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Praktisches Jahr in der Medizin: Ärztin redet Klartext über Bedingungen

Die Bedingungen für zukünftige Ärzt:innen sind alles andere als gut.
Die Bedingungen für zukünftige Ärzt:innen sind alles andere als gut.bild: ideogram
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Praktisches Jahr in der Medizin: Warum die Ärzte der Zukunft oft frustriert sind

Julia Saliger ist angehende Ärztin. In ihrer watson-Kolumne schreibt die 25-Jährige über ihr Leben, ihre Emotionen und ihre Erfahrungen zwischen Kittel, Klinik und Kaffeeküche.
27.05.2024, 07:36
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In ziemlich genau sechs Monaten darf ich mich Ärztin nennen. Ich bin, könnte man meinen, also fast am Ziel.

Doch das ist im Moment nur die halbe Wahrheit. Denn an manchen Tagen bin ich gerade sehr, sehr weit davon entfernt, mich als Ärztin zu fühlen. Aktuell muss ich die letzten Hürden meines Praktischen Jahrs (PJ) meistern – und "nebenher" noch ein drittes und letztes Staatsexamen.

Zwischen dem Gefühl, das "Mädchen für alles" zu sein, und mich wirklich wie eine angehende Ärztin zu fühlen, ist in meiner Welt aktuell alles vertreten.

Vor kurzem fragte mich eine Patientin, was denn eigentlich meine Aufgabe als PJlerin in der Patientenversorgung sei. Ich brauchte einen unangenehm langen Moment, um die Frage zu beantworten.

Julia Saliger macht in München ihr Praktisches Jahr. Hier findest du sie auf Tiktok.
Julia Saliger macht in München ihr Praktisches Jahr. Hier findest du sie auf Tiktok.bild: privat

Ich habe mit mehreren anderen Kolleg:innen gesprochen, ob es ihnen wie mir geht. Und es ergab sich ein Bild, das immer klarer wurde. Das haben mir mehrere Anekdoten gezeigt, die mir zugetragen wurden – hier möchte ich darüber schreiben.

Gutes oder schlechtes Team im PJ: Der Zufall entscheidet

Ob du im PJ den lieben langen Tag undankbare Hilfsarbeiten erledigst oder an ein Team gerätst, welches dich tatsächlich auf den Beginn deines Arbeitsalltags als frischgebackene Ärztin vorbereitet, ist am Ende Zufall. Und viele von uns haben Pech.

"Eigentlich sollte ich etwas lernen, sollte den Ärzt:innen in ihrem Alltag helfen. Stattdessen fühle ich mich unnütz."

Nicht selten werden Botengänge zu Umwegen oder Toilettenpausen zu Momenten, um dem despektierlichen Umgang einiger Ärzt:innen mit uns Studierenden zu entgehen. Eigentlich sollte ich etwas lernen, sollte den Ärzt:innen in ihrem Alltag helfen. Stattdessen fühle ich mich unnütz und wie ein Klotz am Bein. Stelle ich eine fachbezogene Frage, erwarten mich genervte Blicke.

Bitte versteht das nicht falsch: Wir Studierenden sind uns nicht zu schade für die weniger spannenden Aufgaben, im Gegenteil. Aber sollte es nicht dennoch ein ausgewogenes Geben und Nehmen sein?

Blutentnahmen, Botengänge und nicht-ärztliche Tätigkeiten bestimmen häufig den Alltag eines Medizinstudierenden im Praktischen Jahr. Ich finde das (manchmal) völlig in Ordnung, sofern im Gegenzug auch die entsprechende Ausbildung stattfindet und priorisiert wird. Doch genau das ist oft nicht der Fall.

Nicht selten ziehen sich die Tage bis ins Endlose. Gesichter werden motivationslos, sobald es darum geht, uns etwas beizubringen. Unsere Namen merkt man sich selten.

Wir fühlen uns wie eine Last.

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Jung und ausgebrannt: Im PJ geraten viele junge Mediziner:innen an ihre Grenzen.Bild: getty images / iStockphoto / Boris Jovanovic

Praktisches Jahr in der Medizin: Frustration ohne Ende

Dabei sollte uns dieses Jahr, das letzte Jahr unter ständiger Aufsicht, darauf vorbereiten, gute Ärzt:innen zu werden. Statt zu arbeiten und zu lernen, wird oft unsere Frustrationstoleranzgrenze getestet. Das haben die letzten sechs Jahre bereits zur Genüge getan.

"Meine Hilfe wird als selbstverständlich angesehen. Sollte es die Gegenleistung dann nicht auch sein?"

Immerhin habe ich zumindest gelernt, für mich selbst einzustehen. Dinge einzufordern, die ich verdient habe. Und Sachen abzulehnen, die den Rahmen sprengen würden. Darüber bin ich froh.

Nichtsdestotrotz fühlt es sich nicht gut an, Lehre und respektvollen Umgang regelmäßig einfordern zu müssen. Meine Hilfe wird als selbstverständlich angesehen. Sollte es die entsprechende Gegenleistung dann nicht auch sein? Schließlich sind wir angehende Kolleg:innen und haben jahrelang auf den Moment hingearbeitet, endlich unser Wissen praktisch anwenden zu dürfen.

Stattdessen werden wir regelmäßig zu Schreibtischarbeit verdonnert, während auf Station oder im OP die spannenden Dinge passieren. Ohne uns.

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Statt Wertschätzung zu empfinden, fühlen wir uns ausgenutzt und dem System wieder einmal ausgeliefert, noch bevor wir final im Beruf angekommen sind. Einem System, welches seit Jahren reformiert oder gar revolutioniert gehört, gegen welches jährlich demonstriert wird. Wir arbeiten zwölf Monate für einen lächerlichen Stundenlohn und müssen uns vor unserem Umfeld dafür rechtfertigen, wenn wir unseren Unmut äußern.

Der Vorwurf ist immer gleich und öde: Später gehören wir schließlich zu den Top-Verdienern. Frei nach dem Motto: "Dann stell dich jetzt doch nicht so an."

Dass ein späteres Spitzengehalt unsere Situation nicht rechtfertigt, gerät schnell in Vergessenheit.

Ich würde mir wünschen, das gesellschaftliche Totschweigen der Arbeitsbelastung von Ärzt:innen und Medizinstudierenden hätte ein Ende. Denn auch wenn wir unseren Beruf wissentlich ausgesucht haben, sollten wir nicht aufhören, uns für humane Arbeitsbedingungen starkzumachen. Jedoch funktioniert das nicht, ohne den Rückhalt unserer Gesellschaft. Auch mit Spitzengehältern verdienen wir ein Leben neben unserem Beruf.

Nicht wenige von uns, mich selbst eingeschlossen, können sich aktuell nicht vorstellen, nach Ende des Praktischen Jahres zeitnah ins Arbeitsleben zu starten. Wir brauchen eine Auszeit vom System, dem wir angehören, um nicht total ausgebrannt zu sein.

Will unsere Gesellschaft wirklich so die Ärzt:innen von morgen ins Berufsleben schicken?

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