ME/CFS: Erstmals Bluttest zur Erkennung des Fatigue-Syndroms entwickelt
Viele Menschen kennen das Gefühl, oft erschöpft zu sein – doch für Betroffene des Fatigue-Syndroms ist diese Müdigkeit kein vorübergehender Zustand, sondern eine lähmende Dauerbelastung. ME/CFS, kurz für Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom, raubt den Patient:innen Energie, Konzentration und in den meisten Fällen auch Lebensqualität.
Selbst einfache Alltagsaufgaben können zur Herausforderung werden, während die körperliche Ursache dieser tiefen Erschöpfung bislang schwer zu fassen war. Hinzu kommt, dass die Erkrankung äußerlich meist gar nicht zu erkennen ist und dadurch auch mit großen Stigmata verbunden ist.
Über Jahre galt ME/CFS daher fälschlicherweise als psychosomatisch – nicht zuletzt, weil messbare biologische Nachweise fehlten. Erst seit der Corona-Pandemie und dadurch entstandenen Langzeitfolgen wie Long Covid hat das Thema mehr Aufmerksamkeit erhalten. Immer deutlicher wurde dadurch, dass es sich bei ME/CFS nicht etwa um Einbildung handelt, sondern um ein ernst zu nehmendes medizinisches Problem mit gesellschaftlicher Tragweite.
Forscher finden DNA-Auffälligkeit bei Patienten mit Fatigue-Syndrom
Doch obwohl die Symptome mittlerweile auf mehr Verständnis stoßen, bleibt die Diagnose bislang oft eine Ausschlussfrage. Nun ist Forscher:innen der Norwich Medical School der University of East Anglia (UEA) in England allerdings ein vielversprechender Durchbruch gelungen.
Gemeinsam mit Biotechnologie-Expert:innen von Oxford Biodynamics (OBD) untersuchten sie mithilfe von Bluttests die DNA-Struktur von gesunden Personen und von Patient:innen mit ME/CFS. Dabei konnten sie eine spezielle Auffälligkeit in der DNA erkennen, die lediglich bei den Testpersonen mit ME/CFS-Symptomatik auftauchte. Bei den gesunden Proband:innen schlug der entsprechende Test hingegen nicht an.
"Zum ersten Mal verfügen wir über einen einfachen Bluttest, mit dem wir ME/CFS zuverlässig feststellen können", erklärt Prof. Dmitry Pshezhetskiy von der UEA dem "Guardian". "Dies könnte die Art und Weise, wie wir diese komplexe Krankheit diagnostizieren und behandeln, komplett verändern."
Bluttest zur Erkennung von ME/CFS: Weiterer Forschungsbedarf nötig
Expert:innen sehen die im "Journal of Translational Medicine" veröffentlichten Ergebnisse zwar als einen bedeutsamen Schritt im Umgang mit ME/CFS. Dennoch weisen sie auf die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen in Bezug auf den Test hin.
Einerseits sei demnach noch nicht geklärt, ob der Test auch schon in frühen Stadien einer Erkrankung an ME/CFS anschlägt. Zudem ist eine Korrelation mit DNA-Veränderungen bei anderen Erkrankungen nicht eindeutig auszuschließen.
"Wir müssen wissen, dass die Anomalie nicht nur bei gesunden Kontrollpersonen, sondern auch bei einer Reihe anderer chronischer Entzündungs- und Autoimmunerkrankungen nicht auftritt, die ME/CFS-ähnliche Symptome verursachen", verdeutlicht Dr. Charles Shepherd von der ME Association.
Die aktuellen Ergebnisse beziehen sich auf eine Untersuchung unter etwa 100 Proband:innen. Um gesicherte Aussagen über einen Bluttest treffen zu können, fordern mehrere Wissenschaftler:innen im Gespräch mit dem "Guardian" weitere Forschung. Im Falle einer Zulassung wäre der Test zudem zunächst ziemlich teuer.