Wer verstehen möchte, wie tief der Fleischkonsum in Bayerns Kulinarik historisch verankert ist, kann sich das bei einem Spaziergang durch Münchens Innenstadt vor Augen führen. Es sind nur ein paar Schritte vom Marienplatz, abwärts in Richtung Viktualienmarkt, ehe man eine Backsteinhausreihe erreicht.
Acht Metzgereien findet man dort auf engstem Raum, alle klein, alle urig – und in der Regel alle voll. Nicht nur, weil Münchner:innen gerne zum Viktualienmarkt pilgern, sondern auch, weil hier viele Tourist:innen, so wird es in jedem Reiseführer empfohlen, in die vielleicht erste Leberkäsesemmel ihres Lebens beißen.
Seit mehr als 700 Jahren werden hier Fleisch und Wurst verkauft. Nicht in diesen Häuschen, die wurden vor einem halben Jahrhundert hochgezogen, aber an dieser Stelle. Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass die Metzger dort zu finden sind, weil König Ludwig sie vom damaligen Marktplatz, dem heutigen Marienplatz, verbannte: Er fand die Schlachterei im Herzen der Stadt unpassend und schickte die Metzger vor die Stadtmauer, wo sie ihre Abfälle direkt im (heute verschwundenen) Pfisterbach entsorgen durften.
250 Meter weiter gibt's seit einigen Wochen eine neue Metzgerei. Eine vegane. Die schlicht und einfach "Die Vegane Fleischerei" heißt. Sie richtet sich im Geschäftsmodell an jene, die vorne am Viktualienmarkt gerne zugreifen: an Fleischesser:innen – die auf den Geschmack nicht verzichten, aber weniger oder keine tierischen Produkte mehr zu sich nehmen wollen.
Die erste Filiale in Dresden läuft erfolgreich, nun expandierte die Marke in die bayerische Landeshauptstadt – watson hat für euch den Laden besucht und eingekauft. Hier kommt unser ehrliches Fazit.
Ich esse schon immer Fleisch und Wurst. Und ich esse es gern. Allerdings habe ich beschlossen, dass ich den Verzehr drastisch reduzieren möchte.
Was ich damit sagen will: Ich bin genau die Zielgruppe, für die die vegane Fleischerei erfunden wurde. Doch ich weiß, wie gut echtes Fleisch schmeckt – und werde nicht alles als genial bejubeln, nur weil's vegan ist.
Es ist Samstag, 15 Uhr. Die Menschen stehen sich auf dem Viktualienmarkt die Beine in den Bauch. Beißen in ihre Brötchen und trinken im Stehen Aperol Spritz. So macht man das in München im Spätwinter, wenn's nicht mehr schneit. In der veganen Fleischerei ist's ähnlich voll: Elf, zwölf Menschen stehen Schlange.
Beim Betreten des Ladens wird schnell klar, der Besuch fühlt sich an wie in einer klassischen Metzgerei. Es gibt Produkte aus dem Kühlschrank und in Gläsern, vor allem aber eine Frischwursttheke. Und: Man verkauft warme Speisen auf die Hand – Leberkäse, Bratwürste, Ochsenfetzensemmel. Nur das Pastrami ist heute schon ausverkauft.
Die Neugier führt dazu, dass man beim ersten Besuch alles einmal probieren will. Geht natürlich nicht. Ich entscheide mich für drei Tests: Brotbelag (Salami, Lyoner und Leberwurst), Warmes auf die Hand (Leberkäse und Ochsenfetzen) und Zeug zum Grillen (Bratwürste und Steaks).
Den Geldbeutel schont der Besuch nicht. Grob geschätzt sind die Produkte rund 25 Prozent teurer als die beim tierischen Metzger, wobei das von Produkt zu Produkt schwankt: Die vegane Salami ist mit 35,80 Euro pro Kilo ganz schön teuer, der vegane Leberkäse mit 19,95 Euro deutlich erschwinglicher.
Wenn man die Preise mit denen für vegane Produkte beim Discounter vergleicht, zuckt man hin und wieder schon zusammen. Aber diese Differenz gibt's ja auch bei echtem Fleisch und tierischer Wurst. Die Frage ist für mich: Rechtfertigen Qualität und Geschmack die Preise?
Fangen wir mit dem großen Aha-Erlebnis an: Beim Biss in die vegane Bratwurst habe ich nach dem Grillen auf meinem Balkon große Augen gemacht. Das war das mit Abstand beste Grillwurstersatzprodukt, das ich bisher gegessen habe. Allein hierfür werde ich wiederkommen, das steht fest.
Ähnlich positiv ist der Eindruck von der Lyoner – wobei hier der Geschmacksunterschied nicht ganz so eklatant besser ist im Vergleich zu Discounterprodukten. (Grüße an die Rügenwalder Mühle und ihren veganen Schinken-Spicker.)
Daumen hoch auch beim warmen Leberkäse, dem schon noch ein paar Prozent zum Original fehlen, der mich aber überzeugt. Wenn auf einer Skala von 0 bis 10 ein normaler Standardleberkäse eine 7 ist, dann würde ich hier eine 5,5 vergeben. Und das ist für mich allemal besser, als ganz darauf zu verzichten.
Bei anderen Produkten bin ich nicht so euphorisch. Die "sehr Grobe", der Leberwurstersatz, besteht zu rund 50 Prozent aus Kidneybohnen. Und genau so fühlt sie sich im Mund auch an, auch wenn ich den Geschmack akzeptabel finde. Die Salami schmeckt für mich nicht nach Salami. Die Ochsenfetzen sind gut, haben aber am Ende in Sachen Mundgefühl nichts mit zartem Ochsenfleisch zu tun. Und mein Grillsteak esse ich gerne, ich weiß am Ende nur nicht, wonach es eigentlich schmecken soll.
Unterm Strich bietet die vegane Fleischerei ein Konzept, das überzeugt. Nicht günstig, nicht alles perfekt – aber für mich, als Fleischesser, der sich einschränken möchte, ein Schritt in die richtige Richtung.
Nicht ganz unerheblich ist für mich persönlich ein Punkt, der banal klingt, aber doch etwas mit mir macht: die Tatsache, dass ich in eine Metzgerei laufen und meine Wurstprodukte kaufen kann. Auch, wenn sie vegan sind. Für mich fühlt sich's anders an, das zu tun, als im Supermarkt zu stehen, in dem auf einem halben Meter ein paar vegane Ersatzprodukte angeboten werden.
Meine Vermutung ist, die vegane Fleischerei ist erst der Anfang, ähnliche Angebote werden mehr und mehr kommen. Bis dahin kann ich jetzt ab und zu gezielter auf Fleisch verzichten. Und freue mich darauf, wenn die Produkte (noch) besser werden.