Die sozialpädagogische Arbeit in den Fanprojekten kostet Geld und verlangt den Mitarbeitenden Kraft, Engagement und neuerdings auch ein gewisses Risiko ab. Der DFB und die DFL teilen sich die Kosten mit den Kommunen bzw. Ländern und investieren jährlich zwischen acht und neun Millionen Euro in diese Projekte. Die Sozialpädagogen arbeiten in einem hochsensiblen Gebiet. Sie finden Zugänge zu Jugendlichen, vermitteln bei Konflikten und verhindern viele Gewaltdelikte und andere Eskalationen lange bevor sie entstehen.
In den letzten Monaten wurde die Gewaltprävention im Fußball zu einem populistischen Spielball herabgewürdigt. Anstatt die Bedingungen der wertvollen Präventionsarbeit in den Fußballstadien zu verbessern, tritt Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) den Fanprojekten von hinten in die Beine. Das Vertrauen ist dahin und ich bin mir sicher: Wir werden am kommenden Spieltag entsprechende Fanproteste in den Stadien erleben.
Kollegen des Karlsruher Fanprojekts riskierten zuletzt die Konfrontation mit der Justiz, weil sie sich weigerten, im Zuge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen im Zusammenhang mit einem Pyrotechnikvergehen aus dem Nähkästchen ihrer Beziehungsarbeit mit den Jugendlichen zu plaudern. Eine extrem unglückliche Situation.
Die drei Kollegen sollen von nun an in 90 Tagessätzen insgesamt zwischen 4050 und 6300 Euro Strafe zahlen. Die Strafe kostet aber auch Vertrauen innerhalb der Fanszenen. Mit Blick auf die Aufgaben und Leistungen der Fanprojekte wirkt dieser staatsanwaltschaftlich erzwungene Vertrauensverlust geradezu fatal.
Dieses Urteil zerstört die Vertrauensbasis zwischen Sozialarbeit und Fanszenen. Werden sich Sozialarbeiter künftig genauso verhalten wie die Kollegen des Karlsruher Fanprojekts und ihre Jugendlichen schützen? Wohl kaum. Zumindest können wir das von niemandem, der sich in diesem Feld engagiert, verlangen.
Die Botschaft der Justiz lautet: Das Auspacken und Offenlegen vertraulicher Informationen ist einfacher und kostengünstiger als diese Verschwiegenheit. Aber ohne diese Diskretion wird es zukünftig nahezu unmöglich werden, von außen in die brennenden Problemlagen der Kurven hineinzukommen, um präventiv zu arbeiten.
Das Urteil gegen die Mitarbeiter des Karlsruher Fanprojekts ist ein Schlag ins Gesicht vertrauensvoller Fanarbeit. Wenn dieser rechtliche Rahmen nicht bald im Sinne der Fanarbeit verändert wird, dann werden sich die Fans gegenüber Sozialarbeitern nicht mehr öffnen und anvertrauen und die Mitarbeiter der Fanprojekte werden gleichzeitig darauf achten, nicht mehr an vertrauliche Informationen zu kommen, die sie ja im Falle des Falles direkt an die Polizei und Staatsanwaltschaft weitergeben müssen. Selten wurde dem Wirkungsgrad von Präventionsarbeit übler in die Beine gegrätscht als in diesem Fall.
Und damit sind wir auch schon beim zweiten Punkt der aktuellen Gefechtslage zum Sicherheitsthema im Fußballstadion angelangt. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) nutze die Pressekonferenz zum umstrittenen Sicherheitsgipfel der Innen- und Sportminister am 18. Oktober für einen Frontalangriff gegen die Fanprojekte, indem er deren Wirksamkeit pauschal und ohne Grund infrage stellte.
"Sind unsere Fanprojekte und unsere Präventivarbeit eigentlich zielsicher, angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen, die wir haben? Da haben wir gewisse Zweifel." Ohne die Zweifel zu benennen oder auf eine belastbare Zahl zu bringen, forderte Schuster eine "Auswirkungsanalyse" und betonte: "Es geht nicht darum, mehr Geld einzusetzen, sondern dass die Wirkung passt."
Pikant an diesem Schachzug war außerdem die Behauptung, der DFB habe diese Frage aufgeworfen. Der in der PK anwesende DFB-Präsident Bernd Neuendorf hielt still und stellte sich nicht dagegen. Ich meine: Genauso zerstört diese Politik Vertrauen und damit Sicherheit.
Wirkungsanalysen sind wichtig und helfen dabei, die Arbeit am Sicherheitsthema voranzubringen. Allerdings muss die externe und neutrale Prüfung sowie Bewertung sämtliche Player in diesem Feld betreffen. Neben den Sozialarbeitern der Fanprojekte gilt es auch die Einsätze der Polizei sowie die dahinter stehende Politik einer ebenso gründlichen wie kritischen Evaluation zu unterziehen.
Weshalb sind die Zahlen der Polizisten, die Fußballspiele begleiten, in den letzten Jahren derart explodiert? Wer prüft hier den Wirkungsgrad der Einsatzstrategien? Welche Konsequenzen ziehen missglückte Blockstürme oder andere unverhältnismäßige polizeiliche Maßnahmen nach sich?
Ich weiß, solche Fragen sind unbequem und allein das Formulieren dieser Fragen mag beim Gegenüber als Botschaft des Misstrauens ankommen. Aus diesem Grund ergibt es Sinn, die Qualität der Wirkungsanalyse dort zu planen und zu diskutieren, wo ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um auch wirksame Evaluationsprozesse auf den Weg zu bringen. Alles andere ist – wie so oft – Populismus.