In den weltweiten Netflix-Charts steht "Jennifers Tat" auf Platz eins. In Deutschland schaffte es der Film auf den zweiten Rang, insgesamt wurde er bislang 18 Millionen Mal angesehen. Die Kritiken sind höchstens mittelmäßig, aber das ist eher unerheblich, denn "Jennifers Tat" erzählt einen True-Crime-Fall nach – und True-Crime funktioniert bei Netflix immer. Hauptsache, es knallt.
Nun scheint es jedoch, als hätte Netflix beziehungsweise die Produktions-Crew hinter der Doku bei "Jennifers Tat" etwas nachgeholfen. In dem Film sollen Bilder verwendet worden sein, die von einer Künstlichen Intelligenz erstellt wurden.
Die Anschuldigungen sind brisant: Schon in der Vergangenheit musste sich etwa Disney für ein KI-generiertes Intro in der Serie "Secret Invasion" kritisieren lassen. Vor Kurzem wurde bekannt, dass das Studio A24 für den Film "Civil War" KI-generierte Poster veröffentlichte.
Die Vorwürfe gegen Netflix und "Jennifers Tat" haben eine andere Größenordnung als diese Fälle. Sie verleihen der Diskussion um die Verwendung von KI in Filmproduktionen eine neue Dimension.
In "Jennifers Tat" geht es um den Fall Jennifer Pan. Die Kanadierin wurde 2010 wegen Auftragsmords (beziehungsweise dem Versuch) an ihren Eltern verurteilt. Ihre Mutter starb an den Folgen, ihr Vater wurde schwer verletzt. In der Doku wird ein Schulfreund von Pan befragt, er beschreibt die junge Jennifer als "temperamentvoll, fröhlich, selbstbewusst und sehr authentisch".
Während dieser Beschreibung blendet die Doku zur Untermalung drei Bilder ein, die Jennifer Pan als, nun ja, temperamentvoll, fröhlich, selbstbewusst und sehr authentisch darstellen.
Die zwei letzten Bilder, das analysierte als erstes die US-Seite "Futurism", sollen von einer KI komplett erstellt oder manipuliert worden sein. Auch auf das Thema spezialisierte Tech-Seiten wie "Peta Pixel" griffen den Bericht auf. Verifiziert werden, konnte die Verwendung von KI in dem Film bislang aber nicht. Netflix reagierte noch nicht auf die Vorwürfe.
Aktuell gehen die Vorwürfe lediglich zurück auf etliche "Red Flags", also klassische KI-Merkmale in den Bildern:
Es könnte sich nur um inkompetente Bildbearbeitung handeln. Die Masse an Merkmalen deutet aber in der Tat auf KI-Verwendung hin. Und das wäre ein starkes Stück.
Falls die Anschuldigungen zutreffen, dann haben die Produzent:innen sich nicht nur aus Zeit- oder Kostengründen Arbeit von einer KI abnehmen lassen. Sie wollten mithilfe von KI ein reißerisches Narrativ kitten: Die fröhliche, freundliche, sympathische Schülerin, die durchdreht und die Ermordung ihrer Eltern in Auftrag gibt.
Womöglich konnte die Crew keine "Beweisfotos" für das beschriebene Wesen der Frau finden – und ließ sie sich deshalb von einer KI anfertigen. Das wäre eben nicht nur geschmacklos und faul, wie in den Beispielen von Disney und A24. Es widerspricht journalistischen Standards, auf die sich auch unterhaltende True-Crime-Dokus berufen.
Sollten die Vorwürfe weiteren Prüfungen standhalten, steht Netflix vor einem gewaltigen Problem. Eine in dieser Form bearbeitete Dokumentation hätte auf einer Streaming-Plattform nichts zu suchen.