Bushido selbst war am 33. Verhandlungstag nicht anwesend, er befindet sich mittlerweile im Urlaub (Archivfoto).Bild: dpa / Sebastian Willnow
Vor Ort
29.04.2021, 12:4321.06.2021, 16:09
Als Arafat Abou-Chaker und seine Brüder am Mittwochmorgen zum 33. Prozesstag vor dem Berliner Landesgericht erscheinen, hat der Andrang vor dem Gerichtssaal deutlich abgenommen. Während man zu Prozessbeginn im August letzten Jahres früh aufstehen musste, um überhaupt einen Platz im Zuschauerraum zu ergattern, interessieren sich nunmehr eine Handvoll Menschen für das, was hier verhandelt wird. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass der prominenteste Zeuge vorerst aus dem Zeugenstand entlassen wurde. Bushido hat sich mittlerweile eine Auszeit gegönnt und verweilt im Urlaub. Nachdem er in 25 Verhandlungstagen ausführlich ausgesagt hatte, kann er erstmal durchatmen. An der Brisanz des Mammutprozesses ändert das nichts.
Die Angeklagten v.li. Rommel Abou-Chaker, Nasser Abou-Chaker und Arafat Abou-Chaker erscheinen vor Gericht (Archivfoto).Bild: www.imago-images.de / Olaf Wagner
In den letzten beiden Verhandlungstagen hatte die ehemalige Sekretärin Caro W. ausgesagt. Mittlerweile arbeitet sie nur noch für Arafat, nachdem sie von Bushido 2018 entlassen wurde. Nun sollte die Polizeibeamtin Nina E., die Aussagen von Caro W. im Zeugenstand bestätigen. Sie hatte die ehemalige Büroangestellte damals vernommen.
Darum geht es im Prozess
Laut Anklage soll es zu Straftaten gekommen sein, nachdem Bushido 2017 die geschäftlichen Beziehungen auflösen wollte. Abou-Chaker habe dies nicht akzeptieren wollen und von Bushido eine Millionen-Zahlung sowie die Beteiligung an dessen Musikgeschäften für 15 Jahre gefordert, heißt es in der Anklageschrift. Der Rapper sei bedroht, beschimpft, eingesperrt und verletzt worden. Die Brüder im Alter von 39, 42 und 49 Jahren sind als Gehilfen oder Mittäter angeklagt.
Drei Vorwürfe in der Vernehmung – nur einer wird nun vor Gericht verhandelt
Konkret soll W. zu drei Vorwürfen befragt worden sein. Im ersten Fall ging es um Anschlagspläne mit einer Schusswaffe auf die Rapper Farid Bang und Kollegah sowie auf Bushido und Veysel K., die Arafat in Auftrag gegeben haben soll. Veysel K. gilt als langjähriger Freund Arafats, der sich im Streit zwischen dem Rapper und dem Musikmanager auf die Seite von Bushido schlug. Mittlerweile wurde er zum Ärger des Richters wegen zahlreicher anderer Delikte in die Türkei abgeschoben. Er hätte auch für den aktuellen Prozess ein wichtiger Zeuge sein können. Die Staatsanwaltschaft geriet zuletzt in Erklärungsnot, wie es zu der Abschiebung trotz des laufenden Verfahrens kommen konnte. Die ehemalige Büroangestellte W. konnte jedenfalls zu den mutmaßlichen Anschlagsplänen keine Auskunft geben.
Im zweiten Fall geht es um die angeblich geplante Entführung von Bushidos Ehefrau Anna-Maria Ferchichi und ihren gemeinsamen Kindern. Arafat soll dafür bereits Personal rekrutiert haben und bereit gewesen sein, bis zu 60.000 Euro zu zahlen. Nur weil Anna-Maria eine Warnung aus dem Umfeld Arafats erhalten habe, habe sie sich und ihre Kinder rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Seitdem steht die Familie unter Polizeischutz. Auch von diesen Vorwürfen habe W. nichts mitbekommen. Ermittlungen zu dieser Sache wurden übrigens eingestellt, nachdem die einzige Zeugin ihre Aussage zurückgezogen hatte.
Einzig und allein das dritte Thema der Vernehmung wird aktuell vor Gericht aufgearbeitet. Arafat soll Bushido im gemeinsamen Büro eingesperrt, bedroht, beleidigt und attackiert haben. Doch auch hierzu konnte W. keine nennenswerte Erkenntnisse beitragen. Sie betonte lediglich, dass sie es für "Blödsinn" halte, dass Bushido eingesperrt worden sei, da es "normal" sei, dass die Tür zum Büro abgeschlossen war. Die Polizeibeamtin E. bestätigte nun nochmal vor Gericht, dass W. keine weiteren Angaben zu dem "Vorfall" machen konnte.
Kein "Vorfall", sondern "Vorwurf"
Doch genau an dieser Formulierung störten sich nun die Anwälte der Abou-Chakers. Es ist eine Formulierung, die durchaus problematisch ist und für den Prozess noch relevant sein könnte. Denn ob es diesen Vorfall überhaupt gab, wird ja gerade erst vor Gericht geklärt. Solange ist es ein mutmaßlicher Vorfall oder ein Vorwurf. Die Verteidigung bestand immer wieder auf diese kleinlich wirkende Unterscheidung, denn dahinter steckt eine wichtige Frage: Wie groß ist die Nähe von Bushido zur Staatsanwaltschaft und zur Polizei?
Der Eindruck, der auch an diesem Verhandlungstag von der Verteidigung befeuert wurde: Bushido wird von der Polizei und der Staatsanwaltschaft als eine Art Kronzeuge eingespannt, um endlich einen Schlag gegen die sogenannte Clan-Kriminalität verzeichnen zu können. Das gehe auf Kosten der Neutralität. So sei schon zu Beginn der Vernehmung der Ex-Sekretärin suggeriert worden, dass es diesen "Vorfall" im Büro gegeben habe, obwohl es dafür bisher keine Beweise, sondern nur die Aussagen von Bushido und Anna-Maria gab.
An dieses Narrativ knüpfte auch einer der Anwälte der Abou-Chakers an, als er die Polizeibeamtin E. fragte, ob man der Zeugin W. bei der polizeilichen Vernehmung etwas zu trinken und zu essen angeboten habe. Diese antwortete, sich nicht daran erinnern zu können. Hintergrund der banalen Frage ist, dass die Polizeibeamten Bushido bei seinen Vernehmungen Kaffee und Kekse angeboten haben sollen. Für die Verteidigung ist das ein kleines, aber relevantes Indiz für die Bevorzugung des Zeugen Bushido.
Bushidos Verhältnis zur Staatsanwaltschaft
Auch Oberstaatsanwältin Leister musste sich vor Gericht schon für ihr vermeintlich freundschaftliches Verhältnis zu Bushido rechtfertigen. Laut Kenntnisstand der Verteidigung soll es an einem Samstag kurz vor Weihnachten 2018 zu einem Treffen zwischen der Staatsanwältin und Bushido gekommen sein. Somit habe das Treffen außerhalb der üblichen Dienstzeiten stattgefunden. Sollte sich bestätigen, dass beide miteinander befreundet sind, wäre das ein Bruch der Verfahrensregeln. Oberstaatsanwältin Leister und Bushido wiesen diese Darstellung allerdings zurück.
Auch wenn diese vermeintlichen Kleinigkeiten am Ende für die Gesamtbewertung des Gerichts nicht relevant sein sollten, verfestigt sich der Eindruck, dass Staatsanwaltschaft und Polizei viele Mittel recht sind, um einen juristischen Erfolg gegen Arafat als vermeintliches Symbol für Clan-Kriminalität einzufahren. Oberstaatsanwältin Leister ist im Berliner Landgericht zuständig für organisierte Kriminalität und hat sich dem Kampf gegen kriminelle Mitglieder bekannter Großfamilien verschrieben.
Wie schwer die Vorwürfe gegen Arafat Abou-Chaker und seine Brüder wirklich wiegen, lässt sich auch nach acht Monaten und 33 Verhandlungstagen kaum bemessen. Viele Beobachter gehen davon aus, dass sich das mit der Zeugenaussage von Anna-Maria ändern könnte. Sie gilt als Schlüsselfigur und wichtige Zeugin im Prozess. Sie soll Bushido damals überredet haben, zur Polizei zu gehen und die treibende Kraft hinter der Trennung von Arafat gewesen sein. Wann sie vor Gericht erscheinen wird, steht noch nicht fest. Am kommenden Montag (3.5.) geht es zunächst weiter mit der Zeugenbefragung weiterer Polizeibeamter.
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