Leben
Nah dran

Coming Out: Trans Menschen berichten von positiven Erfahrungen

12.04.2024, Berlin: Amity steht bei einer Protestveranstaltung gegen das Selbstbestimmungsgesetz von Frauengruppen mit einem F
Protest vor dem Bundestag: Anfang 2024 war das Selbstbestimmungsgesetz noch nicht beschlossen.Bild: dpa / Jörg Carstensen
Nah dran

Queer Joy: Junge trans* Menschen berichten von positiven Erlebnissen

01.03.2025, 09:07
Mehr «Leben»

Trans* Menschen sind in den vergangenen Jahren immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Einerseits sind sie in Deutschland wohl sichtbarer als je zuvor und haben mit dem Selbstbestimmungsgesetz enorme Fortschritte für ihre Community erkämpft.

Andererseits erleben sie weiterhin Anfeindungen und Gewalt: Betroffene berichten mitunter von Mobbing in der Schule, Ablehnung durch die Familie, von verbaler oder sogar körperlicher Gewalt. Die deutschen Behörden haben 2023 über 1700 Fälle von Hasskriminalität gegen queere Menschen gezählt, ein Anstieg um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher ausfallen.

Diskriminierung ist für die trans* Community also nach wie vor ein ernstzunehmendes Problem. In der medialen Berichterstattung fällt aber oftmals unter den Tisch, dass trans* Personen natürlich auch positive Dinge erleben. Manche sprechen dann von Queer Joy, also einem Glücksgefühl, das man als queere Person trotz teils feindseligem Umfeld verspürt.

Watson hat mit drei trans* Menschen gesprochen, die von ihren persönlichen Glücksmomenten berichten. Alle drei haben ihre Erfahrungen zuvor schon in dem Buch "Wir sind wir – Junge trans* Menschen berichten" von Kobai Halstenberg (Fischer Sauerländer Verlag) geteilt.

Coley (they/them), 19 Jahre

Ich habe schon mit 13 oder 14 Jahren erkannt, dass ich mich weder als rein männlich noch rein weiblich, sondern als nicht-binär identifiziere. Als ich meiner Mutter dann gesagt habe, dass ich gerne Hormonblocker (Anm. d. R.: Medikamente, die beispielsweise die Wirkung der Sexualhormone Testosteron oder Östrogen unterdrücken) nehmen würde, hat sie das erstmal abgelehnt.

Im Nachhinein denke ich, dass ich sie mit meinem Coming-out und dem Thema trans* einfach überrumpelt habe. In dem Moment war es für mich natürlich trotzdem nicht einfach, weil ich mich nicht verstanden gefühlt habe. In dieser Zeit habe ich aber auch angefangen ein Jugendzentrum zu besuchen, wo ich letztlich meinen besten Freund kennengelernt habe. Über ihn bin ich dann zu einer queeren Jugendgruppe gestoßen und dort habe ich mich sehr aufgehoben gefühlt, weil alle die Freiheit haben zu sein, wer sie sind, und niemand sich umständlich erklären muss.

Kürzlich hat beispielsweise eine Person aus der Gruppe gesagt, dass sie gerne einen neuen Namen für sich ausprobieren würde. Am Arbeitsplatz oder zu Hause bei der Familie hätte die Person vielleicht ein paar dumme Kommentare zu hören bekommen, in der Jugendgruppe war das aber für niemand ein Problem. Es heißt ja immer wieder "Familie kann man sich nicht aussuchen", aber als queere Menschen können wir das auf jeden Fall. In einer Queer Family steckt einfach kein Zwang dahinter, dass man jetzt beispielsweise an Weihnachten zusammensitzen muss, obwohl man sich vielleicht gar nicht leiden kann.

Da sind wir einfach freier und trotzdem immer füreinander da; die jüngeren Queers in meiner Jugendgruppe sehe ich wie kleine Geschwister an, denen ich auch mal mit einem Ratschlag helfen kann, wenn sie zu Hause vielleicht keinen Support bekommen. Trotzdem ersetzt meine Queer Family nicht meine "Blutsfamilie". Zu meinen Eltern habe ich mittlerweile echt ein entspanntes Verhältnis, sie haben mich einmal sogar zu einer Dorf-Pride begleitet. So gesehen habe ich also das Glück, dass mir gleich zwei Familien den Rücken stärken.

Judah (er/ihm oder they/them), 20 Jahre

Meine Eltern haben auf mein Coming-out zuerst nicht so positiv reagiert. Damals habe ich versucht, ihnen alles in einem digitalen Brief zu erklären. Den habe ich morgens abgeschickt und tagsüber bin ich die ganze Zeit mit dem Zug hin- und hergefahren, weil nicht wusste, was sich sonst tun soll. Als mich mein Vater dann abends vom Bahnhof abgeholt hat, hat er mich erstmal mit meinem Deadname (Anm. d. R.: der alte Geburtsname, den die trans* Person abgelegt hat) begrüßt.

Später im Gespräch mit meiner Mutter sind wir auf keinen gemeinsamen Nenner gekommen; sie konnten beide einfach nicht nachvollziehen, was in mir vorgeht und wollten auch meinen neuen Namen nicht akzeptieren.

Judah hat nach dem Coming-out Rückhalt in der Schule gefunden.
Judah hat nach dem Coming-out Rückhalt in der Schule gefunden.Bild: foto: privat

Deshalb war es für mich unglaublich wichtig, in der Schule Rückhalt zu finden. Dort haben wir auf Initiative einer Lehrerin eine queere AG gegründet. Ich hatte davor keinen queeren Freundeskreis und habe mich an der Schule mit meinen Problemen doch ziemlich allein gefühlt. Dann in Kontakt mit anderen queeren Menschen in der gleichen Situation zu kommen und auf so vielen Ebenen gesehen zu werden hat mir gezeigt, dass ich eigentlich gar nicht so allein bin. Und es hat auch einfach gut getan, sich ein bisschen organisieren zu können und sich der Queerfeindlichkeit in unserer Schule entgegenzustellen.

Kraft habe ich auf jeden Fall auch in meinem christlichen Glauben gefunden. Wenn Menschen mich kennenlernen, sind sie häufig davon überrascht, dass ich gläubig bin. Für mich hat mein Glaube aber weniger mit religiösen Institutionen zu tun als damit, dass ich daran glaube, dass es etwas gibt, das größer ist als wir und dass dort ganz viel Liebe liegt. Ich kann mir keinen Gott vorstellen, der wollen würde, dass wir uns verstellen, nur um alten Normen zu folgen.

Und klar, es gibt Menschen, die nicht wollen, dass ich mich christlich nenne – oder überhaupt so existiere wie ich bin – Menschen, die mich das auch schon haben spüren lassen. Aber ich glaube, in allem was wir sind und werden, sind wir bei Gott. Und deswegen bin ich so wie ich bin und fühle mich jeden Tag etwas näher bei Gott.

Amity (sie/ihr), 23 Jahre

Ein Glücksmoment war für mich auf jeden Fall das Coming-out bei meiner Mutter. Ich habe erst vor vier oder fünf Jahren realisiert, dass ich eine trans* Frau bin. Davor dachte ich eigentlich, dass "schwul" das passende Label für mich ist. So habe ich mich auch das erste Mal vor meinen Eltern geoutet. Und obwohl die beiden darauf positiv reagiert haben, hatte ich echt Bammel, ihnen zu erklären, dass ich eigentlich trans* bin.

Nach einem Familienurlaub habe ich dann aber all meinen Mut gefasst und mich mit meiner Mama auf die Hollywood-Schaukel im Garten gesetzt. Das war so ein "Ich muss mal mit dir reden"-Gespräch. Da ist mein Puls natürlich in die Höhe geschossen und ich habe erst mal um den heißen Brei geredet.

"Nach meinem Coming-out fühlt es sich einfach so an, als hätte ich Ohrenschützer abgenommen."

Aber irgendwann hat sie mich einfach unterbrochen und ganz offen gefragt: "Möchtest du ein Mädchen sein?". Und dann bin ich direkt in Tränen ausgebrochen; in dem Moment habe ich mich so krass erleichtert gefühlt. Irgendwie wusste ich vorher schon, dass sie das akzeptieren wird, aber 100-prozentig sicher kann man sich ja nie sein. Am Ende hat auch mein Vater positiv reagiert.

Dank der Unterstützung meiner Eltern konnte ich dann auch ziemlich schnell meine Transition beginnen. Und schon ein paar Monate, nachdem ich mit der Hormontherapie begonnen hatte, hat sich so viel in meinem Leben verändert. Vor meinem Coming-out habe ich meine Gefühle massiv unterdrückt und konnte nichts rauslassen. Ich hatte immer diese stereotypen Rollenbilder im Kopf, dass ein Mann stark sein muss und nicht weinen darf. Das klingt vielleicht paradox, aber jetzt freue ich mich jedes Mal, wenn ich weinen kann.

Nach meinem Coming-out fühlt es sich einfach so an, als hätte ich Ohrenschützer abgenommen und könnte jetzt alle Geräusche hören; meine Gefühle sind viel reiner und intensiver als vorher. Darüber bin ich sehr glücklich.

Und was sich natürlich auch toll anfühlt: Ich werde endlich als Frau gelesen. Ich erinnere mich, wie ich einmal in der Bahn saß und mich ein älterer Mann angeflirtet hat. Das war eigentlich ein seltsamer Moment, aber es hat sich auch euphorisch angefühlt, im Alltag von anderen Menschen als Frau wahrgenommen zu werden – also so, wie ich mich eigentlich schon lange fühle.

Warum Matcha besser ist als Kaffee (und wie du ihn richtig trinkst)

Schmeckt nach Wiese und Sonnenschein? Was für viele zum morgendlichen Ritual gehört, schreckt andere ganz schnell ab: Matcha, ein grasig schmeckender Grüntee aus Japan, der als Pulver erhältlich ist.

Zur Story