Früher ist man einfach in ein Restaurant hereinspaziert, das nett aussah, hat sich an einen freien Tisch gesetzt und los gegessen – heute fast unvorstellbar. In vielen Städten ist der Restaurantbesuch längst zur logistischen Meisterleistung geworden. Ohne wochenlange Vorausplanung? Viel Glück.
Doch genau das wollen einige Gastronom:innen jetzt wieder ändern. Sie sagen: Schluss mit Reservierungsdruck und Zeitslot-Stress. Willkommen, Laufkundschaft!
In Berlin geht Gastronom Sören Zuppke gegen den Reservierungswahnsinn vor. Er betreibt die Szene-Lokale Trio, Otto und jetzt auch Pluto im Prenzlauer Berg. Und das Konzept ist klar: kein Reservierungszwang, kein Menüdruck, einfach hereinkommen.
Zuppke sagte dazu zur dpa: "Uns war wichtig, einen Ort zu schaffen, der ohne Verpflichtungen auskommt." Pluto versteht sich als entspannte Nachbarschafts-Weinbar – für Freunde, Familie oder einfach den spontanen Feierabend-Campari.
Warum er keine Reservierungen will, ist für Zuppke ganz klar: "Wir fühlen uns selbst sehr hingezogen zu offenen Orten, wo man einfach reinschneit – sei’s für ein schnelles Glas und einen Teller Schinken oder für einen langen Abend mit mehreren Flaschen Wein." Sein Credo: "Jeder ist willkommen, ganz ohne Plan. Reservierungen würden dem Ganzen nur die Leichtigkeit nehmen."
Auch anderswo erleben Lokale ohne Reservierungspolitik ein Revival. In Wien setzen altbekannte Kaffeehäuser wie Demel, Prückel oder Café Central wieder verstärkt auf Spontanbesucher:innen. Vor allem Letzteres macht das ganz offiziell: "Es werden laufend Tische frei", heißt es auf der Website – also einfach reinkommen, wie früher.
In Paris – und Filialen in New York, London oder Zürich – feiern Nostalgie-Spots wie das Relais de Venise oder Relais de l’Entrecôte das "No Booking"-Konzept. Kein Reservieren, keine große Auswahl: Roastbeef, Buttersauce, dünne Pommes und Kellner:innen in traditioneller Uniform. Klare Ansage, voller Laden.
Aber der spontane Trend ist nicht nur Retro-Romantik. Es steckt auch Frust dahinter. Denn No-Shows – also Menschen, die reservieren und dann einfach nicht auftauchen – sind für viele Restaurants ein echtes Problem. Jürgen Benad vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sagt zur dpa: "Es gibt einige Restaurants, die inzwischen ganz bewusst auf Reservierungen verzichten, um sich vor den wirtschaftlichen Folgen von No-Shows zu schützen."
Das funktioniert aber nicht überall. Laut Benad klappt das vor allem an Standorten mit viel Laufkundschaft. Eine Lösung für alle Restaurants ist das nicht.
Laut Dehoga nehmen kurzfristige Absagen zu. Und viele Gäste unterschätzen, wie viel Planung hinter einem einfachen Restauranttisch steckt. Gerade kleinere Betriebe oder Fine-Dining-Läden leiden – für sie bedeutet jeder nicht erschienene Gast ein Loch in der Kasse.
Klar, manche versuchen es mit Stornogebühren oder Rechnungen bei Nichterscheinen. Aber das geht schnell nach hinten los: Negative Online-Bewertungen lassen nicht lange auf sich warten. Benad warnt: "Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt – besonders gegenüber Stammgästen, die kein Gastronom verlieren möchte."
Der Trend zurück zur Spontanität ist da, wenn auch (noch) nicht flächendeckend. Aber eins ist klar: Wer keinen Bock mehr auf Reservierungsstress hat, bekommt langsam wieder mehr Optionen. Einfach reingehen, Platz finden, Wein bestellen – klingt ziemlich gut, oder?