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"House of Love & Lustery" hat mehr Anstand als "Temptation Island"

House of Love & Lustery Season 2 - Credits_ Joe Curtin
So sieht der Cast von "House of Love & Lustery" in Season 2 aus. Bild: House of Love & Lustery / Joe Curtin
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Warum die Porno-Version von "Love Island" anständiger ist als das Vorbild

Wie toxisch Datingshows im Reality-TV sind, ist bekannt. Kann man das besser machen? "Ja", sagt ausgerechnet eine Porno-Regisseurin. Für watson schaute ich mir ihre spicy Version an – und staunte.
22.11.2025, 08:1622.11.2025, 08:16

"Love Island", "Temptation Island", "Too Hot Too Handle" – inzwischen gibt es eine ganze Reihe Reality-Shows, die sich auf ein Konzept geeinigt zu haben scheinen: Ein Haufen geiler, eitler Menschen bezieht eine Villa, und dort nimmt das Drama – angeheizt durch Challenges und Verlockungen – seinen Lauf.

Es wird intrigiert, geheult und verführt, manchmal auch unter der Nachtsichtkamera gepimpert. Alles auf der Suche nach Fame Liebe, selbstredend. Es war nur eine Frage der Zeit, bevor die Porno-Industrie erkannte: Dieses Konzept ist Gold.

Genau das hat Paulita Pappel getan und mit "House of Love & Lustery" eine FSK18-Version ebendieser Dating-Formate geschaffen. Ihre Variante verspricht ebenfalls Sonne und Drama, aber auch unverpixelten Sex.

Paulita Pappel amüsiert mit einer spicy Variante für Erwachsene

In der Porno-Show, die jetzt in die zweite Staffel geht, verbringen vier (echte!) Liebespaare fünf Tage zusammen in einer Villa auf Mallorca. In sexy Challenges treten sie gegeneinander an, um sich ein goldenes Ticket für die Gruppen-Orgie im Staffelfinale zu sichern. Natürlich kommt zwischendrin auch ein Störfaktor ins Haus: Wild Card Sativa.

Der Trailer zur zweiten Staffel.Video: YouTube/lusteryPOV

Die Nähe zu den Reality-Shows ist Absicht. Das Ganze ist mit einem satirischen Augenzwinkern zu verstehen, wie Lustery-Gründerin Paulita Pappel erklärt: "Die meisten Reality-Shows verkaufen Sex, sie zeigen ihn nur nicht. Wir gehen den ganzen Weg: Wir zeigen Sex."

Die Porno-Paare treiben es sowohl innerhalb ihrer Beziehung, als auch miteinander. Es ereignen sich ulkige Dramen (wie das Rätsel um einen gestohlenen Anal-Plug, Season Eins), spicy Spiele und die obligatorisch langmütige Stimme aus dem Off begleitet das Spektakel.

"Kein Bodyshaming oder Verrat, dafür Selbstironie und Wohlwollen. Es schockiert zu sehen, wie anständig eine unanständige Reality-Show sein kann."

Erotik-Version setzt auf Humor, Konsens und Wolllust

Das Verrückte? Obwohl es hier jede Menge nackte Haut zu sehen gibt, Flüssigkeiten und Gestöhne, führt die Porno-Show klassische Dating-Serien in Sachen Moral geradezu vor. Kein Bodyshaming oder Verrat, dafür Selbstironie und Wohlwollen. Es schockiert zu sehen, wie anständig eine unanständige Reality-Show sein kann.

Dass dieser Kunstgriff gelang, liegt an Paulita Pappel, die bekannt ist für Erotik, die konsensuell, feministisch und fair produziert wird. Sie ist Kritikerin üblicher Datingshows. In Reality-TV-Produktionen gäbe es "leider oft Strukturen, die Menschen ausnutzen, statt sie zu schützen", sagt sie. "Dabei kann man großartige Unterhaltung machen, ohne auf Kosten der Beteiligten zu gehen."

Nun muss man sagen, dass auch die Mainstream-Porno-Industrie sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, wenn es um diverse, gleichberechtigte und konsensuelle Darstellungen von Sexualität geht – ganz im Gegenteil. Umso ambitionierter also, im "House of Love & Lustery" gleich zwei tendenziell problematische Genres zusammenzuwerfen, um etwas "Geiles" daraus zu schaffen.

Wie das aussieht, zeigt Paulita als Moderatorin in der Villa. Es wird gekichert und geknutscht, sich auch mal künstlich aufgeregt, aber der Vibe bleibt zugewandt. Alle finden einander heiß, sexuelle Grenzen werden respektiert. Das ist witzig und durchaus erregend.

Reality-TV zeigt toxische Beziehungen und Bodyshaming

Wie anstößig fühlt es sich im Vergleich an, den problematischen Teilnehmer:innen und Dynamiken auf "Love Island" und "Temptation Island" zuzuschauen. Gaslighting, Slut- und Bodyshaming sind die ungenießbaren Grundzutaten dieses Unterhaltungs-Rezepts. Kandidat:innen bewerten Küsse auf nummerierten Skalen, gaukeln Gefühle vor und beschimpfen sich dann in – von der Dramaturgie befeuerten – Showdowns und Zeremonien.

Die letzte katastrophale Szene, die Gegenwind hervorrief (allerdings in Social-Media-Debatten, nicht vom Sender selbst), zeigte "Temptation Island VIP"-Teilnehmer Aleks, der vor laufender Kamera erklärte, wie er seine Freundin am Verlobungstag mit Schuldgefühlen zum Sex nötigte, im vollen Bewusstsein, dass sie danach aus "schlechtem Gewissen" mitmachte.

Selbst wenn wir davon ausgehen, dass Reality-TV nur eine überspitzte Version unserer "Reality" ist, ist das extrem erschütternd.

Studien zeigen, dass wir uns an Schönheitsideale gewöhnen, wenn wir sie nur oft genug sehen – das gilt für schlanke, muskulöse Körper, aber auch gefillerte Lippen und Vokuhilas – und damit Essstörungen und Körperbildstörungen befeuern. Warum sollte das nur für Äußerlichkeiten gelten?

Ich bin überzeugt: Menschlich unterirdisches Verhalten immer wieder anzusehen, normalisiert die dargestellte Dummheit, Verantwortungslosigkeit und Häme. Wenn das im Rahmen von Liebe und Sex passiert, ist das umso problematischer, denn genau dort sollten wir vertrauen dürfen und ernst genommen werden. Stattdessen werden Gefühle verletzt, Grenzen missachtet und toxische Beziehungsmuster gefestigt.

Toxisches Dating-Verhalten darf nicht normalisiert werden

Das kritisiert auch der britische Frauenhilfsverband "Woman's Aid", der die Misogynie in Love Island (UK) anprangert. Männliche Teilnehmer würden Vertrauen missbrauchen und Grenzen ignorieren, während sie sich untereinander für dieses bodenlose Benehmen feierten.

Wenn dieses "toxische Verhalten auf der Leinwand" nicht verdammt würde, sende das der Gesellschaft die Message, dass emotionaler Missbrauch durch Männer "einfach nur Teil des Datings ist, oder schlimmer, Frauen das zu erwarten oder sogar zu akzeptieren hätten."

Wie absurd wohltuend es da ist, in der Porno-Variante zu sehen, wie Männer einander liebevoll berühren, Paare vor sexuellen Praktiken um Konsens fragen und Frauen sich hypen, nicht haten. Nur mal zur Erinnerung: Auch so kann Liebesleben aussehen, selbst das übersexte.

Aber was ist bei uns los, wenn Pornodarsteller:innen bessere Manieren und ein ethisch korrekteres Sexualbild transportieren als die "Jedermanns" aus dem Trash-TV?

"Es ist eine Frage der Absicht", ist Pappel überzeugt. "Man kann Drama inszenieren, ohne Menschen auszubeuten." So wirken ihre Darsteller:innen zum Beispiel am Skript mit, haben ihre Rolle ein Stück weit in der Hand:

"Wir bringen niemanden an Grenzen. Wir schaffen Räume, in denen sich Menschen sicher fühlen und Lust haben, sich zu zeigen."

Selbstdarsteller:innen aus hunderten Kameraperspektiven beim Niveauverlust zuzusehen, stimuliert unsere Schadenfreude, doch leider spiegelt es auch wider, was viele Singles beim Daten im echten Leben so ermüdet: die Bewertung ihrer Körper, das "sich-alle-Türen-offenhalten" und respektlose Wendehälse.

Warum sollten wir uns dieses dreckige Verhalten auch noch freiwillig in der Freizeit geben? Dann doch lieber ein bisschen dirty talk beim friedlichen Gruppenbums auf Deutschlands liebster Ferieninsel anschauen.

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