Umweltschutz und die EM: Das ist eine Kombination, die seit der gescheiterten Greenpeace-Aktion beim Spiel Deutschland gegen Frankreich eher kritisch beäugt wird. Bei dem Match segelte ein Paraglider mitten aufs Spielfeld, um gegen den Sponsor VW zu protestieren, und verletzte dabei zwei Menschen.
Obwohl sich Greenpeace bereits für die Aktion entschuldigt hat, hagelte es viel Kritik – die letztlich den Grund des Protests überschattete. Nämlich: dass ein internationales Großevent wie die EM sich von Unternehmen wie VW sponsern lässt, die alles andere als klimafreundlich agieren.
Auch die UEFA ist in der Vergangenheit bereits kritisiert worden. Eine EM in elf Städten quer über den Kontinent zu veranstalten, ist aus Sicht des Klimaschutzes ein ziemliches Debakel. Allein die zahlreichen Reisen, die die Spieler beispielsweise nach St. Petersburg, Kopenhagen, Baku oder Bukarest unternehmen müssen, verursachen über hunderttausende Tonnen CO2.
Trotzdem bekräftigte die UEFA, nachhaltig zu agieren. Der Verband gab in einer Pressemitteilung an, das Turnier "zur bis dato umweltfreundlichsten Endrunde machen" zu wollen. Wie das gelingen sollte? Natürlich durch die Kompensation von CO2-Emissionen. Es wurden Bäume gepflanzt und Umweltprojekte wie "South Pole" gefördert. UEFA-Präsident Aleksander Čeferin sagte diesbezüglich:
Umweltverbände sowie Klimaaktivistinnen und -aktivisten lassen sich von diesen Maßnahmen nicht täuschen. Für sie ist klar, dass es sich vor allem um Greenwashing anstatt um realen Umweltschutz handelt.
Für die nächste EM, die im Jahr 2024 stattfinden soll, hat die UEFA gemeinsam mit dem DFB beschlossen, dass die Veranstaltung nach der Event Social Responsibility (ESR)-Strategie ausgerichtet werden soll. UEFA-Präsident Čeferin sagt dazu: "Ich bin stolz, dass wir gemeinsam mit dem DFB unser Bestes geben werden, damit die UEFA EURO 2024 das bisher nachhaltigste Turnier wird." Doch was genau bewirkt der Beschluss der ESR-Strategie für die kommende EM?
Um das Ziel einer nachhaltigen EM zu erreichen, hat die EURO 2024 GmbH (der Zusammenschluss von UEFA und DFB) die folgenden Maßnahmen formuliert:
So weit, so gut. Auf Nachfrage von watson, welche konkreten Schritte geplant sind, wie klimaschädliche Flugreisen vermieden werden, oder nach welchen Kriterien Sponsoren für die EURO 2024 ausgewählt werden, bleibt die UEFA allerdings erstaunlich still. Die einzige Antwort: "Sustainability will be an issue of great importance for UEFA and the DFB at UEFA EURO 2024" und ein Verweis auf deren 20-seitige Nachhaltigkeitsstrategie.
Wie realistisch eine grüne EM überhaupt ist, bewertet Anja Mager vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) im exklusiven Interview mit watson. Sie hebt hervor, dass Großveranstaltungen in der Organisation per se eine große logische Herausforderung darstellen und es eines umfassenden Gesamtkonzeptes bedarf, um diese nachhaltig zu gestalten. Sie empfiehlt für jede Veranstaltung den "Leitfaden für die nachhaltige Organisation von Veranstaltungen", welchen sie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des BMUB und des Umweltbundesamts (UBA) erarbeitet hat.
Die umfangreiche Broschüre stelle für alle Bereiche Maßnahmen vor, die von den Organisatorinnen und Organisatoren umgesetzten werden sollten, so Mager. "Angefangen von der Mobilität, dem Veranstaltungsort, dem Energieverbrauch, dem Catering, über das Abfallmanagement bis hin zur Beschaffung von Leistungen, die für die Veranstaltung benötigt werden und dem Absehen von Gastgeschenken und Give Aways."
Bezüglich konkreter nachhaltiger Lösungen für Großveranstaltungen setzen Mager und ihre Kolleginnen und Kollegen auf EMAS (Eco-Management and Audit Scheme), das europäische Umweltmanagementsystem. Die BMUB-Referentin erklärt: "Mit EMAS können die Organisatorinnen und Organisatoren passgenau Umweltziele für die Veranstaltung festlegen, Maßnahmen kontrolliert umsetzen und im Rahmen einer Umwelterklärung nach außen kommunizieren. Das BMU hat mit EMAS bereits gute Erfahrungen gemacht, zuletzt bei der 23. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP 23) in Bonn mit täglich ca. 11.000 Teilnehmenden."
Dass bei Großveranstaltungen wie der EM eine hohe Menge Treibhausgasemissionen entstehen, ist klar. Anja Mager betont allerdings, dass nicht nur die Emissionen im Blick zu behalten dazu gehöre, sondern auch den Schutz von Ressourcen zu gewährleisten und die Biodiversität nicht zu beeinträchtigen. Das schließt der Expertin zufolge mit ein, dass die Teilnehmenden klimafreundlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu der Veranstaltung anreisen können. Auch den Energieverbrauch mit energieeffizienten Geräten und durch die Nutzung von Ökostrom im Stadion gering zu halten, ist für sie unablässig.
Zuletzt bleibt die Frage: Was kann jeder Einzelne tun, um sich beim Besuch einer Großveranstaltung wie der EM möglichst nachhaltig zu verhalten? Auch dafür hat Mager einige Tipps. Sie schlägt beispielsweise vor, ein umweltfreundliches Hotel zur Übernachtung auszuwählen, mit dem Umweltverbund anzureisen und während der Veranstaltung nachhaltig zu konsumieren. Konkret bedeutet das: "Keine Einwegprodukte verwenden, eher pflanzenbasiert essen, Abfall getrennt entsorgen, damit er recycelt werden kann und sich rücksichtsvoll und hilfsbereit gegenüber anderen Teilnehmenden verhalten."
Als letzter Ausweg bleibt natürlich immer noch die CO2-Kompensation. Lässt sich also die Anreise mit dem Flugzeug nicht vermeiden, können die dabei entstandenen Treibhausgasemissionen mit qualitativ hochwertigen Zertifikaten kompensiert werden.
Anstatt wie die UEFA es bei der diesjährigen EM gemacht hat – nämlich von Anfang an lediglich auf Kompensation zu setzen – ist es jedoch die deutlich nachhaltigere Herangehensweise, klimaschädliche Emissionen überhaupt nicht erst entstehen zu lassen. Sie konstant so gering wie möglich zu halten, ist Mager zufolge dann möglich, wenn die im Leitfaden formulierten Maßnahmen befolgt werden.