Meistens sind die Nachrichten keine guten, wenn Deutschlands Flughäfen in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Streiks, Baupfusch, versenkte Steuermilliarden und Airline-Pleiten gehören da noch zur milderen Sorte. Aktuell bereitet Expert:innen eine andere Baustelle viel größere Sorgen: Die jüngsten Blockade-Aktionen der Letzten Generation haben gewaltige Sicherheitslücken offenbart.
2022 enterten erstmals Vertreter:innen der Letzten Generation einen Flughafen und legten den Betrieb lahm. Seitdem haben die Aktivist:innen mehrere Flughäfen blockiert. Doch warum sind die Airports auch zwei Jahre später nicht gewappnet? Und welche Maßnahmen erwägen Politik und Betreiber jetzt?
Ein paar Schnitte mit dem Seidenschneider, und schon war die Letzte Generation am Donnerstagmorgen auf der Startbahn von Deutschlands größtem Flughafen. Noch vor Sonnenaufgang schlüpften Aktivist:innen durch den aufgeschnittenen Maschendrahtzaun und legten den Frankfurter Airport stundenlang lahm. 140 der 1400 Flüge mussten daraufhin laut Flughafenbetreiber annulliert werden.
Mit einem "Öl tötet"-Banner und an der Rollbahn festgeklebten Händen machten die Aktivisten auf die Gefahren von fossilen Brennstoffe und Hyperkonsum aufmerksam. Statt über Umweltschutzmaßnahmen und Subventionsstopps diskutiert die Republik nun aber über Flughafensicherheit und den Schutz der kritischen Infrastruktur.
"Entsetzt" über die gewaltigen Sicherheitslücken zeigte sich Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Im Gespräch mit dem WDR wies er auf die vom PR-Coup der Aktivist:innen überstrahlte Gefahr hin: "Es hätten auch Terroristen sein können."
Nun sei die Zeit, endlich aus den Versäumnissen der letzten Jahre zu lernen. Insofern müsse man den "letztlich harmlosen Störern schon dankbar sein, dass sie auf die massiven Sicherheitsmängel an Flughäfen aufmerksam gemacht haben", sagte Großbongardt.
Bereits im November 2023 hatte Großbongardt, der in seiner Laufbahn Posten bei Lufthansa, Boeing und der Pilotengewerkschaft Cockpit bekleidete, für millionenschwere Investitionen in Sicherheitsmaßnahmen auf Flughäfen geworben.
Damals war ein bewaffneter Mann mit seinem Auto in den Hochsicherheitsbereich vom Hamburger Airport eingedrungen und hatte sich eine 18-stündige Belagerungssituation mit der Polizei geliefert.
In einem "Spiegel"-Interview klagte Großbongardt daraufhin: "Der Hamburger Flughafen ist nicht sicher – und andere Airports in Deutschland auch nicht." Er warnte vor dem Zerstörungspotenzial vollgetankter "Maschinen mit Zehntausenden Litern Kerosin im Bauch".
Großbongardt rügte die niederschwelligen Sicherheitsstandards – Maschendrahtzaun ohne elektronische Überwachung, angrenzende Waldränder – "die Flughafenbetreiber und Behörden sind hier unfassbar naiv." Sein Lösungsvorschlag: Eine sogenannte Perimetersicherung. "Das heißt: eine massive Doppelzaunreihe, bei welcher der Zwischenraum elektronisch überwacht wird."
Die Zeichen der Zeit hat inzwischen auch die Bundesregierung erkannt. Nach gescheiterten Verhandlungen über eine Selbstverpflichtung der deutschen Flughafenbetreiber gehe man nun in "die Abstimmung mit den Ländern zu einer Rechtsverordnung für den besseren Schutz an deutschen Flughäfen". Das gab das Bundesinnenministerium am Donnerstag bekannt.
Konkrete Aufrüstungen soll es demnach in den Bereichen der Zäune, Zufahrtstore und der Videoüberwachungstechnik geben. Kommt das Gesetz, wie von Innenministerin Nancy Faeser erhofft, per Rechtsverordnung, können übliche Gesetzgebungsprozesse umgangen und schnell Tatsachen geschaffen werden.
Mit einer strafrechtlichen Verschärfung ist eine weitere Maßnahme auf dem Weg. Das novellierte Luftsicherheitsgesetz liegt dem Parlament bereits vor. Demnach sollen bis zu zweijährige Haftstrafen potenzielle Blockierer abschrecken. Denn bisher kommen die Aktivisten mit Geldstrafen davon, die meist durch Spendengelder gedeckt werden.
Ob die Gesetzesverschärfung die Letzte Generation künftig von Deutschlands Landebahnen fernhält, bleibt abzuwarten. Am Mittwoch erklärte Aktivist Lars Werner in einer Pressekonferenz, die Gruppe habe die geplante "Gesetzesvorschrift wahrgenommen". Er "appelliere an die Bundesregierung, den Weg der Eskalation zu verlassen".
Eigentlich hatte die Letzte Generation im Frühjahr verkündet, künftig bei Blockadeaktionen auf den Gebrauch von Klebstoff zu verzichten. Auf Nachfrage erklärte Aktivistin Ronja Künkler lediglich: "Straßenblockaden finden in dieser Form nicht mehr statt."
Bei derselben Gelegenheit beharrten die Aktivist:innen auf der Forderung für ein "Fossil Fuel Treaty" und kündigten weitere "ungehorsame Versammlungen an".
Spätestens seit Mittwoch ist eine Flughafen-Blockade nicht nur in Deutschland ein Mittel des Protests. Koordinierte Blockaden fanden in Genf, Oslo, Helsinki, Barcelona und London statt. Bei der Pressekonferenz, die auf Youtube ausgestrahlt wurde, nannten die Aktivist:innen auch ein konkretes Ziel. Demnach soll der Flughafen Kassel schwerpunktmäßig ab dem 25. September sabotiert werden.