Nach einer Geburt ist der Wiedereinstieg in den Beruf für
viele Mütter nicht einfach. Dass das nicht nur an den mangelnden
Betreuungsmöglichkeiten liegt, hat uns eine Mutter aus einer
Kleinstadt erzählt. Weil sie ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht
verschlechtern möchte, möchte sie anonym bleiben.
Mehr als 13 Jahre lang habe ich nicht in meiner Heimatstadt gelebt. Vor neun Monat bin ich zurückgekommen, weil ich ein Kind bekommen habe.
Dass ich mich in der Kleinstadt beruflich umorientieren muss, war mir klar. Aber mit dem, was mir passiert ist, hatte ich nicht gerechnet. Denn: Ich bin Diplom-Ingenieurin und habe gute Qualifikationen.
Das erste Gespräch:
Als es soweit war, habe ich mich bei der Agentur für
Arbeit gemeldet. Meinen Ansprechpartner dort kenne ich noch von früher. Er nahm
also meine Daten auf und aktualisierte sie. Ich hatte erwartet, dass er mir
meinen Einstieg erleichtern könnte und mir ein paar Anhaltspunkte nennen
könnte, welche Möglichkeiten ich hier so hätte. Nachdem ich so lange weg war,
muss ich mich auch wieder zurechtfinden, auch wenn es meine Heimatstadt ist.
Ich habe ihm geschildert, was ich mir so vorstelle. Beispielsweise, dass ich nicht mehr in der freien Wirtschaft, sondern lieber im
öffentlichen Dienst arbeiten würde. Das sind natürlich nur meine Vorstellungen,
wie es dann tatsächlich wird, weiß ich ja nicht. Die Reaktion meines
Bearbeiters hatte ich nicht erwartet.
Er sagte zu mir:
"Wir sind hier nicht auf einem Wunschkonzert"
Bearbeiter bei der Agentur für Arbeit
Da war ich das erste Mal überrascht.
Als Mutter mit einem kleinen Kind, bin ich ja kein Einzelfall
Natürlich möchte ich nicht ewig weit weg arbeiten. Auch das habe
ich meinem Bearbeiter gesagt. Dazu sagte er, dass man sich das ja nicht
aussuchen könne. Klar, das Gesetz schreibt das vor. Eine Pendelstrecke pro Weg
von 1,5 Stunden wird vorausgesetzt. Aber ich finde, dass die Bearbeiter
zumindest Verständnis dafür haben sollten, dass es mit einem Kind ziemlich
schwierig ist, solch eine Strecke einfach zu fahren.
Doch statt Verständnis zu zeigen, erzählte mir der
Bearbeiter von seiner eigenen, sehr hohen Lebensqualität. Er habe selbst zwei
Kinder und sei so froh, dass er nicht einmal das Auto brauchen würde, um
auf die Arbeit zu kommen.
Natürlich hat er mich auch gefragt, wie es mit der Betreuung des Kindes aussieht. Für das kommende Jahr
habe ich einen Kita-Platz. Bis dahin könnten meine Eltern, die in der
gleichen Stadt wohnen und selbstständig sind, auf mein Kind aufpassen. Ich hatte
nicht das Gefühl, dass er mir das geglaubt hat. Er hat immer wieder
nachgefragt, wie ich das denn bewerkstelligen würde.
Nicht alle Eltern finden eine Betreuung für ihr Kind:
Nach dem ersten Gespräch war ich überrascht. Darüber, dass
meine Wünsche, meine Vorstellungen und meine Situation dem Bearbeiter bei der
Agentur für Arbeit offensichtlich egal waren. Die folgenden zwei Monate nutzte
ich natürlich dennoch für Bewerbungen – und erhielt nur Absagen.
Das zweite Gespräch
Mein Bearbeiter gab mir
Tipps, was ich anders machen könne und sagte zu meinen Absagen:
"Mit Kind sind Sie ja auch eher so 'gehandicapt'."
Bearbeiter in der Agentur für Arbeit
So etwas von meinem Ansprechpartner zu
hören, war natürlich alles andere als schön. Wie Unternehmen auf Mütter
reagieren, ist die eine Sache. Ich vermute, dass ein Unternehmen, welches die Wahl hat, sich immer eher für das Personal ohne Kind entscheiden würde.
Aber von meinem Bearbeiter bei der Agentur für
Arbeit hätte ich mir ein bisschen mehr Unterstützung erhofft.
Was ist Elterngeld genau?
Das Elterngeld kompensiert fehlendes Einkommen, wenn Eltern nach der Geburt zuhause bleiben. Ihnen stehen gemeinsam 14 Monate Elterngeld zu.
Die Höhe berechnet sich am Nettoeinkommen. Eltern mit höheren Einkommen erhalten 65 Prozent, Eltern mit niedrigeren Einkommen bis zu 100 Prozent ihres ursprünglichen Einkommens.
Arbeiten beide Eltern während der Elternzeit in Teilzeit, können sie das Elterngeld Plus erhalten. Sie bekommen doppelt so lange Geld, aber maximal in halber Höhe.
Während der Elternzeit darf der Arbeitgeber den Eltern nicht kündigen. Wird die Elternzeit verlängert, behalten die Eltern also ihren Arbeitsplatz – nur Elterngeld bekommen sie nicht mehr.
Um Arbeitslosengeld zu beantragen, muss der Elternteil seinen Job aufgeben.
Wenn ich ein Mann wäre, wäre es garantiert einfacher, wieder einzusteigen, ich würde darauf tippen: sogar dann, wenn ich ein alleinerziehender Vater wäre. Meine Erfahrung zeigt das ganz eindeutig. Alle finden es immer ganz super, wenn Väter zumindest einen Teil der Elternzeit nehmen. Und Männer müssen sich auch sicherlich nicht solche Sprüche anhören.
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Du bist selbst Mutter oder Vater. Welche Erfahrungen hast du beim Wiedereinstieg in das Berufsleben gemacht? Würdest auch du mit uns – gerne anonym – darüber sprechen? Dann schreib uns an redaktion@watson.de.
"Urlaub" in Nordkorea: Reiseleiter betritt nach Jahren wieder das Land und warnt
Wer nach Nordkorea reist, erlebt keinen gewöhnlichen Urlaub. Tourist:innen werden rund um die Uhr von einheimischen Guides begleitet, dürfen keine Einheimischen ansprechen und ihr Hotel nachts nicht verlassen. Der Alltag, den Besucher:innen in dem am meisten abgeschotteten Land der Welt zu Gesicht bekommen, ist sorgfältig inszeniert. Wer einen Teil der Realität des Landes erfassen will, muss sehr genau hinsehen.