Mit einem Durchschnittsalter von 22,7 Jahren stellt Bayer Leverkusen eine der jüngsten Mannschaften der Frauen-Bundesliga. Sofie Zdebel ragt dabei gleich im doppelten Sinne heraus: Einerseits ist sie mit 19 Jahren besonders jung, andererseits ist sie aktuell einer der Shootingstars der Liga.
So hat sich die Mittelfeldspielerin seit Saisonbeginn in der Startelf der Werkself festgebissen, bisher jedes Spiel absolviert. Im Gespräch mit watson blickt sie nun auf ihr emotionales Debüt zurück, berichtet von Analysen ihres Vaters, der ebenfalls Bundesliga-Profi war, und äußert sich zu einem möglichen Verbandswechsel.
Watson: Sofie, du hast bereits mit 16 Jahren in der Bundesliga debütiert. Was ist dir durch den Kopf gegangen, bevor du das Feld erstmals betreten hast?
Sofie Zdebel: Ich war richtig nervös, als ich an der Seitenlinie stand. Gefühlt war ich kurz vorm Heulen. Als ich dann aber aufs Feld gelaufen bin, war es schon ein geiles Gefühl.
Konntest du es dann genießen?
Da ist die Nervosität der Freude gewichen. Das Spiel wurde noch eng. Da habe ich nicht mehr so viel über den Moment nachgedacht. Es ging dann darum, die Führung ins Ziel zu bringen.
Es ging gut aus, ihr habt damals 4:2 gegen Potsdam gewonnen. Das ist schon fast drei Jahre her. Was hat sich seither bei dir verändert?
Ich habe mich vor allem körperlich weiterentwickelt. Im Kopf bin ich auch schneller geworden. Man muss weniger nachdenken und dafür mehr machen. Insgesamt bin ich reifer geworden.
Auch lauter?
Früher wurde mir immer gesagt, dass ich lauter sein muss und mehr kommunizieren soll. Da habe ich mich sehr verbessert, jetzt ist dieses Kommunizieren für mich normal. Dass man den Nebenleuten "links" oder "rechts" zuruft. Das Feedback ist auch sehr gut.
Wo willst du noch eine Schippe drauflegen?
Eigentlich habe ich in allen Bereichen noch Luft nach oben. Ich muss präsenter sein, Elisa Senß neben mir hat etwa deutlich mehr Aktionen. Ich muss mehr Selbstbewusstsein ausstrahlen, häufiger den Ball fordern. Und dann auch im letzten Drittel mehr Gefahr ausstrahlen: gefährliche Pässe spielen, häufiger zum Abschluss kommen.
Noch wartest du auf dein erstes Profitor.
Blöde Sprüche muss ich mir bisher nicht anhören. Ich mache mir da auch keinen Druck. Natürlich ist es geil, Tore zu schießen. Aber ich spiele auf der Sechs, da decke ich andere Bereiche ab.
Auf dem Papier bist du noch ein Teenager, dennoch aber schon gut drei Jahre bei den Profis dabei. Welchen Status hast du mittlerweile innerhalb der Mannschaft?
Ich fühle mich schon als erfahrene Kraft. Es sind zuletzt einige gegangen, die länger im Verein waren. So gehöre ich jetzt schon zu denjenigen, die bereits etwas länger im Team dabei sind. Und vorher war ich hier in Leverkusen auch schon in der U17.
Als solche darf man im Namen des Teams auch Ziele äußern. Was habt ihr diese Saison vor?
Fußballerisch sind wir eine richtig gute Mannschaft und ich spüre, dass wir mehr erreichen wollen. Wir wollen den Punkteabstand verringern, der war in den letzten Jahren zum vierten Rang doch recht groß. Wir müssen uns vor den Topteams nicht verstecken. Platz vier ist unser großes Ziel.
Bevor du im Bayer-Nachwuchs gelandet bist, hast du in Jungsteams gespielt. War das eine bewusste Entscheidung?
Ich wusste früher gar nicht, dass es Mädchenvereine gibt. Meine Brüder haben bei den Jungs gespielt, in der Grundschule hatte ich ausschließlich Jungs als Freunde. So erschien es mir dann normal, in einem Jungsteam zu spielen.
Wie bewertest du diese Erfahrung rückblickend?
Das war die richtige Entscheidung, es hat mir geholfen. Viele, die es in die Nationalmannschaft geschafft haben, haben früher bei den Jungs mitgespielt. Mein Vater meinte auch, dass es sinnvoll für mich ist, so lange wie möglich dort mitzuspielen.
Dein Vater Tomasz kennt sich durchaus aus, für Bochum, Köln und Leverkusen absolvierte er über 200 Bundesliga-Spiele.
Es ist auf jeden Fall gut. Er kennt sich mit allen Dingen aus, mit denen ich zu tun habe. Ob ich nun unzufrieden auf der Bank sitze oder ob ich gerade irgendeinen Tipp brauche. Er kann mir eigentlich immer weiterhelfen.
Wie sieht euer Austausch aus?
Wenn es mir mal nicht so gut geht, merkt er das und erzählt Geschichten, wie es bei ihm früher war. Er spricht gerne einzelne Szenen aus Spielen an und sagt mir, woran ich arbeiten kann.
War dein Weg in die Bundesliga durch deinen Vater vorgezeichnet?
Mein Traum war es immer, Profifußballerin zu werden. Als Kind war ich immer im Stadion, wenn er gespielt hat. Ich hatte aber auch meinen großen Bruder als Vorbild, er hat auch lange Fußball gespielt.
War es manchmal auch nervig, einen prominenten Vater zu haben?
Viele in meinem Alter kannten meinen Vater gar nicht, weil er schon ein bisschen älter ist. Vereinzelt gab es das aber schon, dass andere auf mich zukamen und meinten "Ich kenne deinen Vater, der war doch Profi".
Gab es deswegen mal blöde Sprüche?
Es gab nie Probleme, da hat nie jemand gesagt "die spielt, weil ihr Vater Profi war".
Dein Vater ist in Polen geboren und aufgewachsen, du in Deutschland. Spürst du dennoch eine Verbindung nach Polen?
Ich sehe mich als Deutsche, weil ich hier schon mein ganzes Leben lang lebe. Meine Brüder und ich können kaum Polnisch. Früher waren wir oft bei meiner Tante in Polen.
Und heute?
Mittlerweile ist es seltener geworden. Das polnische Essen esse ich noch gerne, meine Oma und meine Mama kochen sehr gut.
Was gehört dann unbedingt auf den Tisch?
Gerade Pierogi und Rote-Beete-Suppe kann ich empfehlen.
Ein Verbandswechsel ist für dich also keine Option?
Aus Polen hatte ich bisher keine Anfrage. Ich sehe mich aber auch nicht in der polnischen Nationalmannschaft. Ich spreche die Sprache kaum und fühle mich in Deutschland sehr wohl.
In den Juniorinnen-Nationalteams bist du seit 2018 dabei.
Ich habe hier beim DFB Freundinnen seit der U15, das ist wie eine Familie für mich. Da habe ich bisher nie an einen Wechsel gedacht.