Anm. d. Red. Key Performance Indicator/Maßstab), um Liebe zu messen."
Es ist nicht nur Liebe und Anziehung, die eine Rolle spielt, wenn es um Körperfunktionen geht. Die Psyche kann enorme Auswirkungen auf die Lust eines Menschen haben, und was den Kopf belastet, muss nicht einmal unbedingt mit der Partnerschaft zu tun haben.
"Die Lust aller Geschlechter ist störungsanfällig und hängt von so vielen Faktoren ab", erklärt Holzfurtner weiter. Sie führt ein paar Beispiele aus:
Das mag seltsam klingen, für Menschen, die keine Probleme haben, beim Geschlechtsverkehr abzuschalten. Tatsächlich kann Sex ja auch ebendiesen Druck des Alltags "abbauen und entspannend wirken", weiß auch die Sexologin, "aber er kann auch ganz Stress auslösen." Immerhin sieben Prozent aller Männer zwischen 18 und 25 Jahren geben an, Erektionsprobleme zu haben.
Kurzum: "Das Thema Erektionsstörungen muss wirklich von allen Seiten beleuchtet werden." Scham, Vorwürfe oder Vermeidungstaktiken sind ganz unnötig und nicht zielführend. Viel sinnvoller ist eine kleine Analyse darüber, wann und wie die erektile Dysfunktion auftritt.
"Wie sieht es bei dir im Soloplay aus? Klappt es da?", gibt Lea Holzfurtner ein Beispiel für eine sinnvolle Frage. Und wenn ja, "Was unterscheidet deine Masturbation vom Partnersex, den du hast?" Sind die Gedanken beim Solosex freier, die Stimmung entspannter, die Berührungen anders, lässt sich das unter Umständen in den Partnerschaftssex übertragen?
"Noch ein weiterer Gedanke", ergänzt die Expertin. "Hast du überhaupt die Art von Sex, die dich wirklich anturnt? Oder hast du, was ich 'Sex des kleinsten gemeinsamen Nenners' nenne?" Das sei Sex, "auf den man sich als Paar geeinigt hat, der niemanden überfordert, keinem auf die Füße tritt, aber auch nicht den echten Fantasien und Wünschen der Partner entspricht."
Besonders in längeren Beziehungen folgt Geschlechtsverkehr oft einem unausgesprochenem Drehbuch, das irgendwann nicht mehr besonders anregend ist. Ausprobieren, was noch gefallen könnte und das bewusst ohne Performance-Druck, wäre ein guter Weg, um zu versuchen, wieder etwas "Spannung" ins Bett zu holen.