Es gab früher mal so eine Regel: "International musst du zu den deutschen Vereinen halten." Besonders bei Champions-League-Spielen des FC Bayern weigerten sich viele Fans anderer Vereine jedoch diese Regel zu befolgen. Am Donnerstagabend brauchte es keine Aufforderung, gefühlt drückte ganz Deutschland Eintracht Frankfurt die Daumen.
Die Sympathien halfen der Eintracht im Kampf ums Finale am Ende aber nicht viel: Nach dem 1:1 im Hinspiel verlor die SGE beim FC Chelsea das Rückspiel im Elfmeterschießen mit 4:3. Auch wenn sie sich davon wenig kaufen können: Die Herzen hatten die bei der Startruppe aus London mutig aufspielenden Frankfurter spätestens jetzt erobert.
Die Eintracht hatte die Sympathien aber nicht nur wegen der unermüdlichen Offensivläufe von Rebic, Jovic, Kostic und Co. oder der aufopferungsvollen Abwehrarbeit von Oldie Hasebe oder dem Maurer Hinteregger sicher.
Am meisten imponierte uns mal wieder die Leistung der tausenden Helfer neben dem Platz, die der Eintracht in jedem Spiel zur einer "12 gegen 11"-Überzahl verhalfen. Kranke Choreos, über Zehntausende Auswärtsfahrer und und und.
7 gestrige Momente offenbaren, dass die Fans der Eintracht in dieser Saison die besten in ganz Deutschland waren.
Stell dir Uli Hoeneß vor, wie er mit Tausenden Bayern-Fans unterm Eifelturm gemütlich ein Bierchen zischt....oder wie Aki Watzke mit hüpfenden Dortmundern lautstark durch die Altstadt von Madrid zieht. Ja genau, hört sich ziemlich abwegig an.
Eintracht Frankfurts Präsident Peter Fischer ist für so einen Spaß immer zu haben. Er speist vor den Spielen nicht mit anderen Funktionären, sondern gönnt sich inmitten Tausender SGE-Anhänger auch mal ein Dosenbier. Spricht für die Fans, wenn sogar der Boss mit ihnen hängen will, oder?
Auch wegen dieser Nähe zu den Fans ist er sich manchmal nicht zu schade, um die eigenen Anhänger mit schönen Fan-Parolen anzufeuern. Weitermachen!
Die obligatorische Sightseeing-Tour gehört zu jedem Auswärtsspiel im Europacup. Natürlich auch für die Frankfurter in London. Und einige von ihnen wollten unbedingt Archie besuchen. Moment. Archie? Ja, Archie.
Archie Harrison Mountbatten-Windsor, das Royal-Baby, kam diese Woche auf die Welt und ist schon jetzt eine Touristen-Attraktion. Dumm nur, dass der Kleine natürlich nicht vor dem Buckingham Palace sitzt und mit Kreide auf den Boden malt. Zumindest noch nicht. Die Frankfurter Anhänger wollten ihn trotzdem sehen und bewiesen Humor, wie man ihn nur von Fußballfans kennt: "Wir wollen das Baby sehen", skandierten die anwesenden Fans.
Wenn man über Fußball-Fans spricht, muss man leider auch über Gewalt sprechen. Nicht etwa, weil der Fußball durchzogen ist von Gewalt, vielmehr, weil die Fälle von Gewalt, die es gibt, gerne zu Staatsaffären aufgebauscht werden.
Auch die Frankfurter Fans sind keine Unschuldslämmer. Weniger wegen Gewalt, mehr wegen des Zündens von Pyrotechnik. Vor allem das hatten der Eintracht diese Saison international eine Strafe von 80.000 Euro und einen Zuschauerausschluss auf Bewährung eingehandelt.
Kurz ging beim Club die Angst um, dass man die eigene Kulisse verliert: "Wenn wir in den kommenden Wochen und der näheren Zukunft wieder Fußballfeste auf europäischem Boden mit all unserer Reiselust, Begeisterung und Kreativität feiern wollen, dürfen wir uns nichts mehr erlauben", sagte Eintracht-Vorstand Axel Hellmann Anfang des Jahres.
Die Fans kamen dem nach und verbreiteten lediglich als lautstarker 12. Mann mit Gesängen und Choreos Angst und Schrecken.
Obwohl die Gegebenheiten beim FC Chelsea ganz anders waren, als in den Spielen zuvor, sorgten die Eintracht-Fans wieder für ein lautstarkes Feuerwerk. Vor dem Spiel, über 120 Minuten während der Partie und auch danach, machten die etwa 2.300 mitgereisten Fans die Partie an der Stamford Bridge zu einem Heimspiel.
Das hörten sogar die TV-Zuschauer.
Es heißt bekanntlich: Wahre Größe zeigst du darin, wie du mit Niederlagen umzugehen imstande bist. Und die Frankfurter Fans zeigten Größe: Während die Chelsea-Fans schon auf dem Weg nach hause waren, feierten die SGE-Anhänger ihre Mannschaft im Stadion.
Und lieferten eine Packung Gänsehaut mit:
Nach dem Spiel zeigten die Fans, dass sie trotz der bitteren Niederlage nach all ihren Schäfchen schauen. Dass sie eine Einheit sind. Vor allem der Österreicher Martin Hinteregger war nach dem dramatischen Ende untröstlich. Er hatte den ersten Elfmeter für die Eintracht verschossen und den Beginn der Niederlage eingeleitet.
Mit leerem Blick stand der Abwehrspieler vor der Fankurve, als sich seine Teamkollegen trotz verpasstem Finale von den Eintracht-Fans für die wilde Fahrt durch Europa feiern ließen. Während seine Kollegen mit den Fans abklatschten, blieb er enttäuscht auf dem Feld. Am Ende winkten ihn einige Anhänger herbei. Ganz großes Fan-Kino.
Noch so ein Beweis, warum die Frankfurter Eintracht in dieser Saison so Spaß gemacht haben: Selbst die Spieler sind Fans ihrer Mitspieler. Beispiel gefällig: Wenn du schon Sekunden vor dem Tor weißt, dass dein treffsicherer Kollege das Ding reinmacht und feierst, als ob du im Block stehen würdest. So passiert beim Tor von Goalgetter Luka Jovic, der sein 27. Saisontor schoss. Neid oder Missgunst sehen anders aus.
Und für alle anderen Fans von Werder, BVB, Schalke, Dynamo Dresden oder Borussia Mönchengladbach, die jetzt total echauffiert sind: Ihr habt dann in der kommenden Saison wieder die Möglichkeit den Titel "Beste Fans der Saison" zu erkämpfen. Der diesjährige Titel ist aber sowas von vergeben.
(bn)