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Clubsterben in Deutschland: Verbände äußern sich zu Problemen und Lösungen

A woman walks past the venue of the iconic "Kit Kat Club" with "Club Sterben" (Club death) written on its fence in Berlin's Kreuzberg district on November 3, 2020 as clubs rem ...
Mit der Coronapandemie fing 2020 das Clubsterben in Deutschland an.Bild: AFP / DAVID GANNON
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Clubsterben in Deutschland: Ist die Party vorbei?

29.11.2024, 19:20
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"Die Party ist zu Ende – lang lebe die Party", steht auf der Webseite des Clubs Watergate. Der Berliner Club hat bekanntgegeben, dass er zum Ende des Jahres schließt, nachdem er 22 Jahre fester Bestandteil der Feierszene war. Damit reiht sich das Watergate an viele weitere Clubs an, die deutschlandweit in den letzten Jahren und Monaten schließen mussten oder es bald müssen.

Das Hamburger Clubkombinat und die Berliner Clubkommission gaben beide kürzlich alarmierende Zahlen für ihre Städte raus. Hamburger Clubs haben im Vergleich zum vergangenen Jahr einen Gewinneinbruch von 20 Prozent, 10 Prozent der rund 100 befragten Mitglieder des Clubkombinats gaben an, über eine Schließung in den kommenden 12 Monaten nachzudenken, heißt es in der "Morgenpost".

In Berlin sieht die Prognose noch düsterer aus: Fast die Hälfte aller Clubbetreiber:innen denkt dort über eine Schließung nach, nachzulesen im Clubmonitor.

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Aber was genau sind die Probleme der Feierszene, die gerade einen Club nach dem anderen in die Knie zwingen? Watson hat dazu bei Marcel Weber, Vorstandsvorsitz der Clubkommission Berlin, und bei Moritz Zimmer, Leitung der Geschäftsstelle Clubkollektiv Stuttgart, nach der jeweiligen Situation in der Stadt gefragt.

Watson: Wie hat sich die Clubszene in den vergangenen Jahren verändert?

Moritz Zimmer: Die Clublandschaft in Stuttgart verzeichnet einen dramatischen Rückgang des Gesamtpublikums. Die allgemeine wirtschaftliche Lage hat sich für viele Menschen verschlechtert, was dazu führt, dass das Geld für Freizeitaktivitäten – darunter auch Clubbesuche – nicht mehr so locker sitzt.

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Clubfotos wirken allmählich immer trostloser.Bild: imago images / Funke Foto Services

Woran liegt das?

Moritz Zimmer: An mehreren Faktoren, darunter die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die folgende Inflation. Zudem bleibt das junge Publikum zunehmend aus; für viele von ihnen ist das Feiern in Clubs nicht mehr so attraktiv wie früher, da sich Freizeit- und Konsumgewohnheiten verändert haben.

Marcel Weber: Die Veränderung im Clubbusiness hängt auch mit der Gentrifizierung zusammen. Durch sie fallen immer mehr Orte weg, an denen früher Clubs und Bars ihren Platz hatten. Außerdem hat die Pandemie Spuren hinterlassen.

Wie äußern sich diese?

Marcel Weber: Es gab viele Schließungen von Clubs, gerade junge Menschen konnten sich nicht in dem Rahmen treffen, wie es in dem Alter eigentlich viele tun wollen, das führte zu einer Vereinsamung der jungen Leute. Und das wiederum führt dazu, dass sie Clubs als individuellen Raum nicht kennenlernen konnten, wie es die Generationen vor ihnen so getan haben. Clubs sind ein Ort des Ausgleichs, der kurzzeitigen Realitätsflucht, des Zusammenkommens. Bei all den Dauerkrisen der heutigen Zeit ist einigen das Feiern jedoch fremder geworden.

Also fehlen vor allem junge Menschen in den Clubs?

Marcel Weber: Viele junge Menschen haben während der Pandemie ihr Sozialleben anders geführt und das Partyleben anders kennengelernt: auf Hauspartys, bei Treffen vor Spätis. Das führen sie nun weiter, sie haben keinen richtigen Bezug zu Clubs aufgebaut und kennen diese Art des Feierns auch nicht. Deswegen fehlen junge Menschen in vielen Clubs, genauso wie Tourist:innen, die aufgrund der inzwischen hohen Preise nicht mehr in den Mengen kommen, wie es mal der Fall war.

Welche Hürden machen es den Clubs schwer, langfristig zu bestehen?

Marcel Weber: In der Berliner Clubszene ist ein enormer monetärer Druck da. Das begann mit der Gentrifizierung der Stadt, wurde während der Pandemie schlimmer und durch die Inflation natürlich nicht besser: Die Clubs kämpfen mit Personalmangel, gestiegenen Energiekosten und Mietpreisen, befristeten Mietverträgen, die keine langfristigen Perspektiven bieten und das Gewerbe somit Unsicher machen.

Schwierige Bedingungen …

Marcel Weber: Und dazu kommt noch: Wenn alles immer teurer wird, können sich das immer weniger Menschen leisten. Das führt auch dazu, dass Tourist:innen, die nach Berlin kommen, überlegen, wofür genau sie ihr Geld ausgeben und das ist ein anderes Ausgabeverhalten als früher.

Moritz Zimmer: In Stuttgart sehen sich die Clubs mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, die größtenteils auf bundes- oder landesweite Regelungen zurückzuführen sind. Dazu zählen etwa strikte Auflagen wie die TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm) oder kostspielige Konzessionsanforderungen. Diese Vorgaben machen den Betrieb von Clubs zunehmend schwieriger und erhöhen den finanziellen Druck.

Ist auch hier die Gentrifizierung ein Problem?

Moritz Zimmer: Ja, Gentrifizierungsprozesse und steigende Mieten wirken sich auch in Stuttgart negativ aus, was besonders in innerstädtischen Lagen problematisch ist. Oft müssen Clubs aufgrund von Anwohnerbeschwerden oder städtebaulichen Veränderungen schließen oder ihren Betrieb einschränken.

Was müsste passieren, damit sich nachhaltig etwas zum Positiven für die Clubszene verändert?

Moritz Zimmer: Auf kommunaler Ebene bedarf es eines grundlegenden Umdenkens im Bereich des Beschwerdemanagements. Aktuell werden "Gelbe Karten" (Verstöße gegen Auflagen oder Anwohnerbeschwerden) oft ungefiltert weitergegeben, was den Clubs zusätzliche Probleme bereitet. Wir fordern einen differenzierten Prozess, der mehr Transparenz und Fairness gewährleistet und "Willkür" in der Beschwerdelage verhindert.

Wie soll das funktionieren?

Moritz Zimmer: Ein zentral organisiertes Beschwerdemanagement unter Einbeziehung verschiedener Verbände könnte hier Abhilfe schaffen und einen konstruktiveren Austausch zwischen Clubs, Behörden und Anwohnern fördern.

Und über die kommunale Ebene hinaus?

Moritz Zimmer: Eine zentrale Veränderung wäre es, die Clubs aus der Kategorie "Vergnügungsstätten" (in der sie etwa mit Bordellen und Casinos gleichgesetzt werden) herauszunehmen und sie stattdessen als "Kulturstätten" zu klassifizieren. Diese Einstufung würde den Clubs zahlreiche bürokratische Hürden nehmen, beispielsweise bei der BauNutzungsVerordnung (BauNVO). Damit würde der Stellenwert von Clubs als Orte der Kultur- und Musikförderung anerkannt und unterstützt werden.

Muss das Feiern für eine nachhaltige Veränderung vielleicht auch neu gedacht werden?

Marcel Weber: Es gibt gerade auch einfach sehr viele Krisen. Und dann steht man auf der Tanzfläche, fragt sich, was ist eigentlich gerade mit der Welt los und dann vergeht einem auch die Feierlaune. Deswegen ist es wichtig, dass Clubs sich nun auch wieder vermehrt als Orte verstehen, in denen man zusammen kommen kann, um Energie zu tanken, unter Gleichgesinnten zu sein, sich austauschen zu können. Ein Ort, der etwas Positives hat, damit man wieder Kraft für den weniger positiven Alltag findet.

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