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Wohnungssuche in Berlin: ein Mal durch die Hölle und zurück

Wohnungen Berlin, 01.03.2023 - Blick am Abend auf Hochhaeuser und Mehrfamilienwohnhaeuser im Berliner Stadtteil Marzahn-Hellersdorf. Berlin Berlin Deutschland *** Apartments Berlin, 01 03 2023 view in ...
In vielen deutschen Großstädten ist es schwer, eine Wohnung zu finden und in Berlin ganz besonders.Bild: IMAGO/Jochen Eckel / imago images
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Wohnungssuche in Berlin: ein Mal durch die Hölle und zurück

06.03.2023, 15:38
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Die Wohnungsnot in Deutschland ist real. Laut dem Deutschen Mieterbund ist sie aktuell so groß wie seit 30 Jahren nicht mehr. Und ich bin mittendrin. Zum 31. März muss ich raus aus meiner Wohnung, der Vermieter hat Eigenbedarf angemeldet. Mir bleibt also nur wenig Zeit, um auf dem überhitzten Wohnungsmarkt in Berlin eine Bleibe zu finden.

Ich mache also das, was fast jede:r Wohnungssuchende:r in Berlin und anderswo früher oder später tut: Wider Willen lade ich mir Immoscout24 herunter. Die App ist der größte digitale Wohnungsmarkt der Stadt. Hier stellen Wohnungsgesellschaften wie Deutsche Wohnen oder Degewo, aber auch Privatpersonen ihre Anzeigen online.

Klingt super, doch aus früheren leidvollen Erfahrungen weiß ich: über Immoscout eine Wohnung suchen, kann eine üble Qual sein.

Wohnungssuche in Berlin: Endgegner Immoscout

Das liegt weniger an der App als an der kranken Konkurrenzsituation. Denn innerhalb von wenigen Stunden bewerben sich zum Teil Tausende (!) Menschen auf eine Wohnung. Als Plus-Abonnent kann ich sehen, wie viele Anfragen die jeweilige Anzeige erhalten hat. Eine Funktion, die ein Premium-Feature sein soll – sich in Wahrheit aber wie ein Mittelfinger anfühlt.

Eine kuratierte Auswahl an besonders deprimierenden Immoscout-Insights.
Eine kuratierte Auswahl an besonders deprimierenden Immoscout-Insights. bild: screenshots immscout 24

Erschwerend kommt hinzu, dass viele der Anzeigen nach fünf Minuten schon wieder offline gehen. Wer will es den Inserierenden auch verübeln? Schließlich haben sie dann ja schon locker fünfzig Anfragen, die es erst einmal abzuarbeiten gilt. Und irgendjemand davon wird die Wohnung schon nehmen.

Für mich bedeutet all das, in permanenter Alarmbereitschaft sein zu müssen. Wer nicht sofort reagiert, sobald Inserate online gehen, steht entweder ganz hinten in der Schlange oder verpasst die Anzeige gänzlich.

Apropos Anfragenflut: Auf einer Besichtigung in Friedrichshain offenbarte der Vermieter kürzlich, dass er, wenige Minuten nachdem sein Inserat online gegangen war, schon 500 automatisierte Anfragen im Postfach hatte. Auch wenn unklar ist, ob das wirklich so abläuft: Es sind Aussagen wie diese, die einem in schlechten Momenten die ganze Zuversicht rauben können.

Altbau, Viktoria-Luise-Platz, Schöneberg, Berlin, Deutschland *** Old building, Viktoria Luise Platz, Schöneberg, Berlin, Germany
Von innen werde ich diese Berliner Wohnungen wohl nicht sehen. Bild: IMAGO/Schöning

Ach ja und das mit den Connections ist auch nichts, auf das man sich verlassen kann. In meinem Fall kannte niemand jemand, der jemanden kannte – und ich habe wirklich vielen Menschen mein Leid geklagt.

Meine Bilanz nach über einem Monat Wohnungssuche ist frustrierend: 165 Anfragen habe ich verschickt, zu neun (Massen-)Besichtigungen wurde ich eingeladen, null Zusagen habe ich bekommen.

Die Ansprüche sinken, je näher die Deadline kommt

Dabei sind meine Ansprüche nicht mal sonderlich hoch: maximal 800 Euro Warmmiete, mehr als 30 Quadratmeter Wohnfläche, kein Plattenbau. Ich beharre weder auf eine Einbauküche noch auf ein Kellerabteil und auch "zwei Zimmer aufwärts" ist kein Muss. Meine ursprüngliche Wunschvorstellung vom Berliner Altbau mit Holzdielen und hohen Decken habe ich längst ad acta gelegt.

"Weil ich die sprichwörtliche Pistole auf der Brust habe, war ich bereit, für eine schöne Wohnung über einstündige Arbeitswege auf mich zu nehmen."

Je näher die Deadline Ende März rückt, desto größer wird mein Suchradius. Während ich anfangs nur innerhalb des Rings gesucht habe – also in den zentrumsnahen Bezirken, die von der Berliner Ringbahn angefahren werden – habe ich mich kürzlich auch in Französisch-Buchholz und in Grünau beworben. Weil ich die sprichwörtliche Pistole auf der Brust habe, bin ich bereit, für eine schöne Wohnung über einstündige Arbeitswege auf mich zu nehmen.

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Dass es in Deutschland und vor allem in vielen Großstädten an Wohnraum mangelt, ist seit Jahren bekannt. Die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat es sich darum auf die Fahnen geschrieben, das Problem endlich anzugehen – und hat dafür sogar ein neues Amt geschaffen: das der Bundesbauministerin.

Regierung verfehlt die Bauziele

400.000 neue Wohnungen will die Ampel pro Jahr bauen lassen, heißt es im Koalitionsvertrag. 2022 wurde dieses Ziel verfehlt – und auch 2023 wird es nicht erreicht werden. Das hat Bauministerin Klara Geywitz (SPD) schon Ende Januar eingeräumt.

Pressetermin am Sonnabend 14.05.2022 in der Hanse- und Universit�tsstadt Rostock zur Er�ffnungsveranstaltung f�r den bundesweiten Tag der St�dtebauf�rderung. Bei dem Termin wurde im Verlauf des Tages  ...
Auch Bauministerin Klara Geywitz ist über die geplatzten Baupläne der Regierung sicher nicht glücklich.Bild: IMAGO/BildFunkMV

Zurück zu meiner eigenen verfahrenen Mission: In zunehmender Verzweiflung ziehe ich die Karte "Makler:innenbüro". Ich verpflichte mich damit, bei erfolgreicher Vermittlung eine Provision von ein bis zwei Nettokaltmieten plus Mehrwertsteuer zu zahlen. Dafür erhalte ich Zugriff auf Inserate, bevor sie bei Immoscout und Co. online gehen.

Man zahlt also Geld, um den Kreis der Bewerber:innen künstlich kleinzuhalten. Das ist sehr elitär und für viele Menschen sicher keine Option. In meiner aktuellen Situation erscheint es mir aber alternativlos.

Doch auch hier ist die Konkurrenz groß. Natürlich, wie soll es in Berlin auch anders sein. Statt 50 Personen kommen jetzt eben "nur" zehn zur Besichtigung – und wer weiß, wie vielen der oder die Vermittler:in die Wohnung zuvor schon gezeigt hat.

Experte zeichnet düsteres Bild zur Wohnungslage in Großstädten

Selbst wenn die Regierung die versprochenen Wohnungen bauen würde – was sie nicht tut – wird das im Falle von Berlin nicht reichen, prognostiziert Immobilienanalyst Thomas Beyerle. Im Interview mit dem "Tagesspiegel" warnt er, dass sich die Wohnungsnot in der Hauptstadt künftig noch verschärfen dürfte, weil eine weitere Generation auf den Berliner Wohnungsmarkt drängt: die der Babyboomer.

Der Immobilienanalyst sagt voraus, dass ein wachsender Teil dieser Altersgruppe ihre Häuser auf dem Land gegen Wohnungen in der Stadt tauschen wird. Immer mehr Boomer würden nämlich im Ruhestand die Vorzüge des urbanen Lebens mit dem großen kulturellen Angebot und der guten medizinischen Versorgung genießen wollen, erklärt Thomas Beyerle.

Angesichts von knappem Angebot und wachsender Nachfrage ist also davon auszugehen, dass sich die Wohnungskrise in Berlin noch weiter verschärfen wird.

14.04.2022, Berlin, GER - Menschen mit FFP2-Masken auf einem Bahnsteig der U-Bahnlinie 5 im Bahnhof Alexanderplatz. Alexanderplatz, Alltag, aussteigen, Bahn, Bahnhof, Bahnsteig, befoerdern, Befoerderu ...
Die Vorzüge der Großstadt sind auch für ältere Generationen zunehmend attraktiv.Bild: IMAGO/Frank Sorge

Meine Suche findet ein Happy End

Nach rund zwei Monaten aufreibender Wohnungssuche, über 250 Mietanfragen, 15 Besichtigungen und vielen unruhigen Stunden ist meine persönliche Odyssee letztlich aber zu einem glücklichen Ende gekommen. Ich habe eine schöne, bezahlbare und zentrale Wohnung gefunden und freue mich jetzt aufs Umziehen und Einrichten.

Wie ich das geschafft habe? Nicht durch Makler:innen, Connections oder sonstige Abkürzungen, sondern durch Hartnäckigkeit und eine gehörige Portion Glück. Meine künftige Wohnung war nämlich eines dieser flüchtigen Exemplare, die nur fünf Minuten online sind und dann wieder verschwinden. Entsprechend klein war der Bewerber:innenkreis.

Schlussendlich war ich also bloß zum richtigen Zeitpunkt am Handy und habe dann schnell reagiert. Manchmal meint es das Leben eben doch gut mit einem.

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Krank im Urlaub – das ist für viele die absolute Horrorvorstellung. Durch den mitunter heftigen Temperaturumschwung, das scharfe Essen oder auch waghalsige Sportaktivitäten vor Ort drohen bei Auslandsreisen gleich mehrere Gesundheitsrisiken.

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