Auch wenn sie nur einmal im Jahr vorkommen: Manche Bräuche sind so geprägt von Gewalt, dass es einem das ganze Jahr über die Nackenhaare zu Berge stehen lässt, wenn man an sie denkt.
Ein aktuell groß diskutiertes Beispiel ist der Nikolausbrauch "Klaasohm", der auf der Nordseeinsel Borkum jedes Jahr in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember stattfindet. Der Name bedeutet Onkel (Ohm) Klaus (Klaas). Teil des Brauches ist es, dass Frauen von Männern in den traditionellen Klaasohm-Kostümen – für die unter anderem Schafspelze, Möwenflügel, Federn und Seehundsfell verwendet wird – festgehalten und mit Kuhhörnern geschlagen werden.
Nach einer Reportage des ARD-Magazins "Panorama – die Reporter" entbrannte in den vergangenen Tagen eine große mediale Debatte um den gewaltvollen Teil des Brauches. Denn die Frauen hatten anschließend teilweise riesige Hämatome auf ihrem Körper und waren übersät mit blauen Flecken.
Die Reportage hat inzwischen auch etwas bewirkt: Das Schlagen der Frauen soll ab diesem Jahr verboten werden. Durch erhöhten Polizeischutz soll sichergestellt werden, dass den Frauen, die an dem Fest teilnehmen, nichts passiert. Begeistert sind viele Borkumer und Klaasohm-Liebhaber darüber nicht.
Borkum ist jedoch bei weitem nicht die einzige Region mit einer fragwürdigen, gewaltvollen Tradition. In Südbayern und Österreich graut es vielen vor dem fiesen Krampus, dem Begleiter des heiligen Nikolaus. Dieser schlägt mit Reisigbündeln zu. Allerdings laut dem Krampus Code of Conduct nur unterhalb des Knies, heißt es in einem Beitrag von "Euronews" dazu. Dass sich daran nicht immer gehalten wird, sollte keine Überraschung sein.
Aber die gewaltvollen Bräuche beschränken sich nicht nur auf Deutschland und Österreich – und nicht nur auf die Weihnachtszeit.
Weniger besinnlich zur Weihnachtszeit geht es in Peru zu. Hier werden traditionell am 25. Dezember per Faustkampf Streitereien beigelegt. Hunderte von Einwohner:innen der Provinz Chumbivilcas in der peruanischen Region Cusco versammeln sich, um an einem uralten Kampfritual teilzunehmen.
Das Ritual zielt darauf ab, Rechnungen zwischen den Kontrahent:innen zu begleichen und Konflikte vor Jahresende zu lösen. Die seit Generationen bestehende Tradition ist als Takanakuy bekannt, ein Quechua-Name, der grob übersetzt bedeutet, dass man sich gegenseitig mit den Fäusten schlägt.
Bei diesem Brauch soll bisher noch kein Baby zu Schaden gekommen zu sein. Nervös macht er wohl aber nicht nur die Eltern der Babys, die für diese spanische Tradition ihren Babykopf – beziehungsweise ihren ganzen Körper – hinhalten müssen.
Einmal im Jahr, Mitte Juni, treiben in dem spanischen Dorf Castrillo de Murcia die Teufel ihr Unwesen. Das Fest El Colacho, eine Mischung aus katholischen und heidnischen Ritualen, die den Triumph des Guten über das Böse darstellen sollen, geht auf die 1620er Jahre zurück. Es findet am Sonntag nach dem Fronleichnamsfest statt, weiß "National Geographic" über die Tradition.
Während des Festes laufen rot und gelb maskierte "Teufel" durch die Straßen, beleidigen die Dorfbewohner:innen und peitschen sie mit einem an einem Stock befestigten Pferdeschwanz aus.
Diese springen dann über Babys, die auf Matratzen auf der Straße liegen. Es ist eine Art Taufe: Man glaubt, dass der Teufel die Sünden der Babys auf sich nimmt und sie vor Krankheiten und Unglück schützt.
Geht der Winter zu Ende, wird das in ostslawischen Ländern mit der Masleniza gefeiert. Traditionell und offiziell ist es ähnlich wie Karneval bei uns, ein mehrtägiges, fröhliches Fest mit Musik, Essen und Umzügen.
Inoffiziell gehören zur Masleniza jedoch auch einige Aktivitäten, die für Außenstehende wohl nach ziemlich viel Schmerz und Gewalt aussehen – für die Teilnehmenden jedoch eher als Spiel und Spaß verstanden werden. Immerhin nehmen sie freiwillig daran teil, wie "Russia Beyond" betont.
Käserollen in England klingt erstmal nach einer gemütlichen Nachmittagsaktivität. Dabei macht man jedoch nicht in einer Käserei sein eigenes Käserad.
Bei der Tradition wird nämlich ein ca. 3,6 Kilogramm schweres Käserad einen ziemlich steilen Berg in Gloucestershire hinuntergerollt – und das soll wieder eingefangen werden. Dafür rennen Teilnehmende den äußerst steilen Berg hinunter, hinter dem Käse her.
Dabei fliegen viele nach kürzester Zeit unkontrolliert in die Tiefe, ziehen sich Prellungen zu und brechen sich Knochen. Die örtlichen Behörden haben deswegen versucht, das Fest zu verhindern, indem sie die Organisatoren (einschließlich des Herstellers des Käses) daran erinnerten, dass sie für etwaige Verletzungen beim Käserollen haftbar gemacht werden könnten.
Aber wie auch der Fall von Klaasohm zeigt: Die Menschen halten gerne an ihren Traditionen fest.