Der 1. FC Köln hatte sich im Endspurt der letzten Saison sehr überraschend für die Teilnahme an der Conference League qualifiziert. Die Freude unter den Fans war riesengroß und wurde im Zuge des emotional aufgeheizten Saisonfinales mit einem viel diskutierten Platzsturm gefeiert.
Am Donnerstagabend fand nun der erste Auftritt der Kölner in diesem europäischen Wettbewerb statt. Mannschaft und mehr als 8000 Fans reisten mit hohen Erwartungen, voller Neugierde und guter Stimmung nach Nizza. Auch um der Fußballwelt zu zeigen, dass der 1. FC Köln mit seiner Fankultur ein Highlight im Deutschen Fußball ist.
Dieses Vorhaben ist in weiten Teilen auch sehr eindrucksvoll gelungen, Nizza war farblich in den Kölner Farben rot und weiß gehüllt. Fans machten Stimmung, sangen und bereiteten sich – wie so oft – auf das Spiel vor. Durchaus laut und eindrucksvoll.
Bedauerlicherweise verlief diese imposante Fan-Demonstration nicht friedlich. Der WDR berichtete, dass Köln-Fans auf dem Weg zum Stadion von Nizza-Anhängern angegriffen wurden. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, Tische und E-Scooter flogen und die französische Polizei musste eingreifen. Eine vergleichsweise kleine Gruppe gewaltbereiter Anhänger überschritt bereits vor dem Spiel Grenzen, die im Umfeld von Fußballspielen unbedingt eingehalten werden müssen.
Danach schaukelte sich die Situation im Stadion derart hoch, dass es circa 50 vermummten Kölner Fans gelungen war, ihren Block zu verlassen, um die Tribüne zu stürmen, auf der sich Nizza Fans befanden. Auch hier kam es zu Gewalt, Prügeleien und absolut überflüssigen Schäden und Verletzungen.
Ein Fan war im Zuge der Auseinandersetzungen von einer Tribüne gefallen und 5 Meter in die Tiefe gestürzt. Der Rettungsdienst musste unter schwierigsten Bedingungen eingreifen, der Zustand des Verletzten wurde zunächst als kritisch angegeben, inzwischen scheint er "stabil" zu sein. Neben diesem Unfall waren während dieser unsäglichen Jagd- und Kampfszenen auf der Haupttribüne mindestens 11 weitere Verletzte zu beklagen.
Die Masse der Kölner Fans reagierte unmittelbar und beschimpfte die 50 Gewalttäter, als sie versuchten im Kölner Block unterzutauchen: "Verpisst Euch!". Auf Twitter kursierten sofort Videos und Fotos, die unmissverständlich zeigen, dass diese Form der Gewalt in der Fankultur keine Resonanz findet.
Die vom Krawall zurückkehrenden Kölner wurden aber nicht nur mit deutlichen Worten belegt, sondern teilweise bereits vor Ort von den Kölner Fans identifiziert, sodass die anstehende Strafverfolgung auf belastbares Bildmaterial zurückgreifen kann. Masken wurden heruntergerissen, Fotos geschossen und mit der Aufforderung im Netz verteilt, die Täter zu identifizieren. "Wer kennt diesen Mann?"
Die Stimmung im Köln-Block war eindeutig: Gewalt hat bei solchen Fußballfesten keinen Platz und die kleine Gruppe gewaltbereiter Kölner wurde deshalb auch konsequent ausgegrenzt. Die Masse skandierte: "Wir sind Kölner! Und Ihr nicht!" Diese Sprechchöre waren imposant und zeigten Wirkung, denn das mit einer Stunde Verspätung angepfiffene Spiel verlief ohne weitere Zwischenfälle friedlich.
Inzwischen haben sich die Vertreter der beiden Vereine, die Polizei, einzelne Spieler und Politiker zu Wort gemeldet und die Geschehnisse verurteilt. Zu Recht. Dabei wurden in den Statements immer wieder Konsequenzen und Strafen eingefordert. Bis hin zur Formel des „lebenslangen Stadionverbots“. Die Empörung ist groß und wir dürfen wohl auch diesmal erwarten, dass der 1. FC Köln eine empfindliche Strafe aufgebrummt bekommt. Wie immer in solchen Fällen.
Es ist so tragisch: Wir wissen, dass diese pauschalen und oftmals das Kollektiv und die Gemeinschaft der Fans betreffenden Strafen nichts bringen. Ich meine, wir sollten gerade jetzt der Kölner Fankultur den Rücken stärken, denn die Masse der Fans hat gestern eindrucksvoll gezeigt, wie man mit Gewalttätern im Kölner Block umgeht. Man grenzt sie aus und hilft dabei, sie zu identifizieren. Das ist der Weg, den wir in der Bekämpfung von Gewalt im Sport gehen und ausbauen müssen. Geldstrafen für den Verein oder Kollektivstrafen für die Fans bewirken gar nichts.