Als ich vor einigen Monaten zu Hause ankam und der Garten einmal fast komplett umgegraben war, hatte ich Tränen in den Augen. Mein geliebter Spießer-Rasen war am Arsch! Der Traktor des Nachbarn hatte ein fettes U in die Wiese gefräst. Der Anblick ließ mich schaudern.
Natürlich war das mit dem Nachbarn abgesprochen, nur hatte ich keine Vorstellung, wie das hinterher aussehen würde. All die Stunden, die ich stumpf auf dem Aufsitzrasenmäher verbracht hatte, waren dahin. Ich konnte also ab sofort nicht mehr einfach nur meine Bahnen ziehen.
Ganz bald schon würde hier eine Wildblumenwiese sein, um die ich drumrum fahren müsste. In dem Moment half es mir auch nicht, dass das alles am Ende bestimmt ganz schön werden würde und dass wir einen großen Beitrag zu mehr Biodiversität leisten.
Um ehrlich zu sein: Mich stresste das neue Bild. Über Jahre hinweg hatte ich mich an den Anblick gewöhnt, dass ich vom Fenster meines Arbeitsplatzes nur Wiese sah. Das beruhigte mich.
Doch nun wuchs dort immer mehr. Tausende Blumen, Kräuter, was weiß ich.
Bunt, wild. Plötzlich krabbelte es im Garten.
Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viele Schmetterlinge und Grashüpfer auf einmal gesehen. Ganze Igel-Armeen hatten richtig Spaß, denn endlich gab es ausreichend Futter. Der Honig der Nachbarin schmeckte ganz anders, ich könnte endlos mit der Liste an Naturwundern weitermachen. Innerhalb von ganz kurzer Zeit wurde für mich Natur ganz anders erlebbar.
Zu sehen, wie schnell dort Leben entstand, berührte mich. Durch ein paar Blumen gab es neuen Lebensraum und wir hatten dafür gesorgt. Ein kleines Stück Biodiversität, die wir der Natur gaben, führte zu einer enormen Veränderung. Nicht nur im Garten, auch in mir.
Für mich war das, was dann passierte, kaum zu erklären. Zunächst jedenfalls. Je öfter ich mir dieses kleine Stück wilde Natur ansah, es genoss, desto ausgeglichener wurde ich. Ein Effekt, der bei mir sonst beim Sport entsteht, meist beim Laufen. Ich spüre ein Glücksgefühl.
Je mehr ich mich auf diese kleinen Wunder der Natur einlassen konnte, und ich gebe zu, dass das ein Lernprozess war, desto mehr war ich bei mir.
Natürlich ist das alles logisch, aber erst, wenn man es macht, wenn man etwas schafft, das Ergebnis erleben darf, kann man es fühlen und richtig verstehen.
Mich beschäftigte dieses neue Geschenk nachhaltig. Und deshalb unterhielt ich mich mit befreundeten Coaches und Psycholog:innen darüber. Durch die Gespräche stellte ich fest, dass ich eine Menge Menschen kannte, die stets getrieben von ihren Jobs waren. Teilweise standen sie sogar in der Öffentlichkeit und führten plötzlich ein ganz neues Leben: Sie interessierten sich mehr für die Natur. Es gibt ihnen Ruhe, mehr Gelassenheit, inneren Frieden. Die Moderatorin Judith Rakers schreibt Bücher über Homefarming.
Inzwischen mag ich sogar den Ex-Fußballstar David Beckham. Regelmäßig postet er Neuigkeiten aus seinem riesengroßen Garten. Er spricht nicht mehr über Fußball, seinen Lifestyle und die neue Frisur. Inzwischen dreht sich alles um Kohl, Kartoffeln, Gartenbau und Biodiversität. Ihm ist deutlich anzusehen, dass er endlich seinen Frieden gefunden hat.
Er verbringt seine Freizeit nicht mehr so sehr auf den roten Teppichen, sondern buddelt in der Erde. Okay, natürlich immer in den geilsten Klamotten und immer gut in Szene gesetzt. Aber der neue Frieden bedeutet ja nicht, dass man ein anderer Mensch wird.
Als ich noch in der Stadt lebte und selbst bis vor kurzer Zeit beim Leben auf dem Land, stresste mich das Laub, das überall rumlag. Ich ertappte mich dabei, dass ich einen unfassbar großen Laubbläser kaufte, für den mich – völlig zu Recht – die gesamte Nachbarschaft auslachte.
Vergleiche zum Film Ghostbusters wurden gezogen, mit diesem Bläser auf dem Rücken sah ich für sie aus wie ein Geisterjäger. Ich jagte den Blättern hinterher, bis sie endlich alle aus meinem Sichtfeld verschwunden waren.
Heute liebe ich die vielen Blätter, das bunte Treiben und beobachte die Tiere, die sich in den Blätterhaufen verstecken. Auch dort entsteht neues Leben. Was für mich und sicher viele Menschen neu ist, hat die Wissenschaft längst bestätigt: Wer in der Natur lebt, wer Biodiversität schafft oder erlebt, führt definitiv ein gesünderes Leben, sagt die Statistik.
Auch in Städten muss umgedacht werden, sagen die Wissenschaftler:innen. Wir brauchen in den Betonwüsten mehr Raum für Natur, sonst werden wir krank.
Stadtmenschen sind es oft schon und natürlich ist nicht alles auf zu wenig Bäume und Blumen zurückzuführen, unserer Seele tut jedoch jedes Stück Natur gut. Kümmern wir uns doch drum.