Es gibt Momente im Leben, die alles verändern. Für immer. Momente, die dem eigenen Leben plötzlich eine Richtung vorgeben, vielleicht gar eine Mission.
Für Peter Hammarstedt kam dieser Moment früh. Er war gerade einmal 14 Jahre alt, als er ein Bild von einem toten Wal sah, der auf einem Förderband in das Innere eines Walfang-Schiffes befördert wurde.
In diesem Moment, so erzählt Peter es heute im Gespräch mit watson, war ihm klar, dass er etwas dagegen tun musste. "Ich konnte einfach nicht glauben, dass Wale auf so furchtbare Weise getötet wurden. Dieses Bild hat mich auf den Lebensweg gebracht, den ich bis heute verfolge."
Sobald Peter 18 Jahre alt war, bewarb er sich an Bord der internationalen Meeresschutzorganisation Sea Shepherd. Mit Erfolg. Seit über 20 Jahren ist er nun für die Umweltorganisation im Einsatz, mittlerweile als Kapitän. Doch sein Antrieb, seine Mission, ist noch immer dieselbe: Er kämpft für den Schutz der Wale, gegen die vehemente Überfischung – und ein noch weitgehend unbekanntes Problem: die Krillfischerei.
Weil Peter um die Macht von Bildern weiß, hat er gemeinsam mit seiner Crew einen Film in der Antarktis gedreht – "The Return to Antarctica". Im Fokus stehen dieses Mal nicht die Wale, sondern ihre Nahrung – der Krill: "Ein Teil des Problems ist, dass Krill, anders als Wale, keine wirkliche Lobby hat, die sich für ihn einsetzt", sagt Peter.
Wale, meint Peter, würden beinahe jede:n faszinieren. Auch er hat eine Geschichte, die ihn noch heute fast zu Tränen rührt:
Er kam gerade mit seiner Crew von einer Expedition aus der Antarktis zurück, als sie in Tasmanien, einer zu Australien gehörenden Insel im Indischen Ozean, zur Hilfe gerufen wurden. 54 Grindwale waren lebendig gestrandet. Peter wusste: Sie durften keine Zeit verlieren, die Wale mussten schnellstmöglich zurück ins Wasser. Es ging um Leben und Tod. Jede Minute zählte.
Gemeinsam mit seiner Crew flog er los, um zu helfen. Mit viel Kraft und Anstrengung gelang es ihnen, 53 der 54 Wale zurück ins Wasser zu schaffen. Doch einer der Grindwale war zu schwach und schaffte es nicht zurück ins Wasser.
Drei Tage lang kümmerte Peter sich um den Wal, bettete ihn in nasse Handtücher, um ihn vor der Sonne zu schützen, baute einen Windschutz. "Das Wetter war denkbar ungünstig für diese Rettungsaktion."
Doch Aufgeben kam nicht in Frage.
Dann plötzlich öffnete sich ein Zeitfenster, in dem der Wind günstig stand. Sie mussten den Wal zurück ins Wasser schaffen – jetzt oder nie.
Sie schlangen ein Seil um ihre Finnen und nahmen den geschwächten Wal zwischen zwei Jetskis. Als sie etwa 200 Meter zwischen sich und den Strand gebracht hatten, lösten sie den Grindwal von den Seilen. Würde sie es schaffen? War sie stark genug?
Das große Bangen begann.
Der Wal schwamm los. Allerdings in eine völlig andere Richtung, als Peter und sein Team anvisiert hatten. "Ich war so besorgt, dass sie zu schwach war und wieder stranden würde", sagt er und ergänzt mit einem Lächeln in der Stimme:
Mit Krill ist das anders. Zutiefst berührende Erlebnisse verknüpft mit ihnen wohl kaum jemand. Doch die winzigen, roten Krebstiere, die zwar unscheinbar wirken mögen, sind die Grundlage für das Ökosystem im antarktischen Meer: "Es gibt keine einzige Spezies, die nicht direkt oder indirekt vom Krill abhängig ist. All die Wale, Pinguine und Robben, für die wir uns so leidenschaftlich einsetzen, fressen den Krill."
Doch der ist in Gefahr. Denn immer häufiger dringen Supertrawler aus Norwegen, China, Russland, der Ukraine und Südkorea bis ans Ende der Welt vor, um Krill zu fangen. "Wir haben schon erlebt, wie die Fischer mit ihren Trawlern mitten in eine Gruppe von Finnwalen hineingefahren sind, um ihnen den Krill vor ihrer Nase wegzuschnappen", erzählt Peter. In seiner Stimme schwingt Unverständnis mit, Vehemenz.
Die Folgen machen sich schon jetzt bemerkbar, das zeigen Studien: Buckelwale finden nicht mehr genügend Nahrung, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Pelzrobben verlieren an Körperfett. Und die Population von Zügelpinguinen schrumpft immer weiter, in den letzten 40 Jahren um 50 Prozent.
Und wofür? Um Nahrungsergänzungsmittel, Hunde- und Katzenfutter sowie Futter für Zuchtlachs aus der Aquakultur herzustellen. "Der Zuchtlachs aus Norwegen und Schottland wird mit Krill zugefüttert, einzig und allein, um dem Lachs seine klassische rosa Farbe zu geben. Sonst wäre das Lachsfleisch nämlich grau", sagt Peter.
Und damit nicht genug – auch die Klimakrise fordert ihren Tribut. Forschende schätzen, dass sich die Menge des Krills in der Antarktis allein bis 2100 aufgrund der steigenden Temperaturen halbieren wird.
"Momentan ist die Krillfischerei noch legal, deswegen müssen wir die Regierungen dazu bewegen, endlich die notwendigen Schutzgebiete im Meer einzurichten", betont Peter und ergänzt:
Jede:r einzelne könne dafür etwas tun: Nämlich darauf achten, keine Nahrungsergänzungsmittel zu kaufen, in denen Krillöl steckt. "Die veganen Produkte sind genauso gut", meint Peter.
Mit ihrem Film will die Umweltorganisation Sea Shepard aufzeigen, wie groß die Schäden sind, die Krillfischer:innen anrichten.
Die meisten Menschen, so glaubt Peter, würden annehmen, die Antarktis sei einer der letzten unberührten Orte der Welt. Ein Ort, der geschützt ist. Allein schon durch das "Höllentor", das man passieren müsse, um die "himmlische" Eislandschaft zu erreichen: Die wilde See mit über zwölf Meter hohen Wellen und Wind von bis zu 100 Knoten. Zwar erreichen Hurrikans noch höhere Windgeschwindigkeiten, aber die Orkanwindfelder auf dem Weg zur Antarktis sind großräumiger – und halten teils über mehrere Tage an.
"So gefährlich das auch ist – ganz gleich auf welcher Art Schiff du dich befindest – auch die Antarktis ist längst nicht mehr unberührt." Zwar hätte Peter nie mehr Wale und Pinguine auf einem Fleck gesehen. Aber da ist eben auch die schwere Großindustrie, die schwimmenden Fabriken, die Krillfischer:innen.
Auch das wollen sie in ihrem Film zeigen.
Zwar ist die Weltlage derzeit schwierig und auch die Politik täte nicht genug, um die Ozeane zu schützen. Aber Peter hat trotz allem noch Hoffnung. Er sagt: "Auch das Moratorium auf den Walfang ist in einer Zeit entstanden, in der niemand damit gerechnet hat – mitten im Kalten Krieg."
Ein Beispiel, das ihm Mut macht, ihn weitermachen lässt. "Wir müssen diesen Kampf gewinnen, immerhin hängt unser Leben von den Ozeanen ab."
Der Kurzfilm "The Return to Antarctica" im Programm der "International Ocean Film Tour" zu sehen, die noch bis zum 15. Mai durch Deutschland zieht.