Es gibt Menschen, die würden sich das Dschungelcamp niemals ansehen. Zu diesen Menschen gehöre ich nicht. Ich schaue die RTL-Show seit Jahren. Vor allem, aber nicht nur beruflich.
Das Dschungelcamp ist ein Phänomen. Ein TV-Ereignis, das auch nach mehr als 20 Jahren im Januar 2024 noch bei stabilen 3,47 Millionen Zuschauer:innen lag.
Aber es gab und gibt immer wieder Momente, die zeigen, dass das Dschungelcamp sexistischer ist, als es sein dürfte.
Es läuft im deutschen TV natürlich vieles, über das man sich aufregen kann. Stefan Raab zum Beispiel, über den ich bereits hier eine Kolumne geschrieben habe.
Wie ungerecht das Geschlechterverhältnis im deutschen TV insgesamt ist (33 Prozent Frauen, 67 Prozent Männer), ist auch keine Neuigkeit mehr. Das Dschungelcamp ist also nur eines von vielen Beispielen. Aus aktuellem Anlass lohnt sich direkt nach dem Start der neuen Staffel dennoch ein feministischer Blick darauf.
Hier eine subjektive Auswahl an Momenten, die mich wirklich wütend machen.
Slutshaming par excellence. Im Live-TV. Zu einer Top-Sendezeit. Nach dem Motto: Wenn der Mann sich unangemessen verhält, ist auf jeden Fall die Frau schuld.
Tröstlich war, wie die beiden Frauen reagierten. "Ich lasse mir von keinem Mann vorschreiben, was ich anzuziehen habe", stellte Leyla klar. Und Kim erkannte: "Das heißt für mich, dass er sich nicht zurückhalten kann und mich sexualisiert, obwohl ich nur mein Leben lebe." Die beiden zeigten: Es gibt sie also auch im Dschungelcamp, die Stimmen, die Sexismus etwas entgegensetzen.
Doch auch in diesem Jahr gibt es genug, was man problematisch finden kann. Den ehemaligen Sky-Kommentator Jörg Dahlmann zum Beispiel. Der hat vor zwei Jahren seinen Job verloren – nach einer sexistischen Äußerung über Union-Torwart Loris Karius und seine damalige Partnerin Sophia Thomalla. Wortlaut: "Für so eine Kuschelnacht mit Sophia würde ich mich auch auf die Bank setzen."
Problematisch sind allerdings nicht nur die "IBES"-Kandidat:innen, sondern auch grundlegende Bestandteile des Camps. Zum Beispiel die Dschungelprüfungen.
Watson hat die Dschungelprüfungen aus zehn Staffeln ausgewertet: Wenn das Publikum darüber entscheidet, wer eine Dschungelprüfung absolvieren soll, dann sind fast doppelt so viele Frauen wie Männer unter den "Prüfungsopfern": Immer wieder wählen Zuschauer:innen die gleiche, meist junge Frau.
Mein Kollege Hendrik Busch hat dieses fragwürdige Vorgehen auf den Punkt gebracht: "Dieses diffuse Mobbing-Verhalten, dieses blinde Verständnis, eine bestimmte Frau tagelang zu quälen, lässt sich in fast jeder Staffel beobachten.“
Gerade dieser Punkt wirft eine unbequeme Frage auf: Ist das Dschungelcamp sexistisch oder sind es die Zuschauer:innen? Ist beispielsweise Anna-Carina Woitschack jetzt als Kandidatin dabei, weil die Zuschauer:innen in ihr die zornige Ex-Frau und damit die Zicke sehen und mehr über das Liebes-Aus mit Volksmusik-Star Stefan Mross erfahren wollen?
Oder hält das Publikum sie nur für eine Zicke, weil RTL das Klischee von Anfang an bereitwillig bedient? So fragt RTL in einem Artikel beispielsweise: "Packt Anna-Carina am Lagerfeuer auch endlich ein paar pikante Details über die Trennung von Stefan Mross aus?"
Es ist unmöglich, das eindeutig zu beantworten. Klar ist hingegen: "IBES" ist eine TV-Show und die darf nicht langweilig sein. Aber wenn ein Jörg Dahlmann vor allem mitreisen darf, weil man darauf hofft, dass er im Camp den nächsten unüberlegten Spruch fallen lässt, dann drängt sich schon die Frage auf, wie sehr diese Ausfälle auch gewollt sind. Ganz nach dem Motto: Was wäre IBES ohne Sexismus-Skandal?
Mola Adebisi wurde für seine Äußerungen vom Moderator:innen-Duo verlacht. So sprach Jan Köppen von einer "Geschlechterrolle rückwärts": Ein Spruch über die sexistischen Äußerungen eines Kandidaten – kann man witzig finden. Mir bleibt da das Lachen im Halse stecken. Die Ausführungen von Mola Adebisi waren indiskutabel. Es wäre gut gewesen, das auch einmal ganz klar zu benennen.
Durch die Witzchen von Köppen wird Adebisis Fehlverhalten aber die Brisanz genommen. Wer über Sexismus lacht, nimmt Sexismus als Problem nicht ernst. Und wenn man ein Problem nicht ernst nimmt, dann ändert man daran auch nichts.
Ich bin mir sicher: Das Dschungelcamp wäre auch noch das Dschungelcamp, wenn es eine weniger sexistische Show wäre. Immerhin: Sie entwickelt sich, wenn auch zu langsam, in die richtige Richtung. "IBES" ist heute nicht mehr da, wo es im Anfangsjahr 2004 war. Sexismus ist weiterhin fester Bestandteil, wird aber nicht mehr einfach hingenommen. Das haben auch die Reaktionen von Kim Virginia und Leyla Lahouar auf den Alltagssexismus von David Odonkor gezeigt.
Und Odonkor selbst? Er ist 2024 direkt nach dem Eklat vom Publikum rausgewählt worden.
Das wiederum entspricht genau meinem Humor.