Auch nach 20 Jahren ist das Dschungelcamp noch immer die beliebteste Reality-Show im deutschen Fernsehen. Was eine EM oder WM für die einen ist, ist "IBES" im Januar für die anderen. 2024 gibt es eine zusätzliche Staffel im Sommer, da das Format sein großes Jubiläum feiert – doch war die Entscheidung wirklich so gut?
Mehrere Faktoren lassen "Ich bin ein Star – Showdown der Dschungel-Legenden" jedenfalls weniger attraktiv als das Original erscheinen. Mit Blick auf den kommenden Januar ist RTL womöglich ebenfalls ein großes Risiko eingegangen.
Die Sommer-Staffel spielt nicht in Australien, sondern in Südafrika. Bereits vor Wochen wurden die Folgen aufgezeichnet, was wiederum Folgen für die Fans hat: Das Publikum kann diesmal nicht bestimmen, wer die Prüfungen absolvieren oder die Show verlassen muss.
Dabei macht das maßgeblich den Reiz des Dschungelcamps aus: Die Zuschauer:innen entscheiden über das Schicksal der Promis. Sie haben auch die Macht, die Stars zu bestrafen, indem sie etwa eine Person mehrfach hintereinander in Prüfungen wählen. Wenn sich nun aber die Kandidat:innen gegenseitig nominieren, ist das irgendwie witzlos.
In den vergangenen Tagen haben fast alle Promis ein falsches Spiel gespielt. Mola Adebisi ließ erkennen, dass er es sich mit niemandem im Camp verscherzen will – denn er möchte ja gewinnen beziehungsweise nicht nominiert werden. Er selbst nominierte Giulia Siegel, weil er ihr etwas Gutes tun wollte – ihr Husten bereitete ihm vorgeblich Sorgen. Viel peinlicher wird es nicht mehr ...
... oder doch? Schließlich ist da noch Thorsten Legat, der sich im Dschungel eigentlich von einer anderen Seite zeigen wollte, diversen Kandidatinnen Honig um den Mund schmierte und sich dann kläglich als Manipulator und Stratege versuchte. Die Quittung für seine Ego-Show: der Rauswurf.
Die Bedrohung durch die anderen Promis ist für die Camper näher als die Bedrohung durch das "gesichtslose" Publikum in Deutschland, nicht nur räumlich. In all den Jahren davor gab es jedenfalls weniger nerviges Geschleime und allzu durchsichtiges Taktieren.
Die Folgen der Sommer-Staffel landen zunächst bei RTL+ im Stream, erst 24 Stunden später erfolgt die Ausstrahlung im linearen Programm. Ob sich RTL damit einen Gefallen getan hat: fraglich. Der Sender möchte seinen Streaming-Dienst stärken, was einerseits nachvollziehbar ist. Doch sollte ausgerechnet eines der beliebtesten TV-Formate dort als Premiere abgeladen werden?
Die "Zerstückelung" führt insbesondere dazu, dass der Event-Charakter von "IBES" verlorengeht. Der eine schaut die neuen Folgen direkt abends im Stream, jemand anderes guckt das Dschungelcamp weiter im TV, ein Dritter wartet vielleicht erst einmal mehrere Tage ab und startet dann einen Binge-Marathon auf RTL+. Die Fans sind also nicht alle auf dem gleichen Stand.
Diskussionen um die großen Themen der Show finden als Konsequenz daraus entweder versetzt oder gar nicht statt. An der Tagesordnung stehen vielmehr Fan-Dialoge wieder dieser:
Anders gesagt: RTL glaubt, sich mit der neuen Release-Strategie etwas Gutes zu tun, in Wahrheit aber erweist der Sender seiner Kult-Show einen Bärendienst. Ein paar hundert neue Streaming-Abos helfen RTL in diesem Fall wohl nicht dauerhaft, wenn im Gegenzug das Dschungelcamp an Relevanz verliert.
Der Blick auf die Quoten belegt tatsächlich: Die Sommerausgabe wird im TV im Allgemeinen weniger geschaut als die regulären Staffeln. Wie "DWDL" berichtet, tat sich "IBES" am vergangenen Wochenende gegen "Schlag den Star" (ProSieben) und "Die Giovanni Zarrella Show" (ZDF) schwer.
Das ist nicht der Anspruch von RTL. Vielmehr wird erwartet, dass das Dschungelcamp der Konkurrenz davonrennt.
Schon jetzt sollte außerdem an das nächste Dschungelcamp im Januar gedacht werden. Innerhalb von zwölf Monaten wird das Publikum mit drei Staffeln konfrontiert, und womöglich ist selbst das Dschungelcamp nicht vor einem Übersättigungseffekt gefeit. Eben dieser wurde in den letzten Jahren unter anderem dem einstigen ProSieben-Aushängeschild "The Masked Singer" zum Verhängnis.
In jedem Fall wäre der Sender gut beraten, im Januar wieder voll auf die TV-Ausstrahlung zu setzen – sonst geht ein Kult-Format vielleicht bald endgültig in Fischabfällen baden.