Vier Tage lang campten Journalisten und britische Royal-Fans vor einem Krankenhaus in London. Nicht nur, um einen ersten Blick auf den königlichen Nachwuchs zu bekommen, sondern auch, um Bilder davon an Klatschmagazine zu schicken, um wacklige Stories auf Instagram zu posten.
Was hat sie an? Ist da ein Bäuchlein? Wie sieht sie aus und wie geht es ihr? Es sind diese Fragen, die Menschen und Moderatoren von Facebook-Live-Shows auf People.com beantwortet haben wollen.
Aus diesem Grund richten sich Kameras aus allen Winkeln auf den Eingang des Lindo Wings, um den postnatalen Körper von Herzogin Kate millimeterweise zu scannen.
Kate trat nur sieben Stunden nach der Geburt für genau 1,5 Minuten vor die Tür. Tapfer, auf High Heels und mit glänzendem Haar. Thronfolger zeigen, lächeln, winken, Abgang.
Wer genau hinschaute, sah vielleicht ihren leicht gequälten Blick oder ihre Erschöpfung.
Die 36-Jährige wecke unrealistische Erwartungen an alle Frauen, die aus dem Kreißsaal kämen und sich eher elend, als elegant fühlten.
"Mag sein, dass die britische Herzogin sich für einen Moment als die Superfrau ohne Schwangerschaftsfolgen darstellen kann, doch die Realitität sieht anders aus", schreibt Kerstin Lottritz im Artikel "Die inszenierte Mühelos-Geburt" für die "SZ". Und auf Twitter:
Ich kann diesen Impuls ein Stück weit verstehen. Aber ich beobachte da zwei Missverständnisse.
Die Erwartungen an ihre Person sind weltweit einzigartig, sie richten sich nach 500 Jahre alten Regeln – dem Protokoll des britischen Königshauses.
Und das besagt:
Als Mitglied der Windsor-Familie ist Kates Leben und das ihrer Kinder öffentliches Gut. Heißt: Der Thronfolger muss so schnell wie möglich präsentiert werden.
Diesem Trubel kann sie sich nicht entziehen. Was sie aber kann: Kontrolle darüber behalten, wie sie gesehen wird. Und wenn Kate dabei frisch und duftend wirken will – warum muss man dann gleich wieder beurteilen, was r i c h t i g ist und was nicht.
Damit komme ich zu...
Heilsam, zu wissen, dass Social-Media-Inszenierungen nichts mit der Realität zu tun haben und andere nach einer Geburt auch schlaffe Haut, Pickel und fettige Haare haben.
Zum-Heulen-schön zu sehen, wenn die Freundin zerzaust, erschöpft, aber zufrieden in den Laken liegt und ein Bündel Leben auf ihrem Bauch schnauft. Und wer die Möglichkeit hat, soll so lange in Tigerpuschen und Drei-Tage-Dutt sein kleines, neues Glück genießen, wie er will.
Es ist aber auch legitim, wenn Kate (und übrigens auch jede andere Frau!) sich für den Wochenbett-Besuch hübsch macht, sich damit sicherer fühlt. Es ist gemein, einer Frau vorzuwerfen, sie sei "eine Plastikpuppe, zur Zucht geboren". Wie unschwesterlich!
Ich verstehe nicht, warum das sogenannte Empowerment von einigen Frauen unweigerlich damit verbunden ist, dass eine andere schlecht gemacht wird.
Kate ist eine Frau, die ihr drittes Kind zur Welt gebracht hat und danach mit derselben Disziplin vor die Klinik getreten ist, die sie auch sonst an den Tag legt. Keine Mutter der Welt sollte sich verpflichtet fühlen, das genauso zu machen.