Jeder hat die Bilder in den letzten Tagen gesehen: die eingestürzte Carolabrücke in Dresden, Sinnbild der kaputtgesparten Infrastruktur. Zur gleichen Zeit wurden Hochwasserwarnungen für die Elbe in Sachsen ausgesprochen, eine Folge ungewöhnlich hoher Temperaturen im Mittelmeer.
Die Klimakrise ist da und macht sich immer öfter bemerkbar – auch in Sachsen. Überschwemmungen an Elbe und Oder vernichten ganze Existenzen. Waldbrände im Elbsandsteingebirge zerstören unberührte Natur und das durch Trockenheit geplagte Erzgebirge ist schon lange nicht mehr der Ort "Wu de Walder haamlich rauschen, wu de Haad su rötlich blüht".
Doch Dürren und Überschwemmungen zerstören in Sachsen nicht nur einzigartige Landschaftsbilder, sondern sind eine ernste Bedrohung für Tourismus, Land- und Forstwirtschaft. Dennoch wählten über 50 Prozent aller Menschen in Sachsen bei der Landtagswahl Parteien, die den Klimawandel konsequent ignorieren oder gar leugnen. Warum ist das so?
Eins ist sicher: Es liegt nicht daran, dass die Menschen in Sachsen, wie so oft impliziert, irgendwie doof oder schlecht gebildet wären. Ganz im Gegenteil: Sachsen liegt mit 64,1 Punkten auf dem ersten Platz des Bildungsmonitors der Bundesländer 2024. Ganze 6,2 Punkte vor dem zweitplatzierten Bayern und 24,2 Punkte vor Schlusslicht Bremen.
Die Gründe für die Wahlergebnisse werden häufig nicht gesehen werden oder wollen vielleicht nicht gesehen werden.
Ein Beispiel dafür ist der Bau von Windkraftanlagen. Wenn ein Investor eine Anlage errichten möchte, findet keine Bürgerbeteiligung statt, keine Kommunikation mit den Anwohner:innen oder gar finanzielle Beteiligung für sie.
Anstatt vergünstigte Strompreise oder eine direkte kommunale Gewinnbeteiligung zuzusichern wird über die Köpfe der Bürger:innen und des Gemeinderats hinweg entschieden. Das bringt Unzufriedenheit, ewige Debatten und teilweise Gerichtsverfahren, die das Verfahren weiter verzögern.
Die Akzeptanz für erneuerbare Energien sinkt, Klimaschutz wird ausgebremst und der Rechtspopulismus gewinnt an Zuspruch. Dabei wäre es so wichtig, dass allen Menschen sauberer und bezahlbarer Strom zur Verfügung gestellt werden kann, um den Ausstieg aus dreckigen fossilen Energieträgern umsetzen zu können.
Vor nicht einmal 40 Jahren sorgte im Zuge des Mauerfalls eine Umstellung der Wirtschaft in Sachsen für Arbeitslosigkeit und einen Ausverkauf der gesamten Industrie. Die Wunde, die dadurch entstanden ist, ist bis heute nicht verheilt.
Im Gegenteil, sie reißt weiter auf, denn die Menschen fühlen sich an damals erinnert. Egal, ob es um die VW-Arbeiter:innen in Zwickau, Chemnitz oder Dresden geht, die Kohlekumpel in der Lausitz oder die Land- und Forstwirt:innen um den Tharandter Wald. Gerade jetzt wäre es wichtig, klar und deutlich zu zeigen, wie es weitergehen soll.
Wie wird die Produktion bei VW weitergehen, ohne dass Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren? Wie können Kohlekumpel ohne Lohnverlust in neue Berufe eingegliedert werden? Wie kann die Land- und Forstwirtschaft in der Umstrukturierung zu mehr Nachhaltigkeit sichere und gute Jobs bieten?
Auf alle diese Fragen braucht es Antworten. Es braucht eine neue Ehrlichkeit, die sich an den energiewirtschaftlichen und Klima-Realitäten orientiert.
Das ist die Aufgabe der Kommunalparlamente, der Ortsbeiräte und insbesondere der neuen Landesregierung in Sachsen. Statt längst überholten Energieträgern hinterherzulaufen, müssen endlich zukunftsfähige Perspektiven in der Lausitz und im mitteldeutschen Braunkohlerevier geschaffen werden – das geht nur mit erneuerbaren Energien.
Vor dem Hintergrund all dieser Herausforderungen ist es nachvollziehbar, wenn sich einige nach einer Alternative sehnen und eine Partei wählen, die verspricht, alles anders zu machen und die Menschen vor Ort in den Mittelpunkt zu rücken.
Das immense Problem besteht allerdings darin, dass diese Partei, die teilweise aus Hoffnung für einen Wandel im Politikstil gewählt wird, in erster Linie eine wissenschaftsleugnende, faschistische und demokratiefeindliche Partei ist.
Das ist aber kein Grund aufzugeben. Gerade jetzt ist es umso wichtiger, im Osten und den ländlichen Räumen Akzeptanz und Vertrauen durch Perspektiven zu schaffen. Denn dort sind die Orte, wo die Energiewende stattfindet, und wo große Potentiale für Gemeinschaftsprojekte liegen.
Ohne Vertrauen und Akzeptanz steigt die Politikverdrossenheit, werden demokratische Parteien immer schwächer, kommt der Klimaschutz keinen Millimeter voran und am Ende leben wir in einem Land, in dem Klimakatastrophe und rechte Parteien den Alltag bestimmen. Das muss nicht sein und das darf nicht sein.
Als Gesellschaft zusammenzuarbeiten und einander zuzuhören, uns ernstzunehmen das sind Wege, wie wir am Ende alle profitieren können und die Chance haben auf eine vielfältige, gesunde Gesellschaft, in der alle unbeschwert leben können.
Eines unserer wichtigsten Werkzeuge gegen rechte Kräfte sind positive Visionen. Wenn wir über das reden, was uns wirklich wichtig ist, nehmen wir den Rechten den Raum, ihre Erzählungen zu verbreiten.
Wenn Fridays for Future am 20. September auf die Straße geht für sozial gerechten und konsequenten Klimaschutz, dann zeigen sie ihre Vision und kämpfen dafür. FFF gibt nicht auf, FFF bleibt.