Dass die Social-Media-App Tiktok regelmäßig fragwürdige Trends hervorbringt, ist mittlerweile keine Überraschung mehr. Manchmal sind es zweifelhafte Tipps für eine vermeintlich gesunde Ernährung, die die Gemüter erhitzen. Andere Male ziehen Challenges massive Kritik auf sich, bei denen körperliche oder legale Grenzen überschritten werden.
Ein Trend, der insbesondere in den vergangenen Wochen für Aufregung gesorgt hat, war Skinnytok. Unter diesem Hashtag fanden sich auf Tiktok bislang viele Videos, in denen extrem dünne Körper glorifiziert und teils auch gefährliche Diätpraktiken verbreitet wurden. Vor allem junge Frauen teilten "Tipps", mit denen man angeblich schnell "skinny", also dünn, werden könnte.
Das gleiche einer Werbekampagne für Magersucht, lautete die Kritik. Die Empörung war und ist groß. Charlyne Buigues wollte es dabei aber nicht belassen. Die französische Krankenschwester arbeitet in einer Klinik, in der sie täglich mit den Folgen von Essstörungen bei Jugendlichen konfrontiert wird.
Deshalb startete sie eine Petition mit dem Titel "Stop Skinnytok", in der sie unter anderem strengere Maßnahmen gegen solche gefährlichen Trends forderte. Nach breiter Unterstützung aus dem Internet übergab Buigues die Petition dem französischen Ministerium für digitale Medien. Das war vor etwa vier Wochen. Und nun kann sich die Krankenschwester mit ihren Mitstreiter:innen über einen ersten Erfolg freuen.
Tiktok hat nämlich bekannt gegeben, dass das Unternehmen von nun an Suchergebnisse für #skinnytok blockieren werde, wie das Online-Portal "Heise" berichtet. Der Hashtag sei "mit ungesunden Inhalten zur Gewichtsabnahme verknüpft", hieß es demnach von einem Unternehmenssprecher.
Wenn man nun das Schlagwort eingibt, erscheinen keine Videos, sondern ein Text, der mit "Du bist nicht allein" überschrieben ist. Darunter ist zu lesen: "Wenn du Fragen zur Körperwahrnehmung, zum Essen oder zu körperlicher Betätigung hast oder jemanden kennst, der solche Fragen hat, ist es wichtig, dass du Folgendes weißt: Es gibt Hilfe und du bist nicht allein."
Über einen Link gelangt man auf eine Seite, die als "Sicherheitszentrum" deklariert ist und Informationen zu Essstörungen anbietet. Darunter wird unter anderem beantwortet, wie man eine Essstörung erkennt und wie man Betroffenen helfen kann.
"Heise" berichtet, dass die französische Digitalministerin, Clara Chappaz, die Entscheidung Tiktoks als "gemeinsamen Sieg" feierte. Nach zweimonatiger Überzeugungsarbeit, samt Petition und einem Treffen mit Tiktok-Vertreter:innen Anfang Mai in Dublin, sei Skinnytok nun beendet.
Zuvor hatten schon andere EU-Länder Druck auf den chinesischen Betreiber der Social-Media-App ausgeübt.
Was nun als großer Erfolg gefeiert wird, ist bei genauerem Hinsehen aber nur eine kosmetische Lösung für das Problem problematischer Inhalte. Wer nämlich statt "skinnytok" beispielsweise einfach "skinnytok motivation" sucht, bekommt zahlreiche Videos angezeigt, in denen junge Frauen darüber sprechen, wie man diesen Sommer am besten dünn wird oder warum man unbedingt ein "skinny girl mindset" braucht.
Die Blockierung des Schlagwortes lässt sich also sehr leicht umgehen. So können Tiktoker:innen, die von dem Trend profitieren, weiterhin entsprechende Videos posten. Und die Jugendlichen und jungen Menschen, die zu Magersucht neigen oder schon daran erkrankt sind, haben weiter Zugang zu den gefährlichen Inhalten.
Dessen scheint sich auch die französische Digitalministerin Chappaz bewusst zu sein. Auf X schreibt sie nach der Entscheidung von Tiktok: "Der Kampf zum Schutz unserer Kinder im Internet ist damit nicht vorbei." Ihr oberstes Ziel sei es, soziale Netzwerke für Kinder unter 15 Jahren zu verbieten.
In Australien ist solch ein Gesetz bereits in Kraft getreten. Dort dürfen Jugendliche unter 16 Jahren offiziell kein Social Media nutzen. Allerdings umgehen viele von ihnen das Verbot, indem sie einfach ein falsches Geburtsdatum angeben.
Weder die Blockierung eines problematischen Hashtags noch ein radikales Social-Media-Verbot greifen das Problem also wirklich an der Wurzel. Es verwundert nicht, dass einige Kritiker:innen deshalb mehr Investitionen in die Förderung von Medienkompetenz und mentaler Gesundheit fordern.