Der FC Bayern hat am Samstag durch das 3:3 bei RB Leipzig den mathematisch letzten Schritt zur deutschen Meisterschaft verpasst. Der Titel ist dem FCB aber quasi kaum noch zu nehmen, weil Leverkusen bei drei ausstehenden Spielen neun Punkte und 30 Tore Rückstand hat.
Nach der titellosen Vorsaison dürfen die Münchener in dieser Saison also wieder etwas feiern. Dabei blieb der FCB im DFB-Pokal einmal mehr weit hinter den Erwartungen, in der Champions League schieden die Bayern zudem im Viertelfinale aus.
Wie also ist die Saison zu bewerten? Reicht der Meistertitel für ein erfolgreiches Jahr oder überwiegen doch die Enttäuschungen? Die beiden watson-Sportredakteure Jan Schultz und Lukas Grybowski wiegen ab.
von Jan Schultz
Ganz nüchtern betrachtet hat der FC Bayern im ersten Jahr unter Vincent Kompany eine bessere Saison gespielt als 2023/24 unter Thomas Tuchel. In beiden Spielzeiten stehen nach aktuellem Stand wettbewerbsübergreifend exakt 49 Spiele zu Buche. Diese Saison hat der FCB zwei Partien mehr gewonnen, fünf weniger verloren, zwölf Tore mehr erzielt und acht Gegentore weniger kassiert.
Dass nach dem titellosen Vorjahr mit der Meisterschale nun wieder eine Trophäe herausspringt, ist die logische wie verdiente Konsequenz.
Anders als zwischen 2013 und 2023, als die Bayern elf Meisterschaften in Folge einfuhren, war der Titel diesmal keine Selbstverständlichkeit. Bayer Leverkusen hat sich nach der fabulösen Vorsaison angeschickt, die Münchener in diesem Jahr mit einem erneuten Titelgewinn endgültig vom nationalen Thron zu stoßen. Kompany und die Bayern aber blockten dieses Vorpreschen eindrucksvoll ab.
Gerade in der Champions League – also da, wo ganz Europa zugeschaut hat – wies der FC Bayern den aufmuckenden Konkurrenten in die Schranken. Nach Hin- und Rückspiel stand ein krachender 5:0-Erfolg. Eine echte Machtdemonstration, die Leverkusen in dieser Saison gebrochen hat. Die Münchener bleiben Deutschlands Nummer Eins, nicht wenige Experten hatten das noch vor der Saison angezweifelt.
Zweifel hatte es nach der langen Trainersuche auch am unerfahrenen Vincent Kompany gegeben, schnell aber verwandelte der Belgier seine Kritiker:innen in Fans. Lothar Matthäus fühlte sich ob des dominanten Spielstils wieder an Pep Guardiola erinnert. Die Begeisterung schwappte über weite Strecken der Saison auch auf die Fans und, womöglich noch wichtiger, auf die Spieler über.
Die Kabine, die beim FC Bayern seit Jahren als so schwer zu führen gilt und schon bei mehreren Trainerentlassungen eine entscheidende Rolle gespielt haben soll, steht voll hinter Kompany. Thomas Müller sprach bei "Bundesliga.de" kürzlich von der "richtigen Richtung" und dass der Klub nun mal wieder ein "harmonisches Bild" abgeben würde. Er muss es wissen.
Dazu trägt Kompany ganz entscheidend bei. Der Trainer konzentriert sich auf sportliche Themen, Nebenkriegsschauplätze gibt es mit Ausnahme der üblichen Transfer- und Vertragsdebatten kaum. "Es gibt weniger Schlagzeilen über ihn, sondern über die Mannschaft", lobte Matthäus unlängst bei "sport.de".
All das summiert sich bereits zu einem vielversprechenden Fazit für diese Saison auf – aber darüber hinaus wird es sogar noch besser. Denn was Kompany anfangs als Schwäche ausgelegt wurde, ist perspektivisch eine Stärke: Er steht noch am Anfang seiner Trainerkarriere, er lernt selbst noch. Er wird noch besser.
Der FCB-Coach hat diese Saison auch Fehler begangen, zeigt sich aber als akribischer Arbeiter. Kompany saugt neue Erfahrungen auf wie ein Schwamm, lebt seinen Spielern die richtige Arbeitseinstellung vor, lässt ihnen dem Vernehmen nach aber auch Freiräume. "Ich denke, dass es eine Aufbruchsaison in die richtige Richtung ist", sagt Thomas Müller. Case closed.
von Lukas Grybowski
Ja, Vincent Kompany hat mit dem FC Bayern mehr Punkte geholt als sein Vorgänger Thomas Tuchel im vergangenen Jahr. Die Mannschaft erzielte zudem mehr Tore und bekam weniger Gegentreffer. Zudem konnte Kompany mit seiner Art für mehr Harmonie sorgen als Vorgänger Thomas Tuchel, der mit seiner öffentlichen Kritik an Klub und Spielern immer wieder aneckte. Als Erfolg darf diese Saison jedoch nicht gewertet werden. Nur mit dem Bundesliga-Titel ist es beim FC Bayern nie eine gute Saison. Denn wenn gute Stimmung das einzige Erfolgskriterium ist, werden die Bayern nie wieder die Champions League gewinnen.
Und seien wir mal ehrlich: Die gute Stimmung bekam in dieser Saison schon zahlreiche Dämpfer. Auch wenn der Trainer alles versuchte, war das Miteinander von viel Unruhe und äußeren Einflüssen (liebe Grüße an Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge) geprägt. Allen voran natürlich durch die monatelangen Debatten um die Verlängerungen von Kimmich, Musiala, Davies und Neuer. Hinzu kommt die wenig glanzvolle Kommunikation rund um das Ende von Thomas Müller.
Und auch auf dem Platz folgte auf einige Partys das ganz böse Erwachen. Das 1:4 in Barcelona, das 0:3 in Rotterdam, das erneut frühe Pokal-Aus gegen Leverkusen samt 0:0 in der Bundesliga, wo das Team so unterlegen wie noch nie war. Hinzu kommt nicht nur ein Wackel-Sieg in der Liga. Wirklich souverän war das immer nur phasenweise. Hätte Leverkusen Mitte der Hinrunde nicht dreimal in Folge Unentschieden gespielt, wäre Bayer erneut vor den Bayern. Und Kompany womöglich schon wieder arbeitslos.
Zudem hat es der Trainer nicht geschafft, auch nur einen Spieler weiterzuentwickeln. Musiala und Kane sind eh schon Weltklasse und Michael Olise auf einem guten Weg dahin, aber ansonsten gibt es Baustellen über Baustellen.
Kim und Upamecano blieben in der Defensive wackelig. Dass er am Duo trotz haarsträubender Fehler festhielt, ist beachtenswert, sorgte jedoch für noch mehr Diskussionen. Coman, Gnabry und allen voran Leroy Sané waren die gesamte Saison konstant unkonstant – auch wenn das Trio bereits einige Bayern-Trainer ratlos zurückließ. Joao Palhinha, im Sommer immerhin für 50 Millionen Euro verpflichtet, spielt beim Belgier gar keine Rolle und ist in der Rangordnung sogar hinter den eigentlich ungewollten Leon Goretzka zurückgefallen. Das muss der Trainer schnellstmöglich in den Griff bekommen, ansonsten droht eine düstere Zukunft.
Die Bayern standen zuletzt in der Saison 2019/20 im DFB-Pokal-Finale. In der Champions League war viermal im Viertelfinale und vergangene Saison unter Tuchel im Halbfinale Schluss. Und genau diese Wettbewerbe werden der Maßstab für Kompanys zweite Saison sein.