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Handwerk: Sandra Hunke über Sexismus und Nachwuchsmangel in der Branche

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Sandra Hunke arbeitet schon seit mehr als zehn Jahren als Anlagenmechanikerin.Bild: sandra hunke
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Sandra Hunke über Nachwuchssorgen in der Handwerksbranche: "Das geht gar nicht"

Dem typischen Handwerker-Klischee entspricht Sandra Hunke nicht: Sie ist jung, weiblich und arbeitet nebenbei als Model. Auf Instagram teilt sie Einblicke in ihren Arbeitsalltag und will zeigen, dass auch Frauen anpacken können. Mit watson spricht die 33-Jährige über Geschlechterklischees, Grenzüberschreitungen und Tipps für die bevorstehende Heizperiode.
09.10.2025, 20:0109.10.2025, 20:01

Watson: Sandra, bald steht die Heizperiode an. Was muss ich tun, damit mich die nächste Abrechnung nicht aus den Socken haut?

Sandra Hunke: Es ist auf jeden Fall wichtig zu verstehen, wie ein Thermostat funktioniert und wofür die Zahlen stehen. Es gibt ganz viele Menschen, die die Heizung auf fünf drehen und denken, der Raum wird schneller warm.

Aber dem ist nicht so?

Nein, er braucht genauso lange, um warm zu werden wie auf Stufe 3 – aber die Heizung verbraucht dabei mehr Energie. Im Thermostat ist ein Temperaturfühler eingebaut, der bei einer bestimmten Temperatur registriert: "Der Raum ist warm genug, ich schließe jetzt". Wenn man das Thermostat allerdings auf Stufe 5 stellt, läuft die Heizung auf voller Leistung. Das bringt keinen zeitlichen Vorteil, sondern sorgt nur für unnötigen Energieverbrauch. Wer richtig Geld sparen will, sollte aber einen hydraulischen Abgleich machen lassen.

Das musst du mir erklären.

Ein hydraulischer Abgleich funktioniert im Prinzip wie ein Gartenschlauch mit vielen Löchern: Wenn alle Löcher gleich groß sind, kommt am Ende weniger Wasser raus als am Anfang. Genauso ist es bei mehreren Heizkörpern im Haus – ohne Abgleich bekommen manche zu viel, andere zu wenig Wärme. Beim Abgleich wird berechnet, wie groß jeder Heizkörper ist, und die Ventile werden so eingestellt, dass überall gleichmäßig Wasser ankommt, damit alle Räume gleichmäßig warm werden.

Man merkt dir die Leidenschaft für deinen Beruf an. Wie bist du zum Handwerk gekommen?

Ich habe schon früh gemerkt, dass das Schulsystem nicht für mich gemacht ist. Irgendwann bin ich nur noch mit Bauchschmerzen zur Schule gegangen. Nachmittags konnte ich aber in die Werkstatt zu meinem Papa gehen – da war die Welt in Ordnung. Er hat mich bohren, schneiden und werkeln lassen. Dabei habe ich gemerkt, dass mir das Handwerkliche liegt. Mein Papa ist Fliesenleger und hat mich darin bestärkt. Deshalb war es für mich auch völlig normal, dass Frauen handwerklich arbeiten.

Das ist aber nicht in jeder Familie der Fall.

Wir bringen den Kindern leider oft bei, dass Mädels bloß keinen Hammer in die Hand nehmen dürfen, weil die könnten sich ja weh tun oder schmutzig werden. Um mit diesen Klischees zu brechen, habe ich vor ein paar Jahren das Kinderbuch "Bella Baumädchen" geschrieben. Damit bin ich durch deutsche Baumärkte getourt und habe Mitmachaktionen organisiert, damit die Mädchen vor Ort etwas bauen können. Davon waren viele begeistert; manche Eltern haben mir geschrieben, dass sich die Mädchen danach eine Werkbank und Werkzeug gewünscht haben. Das ist natürlich schön zu hören.

"Respektvoller Umgang sollte überall gelten – egal ob im Büro oder auf der Baustelle."

Aber nicht nur Kinder haben Klischees im Kopf. Wie reagieren Kund:innen, wenn sie dich sehen?

Es gibt immer wieder Kunden, die überrascht sind, wenn eine Handwerkerin vor der Tür steht. Manche fragen dann, ob noch ein Mann kommt. Eine Situation, die mir im Gedächtnis bleibt, hat sich in einer Zahnarztpraxis abgespielt. Damals habe ich mit einem Kollegen die Umwälzpumpe an der Heizung getauscht. Dann stand plötzlich der Zahnarzt bei uns und wollte wissen, seit wann Frauen im handwerklichen Berufen arbeiten dürfen. Dafür hat er sogar die Behandlung eines Patienten unterbrochen.

Das klingt nach einer Einstellung aus einem anderen Jahrhundert.

Das Ding ist: Bis 1994 gab es für Frauen in Westdeutschland tatsächlich ein Beschäftigungsverbot im Bauhauptgewerbe. Aber in dem Moment, dachte ich mir: "Was läuft falsch bei dir?".

Braucht man als Handwerkerin also weiter ein dickes Fell?

Ich hoffe, dass sich das allmählich ändert. Klar, der raue Ton gehört im Handwerk oft dazu: Meine Kollegen und ich meckern uns mal gegenseitig an oder machen Witze auf Kosten des anderen. Solange das auf Augenhöhe passiert, geht das klar. Aber wenn Grenzen überschritten werden, durch sexistische Kommentare oder unangemessene Berührungen, muss man klar Stopp sagen. Respektvoller Umgang sollte überall gelten – egal ob im Büro oder auf der Baustelle.

Die Verantwortung dafür liegt auch bei den Betrieben selbst. Wie offen sind die für Kritik?

Das ist unterschiedlich. Manche Betriebe ziehen nach sexistischen Vorfällen direkt Konsequenzen – andere machen gar nichts. Bei mir hat sich mal eine Azubine gemeldet, weil sie von Kollegen Sprüche zu hören bekommen hat wie "Zieh dich mal aus und zeig, dass du wirklich eine Frau bist". Sie hat sich bei ihrem Chef beschwert, aber der meinte nur: "Du hast dich ja dafür entschieden, das musst du dir gefallen lassen". Das geht gar nicht.

Wie ging es weiter?

Sie hat ernsthaft überlegt, die Ausbildung abzubrechen. Ich habe dann aber Druck bei der Handwerkskammer gemacht und darüber hat sie eine neue Ausbildungsstelle bekommen. Jetzt macht sie sogar ihren Meister. Leider gibt es immer wieder solche Idioten. Aber wenn man Leidenschaft fürs Handwerk hat, sollte man sich das von denen nicht kaputt machen lassen. In solchen Fällen würde ich raten, sich Hilfe zu suchen – entweder beim Chef, der Handwerkskammer oder anderen Handwerkerinnen auf Social Media.

Neben einem Sexismus-Problem hat die Handwerksbranche auch ein Nachwuchsproblem. Woran liegt das?

Den Nachwuchsmangel haben wir ja überall, das ist kein spezifisches Problem der Handwerksbranche. Aber wenn manche Betriebe nicht mal eine Website haben, geschweige denn auf Social Media aktiv sind, muss man sich nicht wundern, dass sie keine Azubis finden. Junge Menschen informieren sich heutzutage nun mal vor allem online und sie wollen auch etwas geboten bekommen.

Das Motto "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" gilt also nicht mehr?

Nein, diese Zeiten sind vorbei. Junge Menschen wollen gefördert werden, ihre eigenen Projekte umsetzen. Die Betriebe, die das beherzigen, haben nach meiner Erfahrung keine Nachwuchsprobleme. Wer aber immer nur mit dem Zeigefinger auf die faule Gen Z zeigt, statt selbst was zu verändern, bleibt auf der Strecke.

Aber siehst du auch eine strukturelle Benachteiligung des Handwerks? In der Schule haben wir einen Ausflug zur Uni gemacht, einen Handwerksbetrieb habe ich nie von innen gesehen.

In Schulen fehlt oft der Bezug zum Handwerk. Ich finde, das Fach Werken sollte an allen Schulformen Pflicht sein – egal ob Gesamtschule, Realschule oder Gymnasium. Nur so bekommen Kinder einen Zugang zu handwerklichen Berufen. Ich bin oft auf Messen unterwegs, bei denen sich die Handwerksbranche präsentiert – aber Gymnasien sieht man dort so gut wie nie.

Es herrscht immer noch die Vorstellung: Wer Abi hat, geht studieren ...

... und wer schlechte Noten bekommt, geht ins Handwerk. Aber das halte ich für den völlig falschen Ansatz. Gerade als Anlagenmechanikerin musst du richtig was auf dem Kasten haben. In drei Jahren lernst du Inhalte aus drei Bereichen – Heizung, Sanitär und Klima – die früher jeweils eigene Berufe waren. Das sollte nicht unterschätzt werden.

Mehr als zehn Jahre arbeitest du nun schon als Handwerkerin. Wie viele Jahre willst du noch weitermachen?

Ich sehe mich auf jeden Fall mein Leben lang im Handwerk. Ich könnte mir Leben ohne handwerkliche Arbeit gar nicht vorstellen. Vor fünf Jahren habe ich mein eigenes Bad geplant und gebaut. Am Ende zu sehen, dass ich das alles mit meinen eigenen Händen geschafft habe, war ein grandioses Gefühl. Das möchte ich nicht mehr missen.

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