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Klaasohm auf Borkum: Die Gewalttradition ist nur ein Beispiel von vielen

ARCHIV - 04.12.2011, Niedersachsen, Borkum: Mit Masken verkleidete Männer des Vereins Borkumer Jungens stürzen sich am Abend (Aufnahme vom 05.12.2011) in der Innenstadt der Nordseeinsel von einer Litf ...
Die Borkumer Tradition "Klaasohm" stand zuletzt stark in der Kritik.Bild: dpa / Reinhold Grigoleit
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Voller Gewalt: Bräuche, über die man nur den Kopf schütteln kann

05.12.2024, 19:1105.12.2024, 19:18
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Auch wenn sie nur einmal im Jahr vorkommen: Manche Bräuche sind so geprägt von Gewalt, dass es einem das ganze Jahr über die Nackenhaare zu Berge stehen lässt, wenn man an sie denkt.

Ein aktuell groß diskutiertes Beispiel ist der Nikolausbrauch "Klaasohm", der auf der Nordseeinsel Borkum jedes Jahr in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember stattfindet. Der Name bedeutet Onkel (Ohm) Klaus (Klaas). Teil des Brauches ist es, dass Frauen von Männern in den traditionellen Klaasohm-Kostümen – für die unter anderem Schafspelze, Möwenflügel, Federn und Seehundsfell verwendet wird – festgehalten und mit Kuhhörnern geschlagen werden.

Klaasohm-Brauch schockt: Welche Gewalt-Rituale gibt es sonst noch?

Nach einer Reportage des ARD-Magazins "Panorama – die Reporter" entbrannte in den vergangenen Tagen eine große mediale Debatte um den gewaltvollen Teil des Brauches. Denn die Frauen hatten anschließend teilweise riesige Hämatome auf ihrem Körper und waren übersät mit blauen Flecken.

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Die Reportage hat inzwischen auch etwas bewirkt: Das Schlagen der Frauen soll ab diesem Jahr verboten werden. Durch erhöhten Polizeischutz soll sichergestellt werden, dass den Frauen, die an dem Fest teilnehmen, nichts passiert. Begeistert sind viele Borkumer und Klaasohm-Liebhaber darüber nicht.

Borkum ist jedoch bei weitem nicht die einzige Region mit einer fragwürdigen, gewaltvollen Tradition. In Südbayern und Österreich graut es vielen vor dem fiesen Krampus, dem Begleiter des heiligen Nikolaus. Dieser schlägt mit Reisigbündeln zu. Allerdings laut dem Krampus Code of Conduct nur unterhalb des Knies, heißt es in einem Beitrag von "Euronews" dazu. Dass sich daran nicht immer gehalten wird, sollte keine Überraschung sein.

Aber die gewaltvollen Bräuche beschränken sich nicht nur auf Deutschland und Österreich – und nicht nur auf die Weihnachtszeit.

"Takanakuy": Faustkampf am 25. Dezember

Weniger besinnlich zur Weihnachtszeit geht es in Peru zu. Hier werden traditionell am 25. Dezember per Faustkampf Streitereien beigelegt. Hunderte von Einwohner:innen der Provinz Chumbivilcas in der peruanischen Region Cusco versammeln sich, um an einem uralten Kampfritual teilzunehmen.

CUZCO, PERU - DECEMBER 25: Two men fight during Takanakuy celebrations in the region of Chumbivilcas, Cuzco in the Andes of southern Peru on December 25, 2014. The Takanakuy is a traditional celebrati ...
Die Festlichkeit Takanakuy kann mehrere Tage dauern.Bild: Getty Images / Anadolu

Das Ritual zielt darauf ab, Rechnungen zwischen den Kontrahent:innen zu begleichen und Konflikte vor Jahresende zu lösen. Die seit Generationen bestehende Tradition ist als Takanakuy bekannt, ein Quechua-Name, der grob übersetzt bedeutet, dass man sich gegenseitig mit den Fäusten schlägt.

"Baby-Springen" in Spanien

Bei diesem Brauch soll bisher noch kein Baby zu Schaden gekommen zu sein. Nervös macht er wohl aber nicht nur die Eltern der Babys, die für diese spanische Tradition ihren Babykopf – beziehungsweise ihren ganzen Körper – hinhalten müssen.

The "Colacho", a character that represents the devil, jumps over babies lying on a mattress in the street during 'El Salto del Colacho' (The Devil's Jump) baby jumping festiva ...
Da sollte man sein Springvermögen gut einschätzen können.Bild: AFP / CESAR MANSO

Einmal im Jahr, Mitte Juni, treiben in dem spanischen Dorf Castrillo de Murcia die Teufel ihr Unwesen. Das Fest El Colacho, eine Mischung aus katholischen und heidnischen Ritualen, die den Triumph des Guten über das Böse darstellen sollen, geht auf die 1620er Jahre zurück. Es findet am Sonntag nach dem Fronleichnamsfest statt, weiß "National Geographic" über die Tradition.

Während des Festes laufen rot und gelb maskierte "Teufel" durch die Straßen, beleidigen die Dorfbewohner:innen und peitschen sie mit einem an einem Stock befestigten Pferdeschwanz aus.

Diese springen dann über Babys, die auf Matratzen auf der Straße liegen. Es ist eine Art Taufe: Man glaubt, dass der Teufel die Sünden der Babys auf sich nimmt und sie vor Krankheiten und Unglück schützt.

Masleniza: Prügeln auf fünf verschiedene Weisen

Geht der Winter zu Ende, wird das in ostslawischen Ländern mit der Masleniza gefeiert. Traditionell und offiziell ist es ähnlich wie Karneval bei uns, ein mehrtägiges, fröhliches Fest mit Musik, Essen und Umzügen.

Inoffiziell gehören zur Masleniza jedoch auch einige Aktivitäten, die für Außenstehende wohl nach ziemlich viel Schmerz und Gewalt aussehen – für die Teilnehmenden jedoch eher als Spiel und Spaß verstanden werden. Immerhin nehmen sie freiwillig daran teil, wie "Russia Beyond" betont.

  • Stenka-Kampf: Dabei prallen zwei Wände aus Männern aufeinander. Sie formen eine lange Linie, Ziel ist es, die andere Wand zurückzudrängen. Und Spaß haben soll man dabei. Treten und auf einzelne losgehen ist verboten.
  • Game of Slaps: Zwei Kontrahenten sitzen sich auf einem langen Holzbalken gegenüber, die Beine baumeln in der Luft, damit sie sich leichter aus dem Gleichgewicht bringen können. Dann hauen sie sich abwechselnd. Wer hier gewinnt, ist wohl selbsterklärend.
  • "Kalashnikov"-Kampf: Zwei Männer stehen sich gegenüber. Sie legen beide einen Stock hinter sich, den gilt es nun nicht zu übertreten, also nicht vor dem anderen zurückzuweichen. Dann hauen sich die beiden Herausforderer mit Fäusten gegenseitig auf den Oberkörper.
  • "Banja"-Challenge: Wer schonmal in einer russischen Banja, einer Sauna, war, kennt vielleicht den Birkenreisig, mit dem sich Saunagänger:innen abklopfen, um die Blutzirkulation anzuregen. Dieser Reisig wird in einer Masleniza-Tradition genutzt, um seinen Gegner so lange zu schlagen, bis der Zweig auseinander fällt. Dann tauscht man die Rolle. Oder man gibt auf.
  • Kampf um die Stadt aus Schnee: Nachdem die Männer gemeinsam eine riesige Schneeburg gebaut haben, teilen sie sich in zwei Teams: Jene, die die Burg beschützen, und jene, die sie erobern wollen. Am Ende schließen sich jedoch alle zusammen, um die Burg zu zerstören und so den Winter zu verabschieden.

Käserollen in England

Käserollen in England klingt erstmal nach einer gemütlichen Nachmittagsaktivität. Dabei macht man jedoch nicht in einer Käserei sein eigenes Käserad.

Bei der Tradition wird nämlich ein ca. 3,6 Kilogramm schweres Käserad einen ziemlich steilen Berg in Gloucestershire hinuntergerollt – und das soll wieder eingefangen werden. Dafür rennen Teilnehmende den äußerst steilen Berg hinunter, hinter dem Käse her.

GLOUCESTER, UNITED KINGDOM - 2024/05/27: Competitors throw themselves down on the steep hill to race to the bottom in Gloucester during the Gloucester Cheese Rolling Race. The Gloucester Cheese Rollin ...
Wir würden für Käse auch viel machen. Aber nicht alles.Bild: LightRocket / SOPA Images

Dabei fliegen viele nach kürzester Zeit unkontrolliert in die Tiefe, ziehen sich Prellungen zu und brechen sich Knochen. Die örtlichen Behörden haben deswegen versucht, das Fest zu verhindern, indem sie die Organisatoren (einschließlich des Herstellers des Käses) daran erinnerten, dass sie für etwaige Verletzungen beim Käserollen haftbar gemacht werden könnten.

Aber wie auch der Fall von Klaasohm zeigt: Die Menschen halten gerne an ihren Traditionen fest.

Spiele-Entwicklerin bekommt Morddrohungen – wegen einer Figur

Die Gemüter im Internet lassen sich heutzutage schnell erhitzen. Ob zu Ernährung, zu Tierhaltung, zu Musikgeschmack oder auch zu Politik. In Foren und unter Postings kann man teilweise ellenlange Diskussionen mitverfolgen.

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