Es ist ein wundervoller Sommertag, ich sitze auf dem Rad, da scheint in mir etwas gegen meine Bauchdecke zu stechen. Nicht wie gewöhnliche Magenschmerzen, die man nach zu viel Pizza oder vor einem wichtigen Bewerbungsgespräch kennt. Eher, als würde einem jemand ein Messer in den unteren Bauch rammen.
Ein leichtes Ziehen, das sich innerhalb von Sekunden in ein höllisches Stechen verwandelt, dazu ein bohrender Kopfschmerz und elende Übelkeit: Das gehört mittlerweile zu meinem Alltag. Symptome, die ich aber doch einigermaßen freiwillig in Kauf nehme.
Aber starten wir dort, wo meine gemeinsame Reise mit Luna beginnt, ich nenne es ein Schmerzensstück in drei Akten. Gynäkologie-Vorhang auf, erster Akt: Der Anfang vom Ende.
Luna ist meine Kupferspirale. Ihren Namen habe ich ihr wegen der Marke gegeben, bei der ich sie vor dem Einsetzen für knapp 200 Euro käuflich erwerben durfte, zusammen mit einer großen Packung Schmerzmittel.
Vor ziemlich genau einem Jahr setzte ich nach insgesamt zehn Jahren die Pille ab. Ich wollte hormonfrei verhüten und entschied mich daher nach ewigem Grübeln für diese, laut meiner Gynäkologin, "ungewöhnliche" Methode. Erst später wurde mir bewusst, dass um mich herum eigentlich sehr viele Frauen dieses Verhütungsmittel nutzten. Geredet wird über die Spirale allerdings wenig. Und aufgeklärt noch weniger.
Überlieferungen zufolge sollen arabische Kameltreiber schon vor Jahrhunderten ähnliche Konstruktionen in den Unterleib ihrer Tiere eingesetzt haben, um während langer Reisen Schwangerschaften zu vermeiden.
Seitdem hat sich in der Humanmedizin einiges getan. Weltweit nutzten laut der Bayer AG im Jahr 2018 mehr als 168 Millionen Frauen die Spirale, im asiatischen Raum gilt sie sogar als beliebtestes Verhütungsmittel.
Auch in Deutschland nimmt die Anwendung in den vergangenen Jahren durch die Rückläufigkeit der Pille zu. Wenn man an verlässliche Informationen kommen möchte, fühlt man sich aber mitunter zurückversetzt in Kameltreiber-Zeiten.
Jahrelang googelte ich mich bis hin zur vollständigen Verunsicherung, las Erfahrungsberichte, von denen einer brutaler war als der andere. Von meiner Gynäkologin bekam ich bei jedem Besuch zu hören, dass die Spirale vor allem für junge Frauen zu schmerzhaft und ein Umstieg dumm wäre, da ich die Pille schließlich gut vertragen würde.
Mit Luna war es da schon etwas komplizierter. Ich redete mir ein, sie wie eine Mitbewohnerin betrachten zu können und nicht als einen nervigen Fremdkörper an meiner Gebärmutter.
Man mag an dieser Stelle an meiner geistigen Verfassung zweifeln. In Wahrheit aber brauchte ich am Tag des Einsetzens einfach etwas, um mir selbst Mut zuzusprechen. Denn noch am Tresen der Arztpraxis bedachte die Sprechstundenhilfe Luna und mich nur mit den Worten: "Damit werden Sie sowieso nicht glücklich."
Seit Jahren liegt medial und auch von ärztlicher Seite ein Fokus auf der Erzählung, dass die Kupferspirale für junge, kinderlose Frauen nicht geeignet wäre. Der Grund ist, dass die Gebärmutterhöhle sich mit einer Geburt meist ausdehnt. Das Einsetzen einer Spirale kann sich deshalb vorher deutlich schmerzhafter anfühlen.
Womit wir beim zweiten Akt wären: dem Schmerz meines Lebens.
Trotz einer guten Dosis Ibuprofen im Blut dachte ich beim ersten Stich der Ärztin, ich müsste sterben. Innerhalb einer Sekunde schossen mir die Tränen in die Augen, besorgt bat mir meine Ärztin den Abbruch der Aktion an.
Ich lehnte ab, eine Alternative hatte ich in diesem Moment ohnehin nicht mehr. 300 Euro hatte ich bereits in die neue Mitbewohnerin investiert. Von der Krankenkasse werden diese Kosten übrigens nur für Frauen unter 22 Jahren übernommen und dann auch nur, wenn aus gesundheitlichen Gründen keine kostengünstigere Verhütungsmethode infrage kommt. Studentinnen und Personen mit geringem Einkommen können bei ihrem Bundesland jedoch einen Antrag auf Kostenübernahme stellen.
Aber zurück zu dem Moment auf dem Gyn-Stuhl, der dem Begriff Schmerz für mich eine neue Dimension verliehen hat. Der nachträglichen Erzählung einer Bekannten, dass für sie der Schmerz ungefähr gleichwertig zu dem bei ihrer ersten Geburt war, verstand ich sofort. Die Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, manifestierte sich für mich an diesem Tag weiter.
Aber genau aus diesem Grund habe ich Luna ja auch in mein Leben gelassen. Mit einem Pearl-Index zwischen 0,3 und 1 steht sie der Pille in nichts nach. Der von Kondomen liegt wegen häufiger Anwendungsfehler zwischen zwei und zwölf – solche potenziellen "Missgeschicke" gibt es bei der Spirale kaum.
Die viel thematisierte Angst davor, dass die Kupferspirale unbemerkt verrutscht, hat wenig Substanz. Das Risiko für einen solchen Vorfall beträgt laut Mediziner:innen nur ein bis drei Prozent. Besonders hoch ist dieses lediglich – übrigens ebenso wie das für Infektionen – kurz nach dem Einsetzen und während der ersten Menstruation.
Womit wir beim dritten und vorerst letzten Akt wären: der Lebensqualität.
Ich bezweifle, dass es auf diesem Planeten eine einzige Frau gibt, die Menstruation als lebenswerten Teil ihres Lebens betrachtet. Vielleicht gibt es die ein oder andere, die es nicht komplett verflucht. Ich selbst gehörte jahrelang zu dieser Gruppe, schließlich unterdrückt die Pille fast komplett den Menstruationsschmerz, da man unter ihr nur noch (im Grunde unnötige) Ersatzblutungen hat.
Das änderte sich mit der Spirale: Alle vier bis sechs Wochen werden nun zum buchstäblichen Krampf. Die Unterleibsschmerzen sind auch mit Schmerzmitteln oft unerträglich, hinzu kommt Übelkeit und zum Teil starke Blutungen.
Ich kann nicht sagen, dass ich nicht gewarnt wurde. Anstatt für die Kupferspirale zu werben, steht oft vor allem eine ihrer Nebenwirkungen im Fokus: die besonders starke Menstruation. Zu Recht. Absolutes Highlight.
Auch abseits dieser einen Woche habe ich regelmäßig Schmerzen, (ich erinnere an das Messer in meinem Bauch vom Beginn dieses Textes). Auf meine Laune während des Eisprungs könnte zudem sowohl ich als auch mein Partner wohl verzichten.
Hinzu kamen nach Einsetzen der Spirale anfänglich noch starke Schmerzen beim Sex, auch für meinen Partner. Und da soll nochmal jemand sagen, die Pille sorge für Libidoverlust.
Irgendwann aber legte sich dieses Problem, in der Zwischenzeit rannte ich zur Klärung fünfmal zum Arzt. Kosten für jede Kontrolluntersuchung: 25 Euro, logischerweise nicht von der Krankenkasse übernommen.
Aber es gibt einen großen Vorteil der Kupferspirale gegenüber der Pille: Ich fühle mich wieder wohl in meinem Körper. Jahrelang habe ich Erzählungen über einen angeblichen "Schleier über dem eigenen Leben" belächelt, die häufig in Zusammenhang mit der Pille vorgebracht werden.
Aber seit einem Jahr habe ich plötzlich Emotionen, die ich in dieser Stärke gar nicht kannte. Diese Emotionen geben mir viel, wenn sie auch manchmal erdrückend sind.
Zusammengenommen dürften sich all meine Erfahrungen ähnlich lesen wie jene Horrorberichte, die ich vor meiner eigenen Entscheidung für Luna gesehen hatte. Bereuen tue ich es dennoch nicht.
Natürlich hätte ich auf das Einsetzen verzichten können. Und natürlich wäre ein Leben ohne Menstruationsschmerzen schöner als ein Sechser im Lotto.
Aber: Solange die Verhütungsmittel für den Mann nicht mehr als eine Schlagzeile in der "GQ" sind, bleiben in einer festen Partnerschaft kaum hormonfreie, verlässliche Alternativen. Jungen Frauen diese Variante abzusprechen, bringt niemandem etwas – außer der Pharmaindustrie.