Ex-Nationalspieler in der 3. Liga – jetzt muss der DFB endlich handeln
Sturm an der Bremer Brücke. Die Fans des VfL Osnabrück fiebern diesem Heimspiel wohl schon die ganze Saison entgegen: Die glorreiche Zweitvertretung der TSG Hoffenheim reist am 11. Spieltag nach Niedersachsen. Alles ist vorbereitet, die Stadt wird aus allen Nähten platzen.
"Wenn so eine Mannschaft mal im Norden spielt, nehme ich den Weg gern auf mich", sagt Bernd aus Lüneburg, den es zufällig doch gar nicht gibt. Denn niemand reist quer durchs Land, um Hoffenheim II zu sehen, das macht ja auch schon kaum jemand bei der ersten Mannschaft.
Hoffenheim schickt zwei Profis zur zweiten Mannschaft
Und bei allem Respekt: In Osnabrück wird Fußball gelebt, die Bremer Brücke ist ein magischer Ort, vor allem dann, wenn echte Traditionsduelle anstehen. Das Spiel gegen Hoffenheim II ist jedoch aus Fansicht fast völlig bedeutungslos, und aus sportlicher Sicht schlicht unfair.
Denn wie der "Kicker" berichtet, wird die Zweitvertretung des Dietmar-Hopp-Klubs am kommenden Spieltag mit Mërgim Berisha und Dennis Geiger auflaufen.
Zusammen kommen die beiden auf 169 Bundesliga-Einsätze, Berisha stürmte sogar schon für die deutsche A-Nationalmannschaft. Für den VfL Osnabrück, der im Aufstiegsrennen jeden Punkt braucht, bedeutet das eine Aufgabe, die andere Konkurrenten wie Energie Cottbus oder Viktoria Köln so nicht zu bewältigen hatten. Das ist nichts anderes als pure Wettbewerbsverzerrung.
DFB: Konzept der zweiten Mannschaften geht nicht auf
Dass Zweitvertretungen den Wettbewerb verzerren, ist kein neues Phänomen. Spieler aus der ersten Mannschaft brauchen nach einer Verletzung Spielpraxis? Ab in die Zweite. Die Reserve steckt im Abstiegskampf? Schnell ein, zwei Profis herunterziehen.
Ja, der Ausbildungszweck, den die Vereine gern als Argument vorschieben, ist nachvollziehbar. In der Praxis aber bleibt es nie bei einem festen Kader junger Talente. Die Mannschaften rotieren beliebig, mal mit Nachwuchs, mal mit Profis aus der Ersten. Das ist schlicht unfair und darf niemals über dem Gedanken sportlicher Chancengleichheit stehen.
Die Wettbewerbsverzerrung durch Zweitvertretungen hat aber auch andere Ursachen. Es geht nicht nur um die kurzfristige Unterstützung durch Profis aus der Ersten, sondern auch um ganze Jahrgänge, die für eine Saison alles dominieren und danach verschwinden.
Das wohl deutlichste Beispiel: Bayern München II. In der Saison 2019/20 wurde die Mannschaft mit einem außergewöhnlich starken Jahrgang Meister der 3. Liga.
Ein Team ohne eigenes sportliches Ziel.
Ein kurzer Blick auf die Namen: hinten rechts verteidigte Josip Stanisic, in der Innenverteidigung spielte Chris Richards (heute Crystal Palace), im Mittelfeldzentrum dirigierte Nationalspieler Angelo Stiller und in der Offensive wirbelten Malik Tillmann (heute Leverkusen), Nicolas Kühn (heute FC Como) und Joshua Zirkzee (Manchester United).
Und immerhin acht Spiele für die Mannschaft, die damals von Sebastian Hoeneß trainiert wurde, machte Jamal Musiala. Alphonso Davies kam auf drei Einsätze.
Für den Wettbewerb war das trotzdem fatal: Eine Reserve, die nicht aufsteigen darf, mischte mit einem Ausnahmekader die Liga auf und verzerrte so das Kräfteverhältnis. Nur ein Jahr später folgte der Abstieg in die Regionalliga. Dieses extreme Auf und Ab zeigt, wie sehr die Qualität solcher Teams schwankt und zudem, wie schwer das für Vereine ist, die sich über Jahre hinweg sportlich stabil entwickeln müssen.
DFB ist gefordert: Talentförderung muss anders stattfinden
Der eben genannte Ausbildungszweck, den die Vereine gern ins Feld führen, klingt auf dem Papier nachvollziehbar – schließlich schaffen nicht alle Talente sofort den Sprung zu den Profis. In der Praxis bleibt er aber eine Illusion. Junge Spieler sollen im Männerfußball lernen, sich zu behaupten, doch wer das Potenzial für ganz oben hat, schafft es meist ohnehin direkt zu den Profis.
Und wer das Talent zwar besitzt, aber noch nicht konstant abrufen kann, entwickelt sich in den rauen Dritt- oder Viertligaduellen selten wirklich weiter. Im Gegenteil: Der körperlich geprägte, häufig destruktive Fußball steht einer nachhaltigen Ausbildung eher im Weg.
Jürgen Klopp gilt daher schon länger als klarer Befürworter einer eigenen Nachwuchsliga. Gegenüber der "Welt am Sonntag" sagte er: "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in Deutschland eine eigene U-21-Liga brauchen."
In England hat Klopp das System bereits kennengelernt. Die dortige Premier League 2 gilt inzwischen als Erfolgsmodell. Junge Spieler sammeln auf hohem Niveau Spielpraxis, ohne dass sie in den regulären Profiligen für Verzerrung sorgen.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Talente treten gegen Gleichaltrige an, die körperlichen Voraussetzungen sind vergleichbar, und der Druck bleibt dennoch hoch.
Gleichzeitig bleiben die Profiligen sportlich fair, ohne Rotationsprofis oder taktische Personalwechsel zwischen erster und zweiter Mannschaft. Ein Modell, das auch in Deutschland funktionieren könnte, würde man den Mut aufbringen, sich vom bisherigen System zu lösen.
3. Liga: Zweitvertretungen blockieren Plätze
Doch während in England die Nachwuchsförderung in einer eigenen Liga organisiert wird, blockieren in Deutschland die Zweitvertretungen wertvolle Plätze im Profifußball.
In den Regionalligen warten längst Vereine, die für Tradition, Leidenschaft und gelebte Fankultur stehen, und damit das Rückgrat des deutschen Fußballs bilden.
Allein in der Regionalliga Nordost haben sieben Klubs, die dort zudem gegen andere Zweitvertretungen antreten, einen Zuschauer:innenschnitt von über 5000. Bei Stuttgart II sind es in der 3. Liga dagegen nicht einmal 1000.
Und das in einer Liga, die eigentlich für genau das Gegenteil steht: für Emotionen, volle Stadien und ehrlichen Fußball. In der vergangenen Saison knackte die 3. Liga mit Traditionsvereinen wie Dresden, Bielefeld oder Aachen die Marke von vier Millionen Stadionbesucher:innen – ein Beweis, wie lebendig die Fankultur hierzulande ist.
Zweitvertretungen dagegen passen in dieses Bild kaum hinein. Sie agieren mit ganz anderen finanziellen Mitteln, profitieren von der Infrastruktur ihrer Mutterklubs und ziehen trotzdem kaum Zuschauer:innen an.
Deshalb müssen sie aus den Profiligen ausgeschlossen werden. Natürlich muss man dabei Strukturen schaffen, die für alle funktionieren. Eine eigene U-21-Liga nach englischem Vorbild wäre dafür der logische Schritt: ohne Benachteiligung der Traditionsklubs, ohne verzerrte Aufstiegsrennen oder Abstiegskämpfe und ohne leere Tribünen.
Denn der deutsche Fußball lebt von Leidenschaft, Identifikation und Fankultur, nicht von Reserveteams ohne echte Bindung. Wer den Wettbewerb ernst nimmt, muss den Mut haben, sie auszuschließen. Denn solange Zweitvertretungen die Profiligen bevölkern, bleibt der sportliche Wettbewerb verzerrt – und der Fußball verliert ein Stück seiner Glaubwürdigkeit.