Nach wie vor gibt es Verdienstlücken zwischen Männern und Frauen; nach wie vor mangelt es an politischem Willen, diese zu schließen; nach wie vor findet das Thema in medialen Diskursen nur bedingt Platz. Der Gender Pay Gap ist nicht nur Produkt patriarchaler Strukturen, sondern auch ein Weg, diese zu erhalten.
Ist das Lohngefälle zwischen Paaren klar definiert, ist die Frage der Elternzeit recht fix geklärt, meist zu Ungunsten der Mütter. Und das ist nur ein Beispiel für die daraus resultierenden Abhängigkeitsverhältnisse. Doch zumindest gibt es jetzt einen Schritt in Richtung Besserung.
Im vergangenen Jahr ist die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in Deutschland so stark gesunken wie seit Jahrzehnten nicht. Der unbereinigte Gender Pay Gap ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr von 18 auf 16 Prozent gesunken, teilte das Statistische Bundesamt mit. Es ist der stärkste Rückgang seit Beginn der statistischen Berechnungen im Jahr 2006.
Beim unbereinigten Gender Pay Gap werden die durchschnittlichen Stundenverdienste zwischen Männern und Frauen ohne jegliche Anpassung einbezogen. Anders als beim bereinigten werden dabei strukturelle Faktoren wie Unterschiede bei Berufe, Beschäftigungsanfang, Bildungsstand oder auch Verteilung von Führungspositionen nicht herausgerechnet.
Der durchschnittliche Brutto-Monatslohn von Frauen ist im vergangenen Jahr um acht Prozent auf 2851 Euro gestiegen, der von Männern um fünf auf 4078 Euro. Runtergerechnet auf Stundenlöhne erhalten Frauen 22,34 Euro, Männer hingegen 26,34 Euro, also 4,10 mehr.
Vielleicht ist der unbereinigte Gender Pay Gap etwas geschrumpft, für Jubelrufe ist es aber deutlich zu früh. Denn, so zeigt es das Statistische Bundesamt ebenfalls, bei Frauen stagniert der durchschnittliche Bruttostundenverdienst im Alter von 30 Jahren nahezu.
Der Verdacht ist, dass Frauen im Laufe ihres Erwerbslebens familienbedingt ihre Karriere unterbrechen und in Teilzeit arbeiten. Zudem werden Berufe, in denen besonders viele Frauen arbeiten, häufig schlechter bezahlt als männerdominierte Branchen.
Bitter ist, dass der bereinigte Gender Pay Gap bei sechs Prozent liegt. Demnach verdienten Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt auch bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie im Berichtsjahr 2023 pro Stunde 6 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, schreibt das Statistische Bundesamt.
Die wissenschaftliche Direktorin des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), Bettina Kohlrausch, fasst die Entwicklung des unbereinigten Gender Pay Gaps und die Schlüsse gut zusammen. Sie finde das zwar erfreulich, "doch auch ein Lohnunterschied von 16 Prozent zwischen Männern und Frauen spiegelt strukturelle Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt wider", zitiert sie die "tagesschau".
Frauen leisten weiterhin zum Beispiel deutlich mehr Sorgearbeit als Männer. Der Indikator dazu, der Gender Care Gap, lag 2022 bei 44,3 Prozent. 29:52 Stunden pro Woche sind es bei Frauen, 20:42 bei Männern.
Betreuung von Kindern und Pflege von Angehörigen zwingen viele in die Teilzeit oder anders gesagt: Weil nötige Infrastruktur fehlt, Männer sich zudem aus der Affäre ziehen, auch wegen wirtschaftlicher Missverhältnisse, müssen sehr viele Frauen einspringen. Abhängigkeitsverhältnisse bleiben erhalten, das Patriarchat ist gesichert. Da ist noch viel Luft nach oben.