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Mehr Bücher lesen: einfache Tricks, um zum Bücherwurm zu werden

Young woman reading book in subway, shot with flash on film
Das läppert sich: Wer sich angewöhnt, ein Buch dabeizuhaben und in Wartezeiten darin zu lesen, kommt schnell auf eine halbe Stunde am Tag. Bild: getty images / E+ / Oleh_Slobodeniuk
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Bookfluencer teilt seine Tricks, um Bücher schnell durchzulesen

Bücher wirken in Zeiten von Tiktok, kurzlebigen Trends und noch kürzeren Aufmerksamkeitsspannen wie ein Relikt aus dem Bildungsbürgertum. Auch, weil viele Lesen anstrengend finden. Tobias Milbrandt war selbst einst lesefaul, inzwischen verschlingt er jedes Jahr um die 100 Bücher und erklärt uns, wie er das schafft.
19.08.2025, 08:2819.08.2025, 08:28
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Tobias ist "Bookfluencer", bekennender Vielleser und hat darüber nun selbst, zusammen mit Autor Florian Höper, ein Buch geschrieben ("Lesen ist deine Superkraft", Redline Verlag) – erstaunlich, wenn man bedenkt, dass er Lesen lange als "Quälerei" betrachtet hat:

"Noch bis Ende zwanzig waren Bücher gar nicht mein Ding, Lesen in der Schule ein einziger Zwang. Wie 'Die Verwandlung' von Kafka, wo irgendein Typ beschriebt, wie er im Bett liegt und zum Käfer wird – was hat das mit mir zu tun? Ich war nur froh, als ich keine Bücher mehr lesen musste."

Umso beachtlicher, dass er mittlerweile "so rund 100 Bücher im Jahr" liest, wie er im Gespräch mit watson sagt. Vor allem hat er Spaß daran: "Ich trauere um Tage, an denen ich es nicht schaffe, zu lesen."

Uns hat er erklärt, wie er vom Lesemuffel zum Bücherwurm wurde und welche Fehler die meisten Menschen machen, die Lesen anstrengend finden.

Warum wir die Lesetechnik aus der Grundschule wieder verlernen müssen

Für Tobias legte sich der Schalter 2019 um, als er für sein Kind Geld anlegen wollte. "Ich kaufte mehrere Finanz-Ratgeber und begriff zum ersten Mal, wie krass es ist, dass ich auf das Lebenswissen eines Experten zugreifen kann – für den läppischen Preis eines Buchs. Irgendwie war das für mich Nichtleser eine echte Erkenntnis."

"Beim Lesen bleiben viele bei Grundschultechniken. Dann ist es natürlich zäh, ein dickes Buch durchzuackern."

Zuerst liest er sich in Finanzen ein, dann Psychologie, Philosophie. "Mit jedem Thema ging eine neue Tür auf", erinnert er sich. "Heute habe ich immer mehrere Bücher unterschiedlicher Genres parallel am Start. In einer Jackentasche trage ich schmale Werke, wie derzeit 'Siddhartha' von Hermann Hesse, herum. Das lese ich nur, wenn ich diese Jacke anhabe."

Was ihn anfangs frustriert? Das eigene Lesetempo. Also beginnt er sich die eigenen Lesehürden anzuschauen: "Bei mir waren es zwei ganz typische."

Die besten Tricks, um schneller und effizienter Bücher zu lesen

"Der erste Gamechanger war, dass ich nicht mehr zurückspringe in Texten", berichtet Tobias. Wenn er früher einen Satz nicht richtig erfasst hatte, las er ihn wieder und wieder, hing fest. Ein Frust, den man sich sparen kann, wie er heute weiß: "Meistens erschließt sich das Hirn die fehlende Information, sobald man weiterschreitet."

Sein erster Tipp: Wer im Text ins Stolpern kommt, sollte nicht zurückspringen. Keine Sorge, der Inhalt fügt sich meist von allein wieder zusammen.

Lesen ist deine Superkraft Buch mvg Verlag Tobias Milbrandt
Tobias Milbrandt wurde vom vom Leser zum Autor. Bild: mvg Verlag

"Die zweite Sache war, dass ich immer noch laut im Kopf mitgelesen habe", gibt Tobias zu und führt aus:

"Innerliches Mitsprechen lernen viele in der Grundschule und behalten es ihr Leben lang bei. Doch das Gehirn verarbeitet Informationen schneller, als man sie artikulieren kann. Besser also, man gewöhnt sich das ab."

Wie das funktioniert? Indem man die Geschwindigkeit anhebt. Tobias probierte mehrere Techniken aus. "Ich bin das spielerisch angegangen, habe in Schleifen über den Text geschaut, oder bin im Zickzack über die Zeilen geflogen. Ich habe geschaut, was für mich funktioniert."

"Wenn du im Bus auf dem Weg zur Arbeit statt dem Handy ein Buch zückst, kommst du locker auf 30 Minuten am Tag."

Entscheidend ist, dass man nicht Wort für Wort entschlüsselt, sondern dem Hirn einen größeren Happen zum Verschlingen gibt – so gerät man in den Flow. Auch Erwachsene können das lernen. "Beim Lesen bleiben viele bei Grundschultechniken", weiß Tobias. "Das ist unnötig zäh."

Sein zweiter Tipp: Textteile eher scannen als einzeln entziffern, das Hirn gewöhnt sich daran und erfasst den Inhalt trotzdem.

Leseroutine im Alltag: Simple Tricks, um eine Stunde am Tag zu lesen

Dass viele Menschen das Lesen anstrengend finden, ist Tobias bewusst. "Wenn ich Menschen von meiner Arbeit erzähle, ist fast immer die erste Frage: Wie schaffst du es, so viel zu lesen?", amüsiert er sich. "Für manche ist es richtig viel, wenn ich sage: 'Ich lese eine Stunde am Tag.'"

Dabei sei eine Stunde vergleichsweise nichts, wenn man bedenkt, wie viele Menschen ohne Probleme zwei Stunden am Tag auf Social Media unterwegs seien. Oder drei Folgen ihrer Lieblingsserie am Abend bingen. "Lesen ist auch Entertainment", sagt er. Nur ohne Dopaminrausch. "Deshalb: Handy weglegen, wenn du ein Buch lesen willst. Am besten in ein anderes Zimmer", sagt Tobias.

Leseroutine zu entwickeln, sei nicht kompliziert. "Wenn du im Bus auf dem Weg zur Arbeit statt dem Handy ein Buch zückst, kommst du locker auf 30 Minuten am Tag, dann noch abends ein paar Seiten zum Einschlafen und das war's", sagt er.

Im Wartezimmer, in der Mittagspause, auf Klo – wer regelmäßig ein Buch aufschlägt, wird routinierter. "Letztlich ist es wie bei Sportarten auch. Wer viel trainiert, wird besser", erläutert Tobias. "Es reicht, mit 20 Seiten am Tag anzufangen."

Warum fällt es vielen Menschen dennoch schwer, das Lesen (wieder) aufzunehmen? Oft stecken dahinter sperrige Glaubenssätze. Zum Beispiel, dass jedes Buch beendet werden muss. Tobias kennt das:

"Meine Partnerin zwingt sich selbst, jedes Buch bis zum Ende durchzulesen, auch wenn sie es nach Seite 40 blöd findet und noch 360 Seiten vor ihr liegen. Sie macht eher zwei Monate Pause, weil es so anstrengend ist und kämpft sich bis zum Schluss, bevor sie das nächste Buch in die Hand nimmt."

Er selbst lese stattdessen mehrere Bücher gleichzeitig. So könne er immer zu dem Greifen, auf das er gerade Lust habe. Sachbuch oder Biografie? Tobias entscheidet nach Tagesform. "Ich erlaube mir sogar ganze Kapitel zu skippen, wenn sie mir nichts geben", sagt er. Für viele ein Skandal. Für den Bookfluencer pragmatisch.

Denn wer sich beim Lesen quält, hört irgendwann auf. Laut dem Statistischen Bundesamt verbringen Menschen in Deutschland sowieso nur noch 27 Minuten am Tag mit gedruckten oder digitalen Medien – rund 16 Prozent weniger als noch vor zehn Jahren. Dabei sind es die Ü65-Jährigen, die den Schnitt mit 54 Minuten nach oben ziehen, junge Erwachsene kommen nur auf 11 Minuten Lesezeit am Tag.

Sie konsumieren eher News-Happen aus sozialen Netzwerken. Diese "verschaffen uns einen kleinen Dopaminrausch, regen unsere Emotionen an", weiß Tobias, der auch als Social-Media-Berater tätig ist. "Algorithmen belohnen knappe, emotionale Informationsbrocken. Ohne tieferes Wissen zum Thema, ohne Kontext, sind diese für Leser:innen aber gehaltlos", sagt er.

Das weiß wohl jeder Mensch, der online schon einmal eine Stunde herumgeklickt hat und zehn Minuten später nur noch Headlines erinnert. "Umfassendes Wissen erhält man nicht auf Social Media", sagt Tobias. "Dafür muss man Bücher lesen, Artikel, Fachliteratur." Wer das nicht tut, trainiert seinem Hirn regelrecht ab, sich länger mit einem Thema zu befassen. Der Booktoker erklärt:

"Es ist okay, mal einen Snack zu sich zu nehmen, wie News auf Social Media, aber wer sich – um im Bild zu bleiben – zwölf Tüten Chips reinhaut und niemals ein Schwarzbrot, dem fehlen grundlegende Nährstoffe."

Über Bücher könne man sich in die Köpfe von Nobelpreisträger:innen einhacken, Zeitreisen bis zur Antike machen oder in andere Länder eintauchen, ohne je ein Flugzeug zu betreten, erklärt er. Zudem erfordere es weder die Freigabe von Daten noch ein Bombardement an Werbung. Tobias: "Ein Leben voller Bücher ist wie ein Schlüsselbund, der dir unzählige Türen öffnet."

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