Mit den Kindern einen Schwimmausflug zu machen, ist nicht immer entspannend.getty images
Mama-Kolumne
"Schonungslos ehrlich" – die Mama-Kolumne ohne Insta-Filter
17.08.2022, 11:0909.01.2023, 12:05
Ich habe tatsächlich Freundinnen mit mehr als einem Kind, die täglich ins Schwimmbad oder an einen Badesee fahren. Freundinnen, die diese Jahreszeit lieben, weil sie zwischen mit Ketchup verschmierten Handtüchern, Wespenstichen, Schwimmflügelaufpusten, Arschbomben von Jugendlichen und 36 Grad im Schatten scheinbar Entspannung oder Urlaubsgefühle oder nostalgische Kindheitserinnerungen empfinden. Ich kann das null nachvollziehen. Die eben genannten Assoziationen, die ich mit öffentlichen Gewässern verbinde, stammen ja auch von mir.
Tage, an denen das Thermometer über 30 Grad steigt, bedeuten für mich noch mehr Stress als ein normaler Nachmittag mit einem fast Fünfjährigen und einem neun Monate alten Baby. Weil die üblichen Unternehmungen bei den aktuellen Temperaturen wegfallen und ich mich mit den Kindern in der einzig kühlen Etage, unserem Erdgeschoss, aufhalte, bei geschlossenen Terrassentüren und zugezogenen Vorhängen. Wenn dann die Anfrage einer Freundin kommt, ob wir uns spontan ihrem Gelage am Badesee oder im Schwimmbad anschließen wollen, bekomme ich Panik.
"Mein erster Gedanke: Ich muss mich rasieren, wenn ich mich im Bikini an die Öffentlichkeit wagen möchte."
Panik, weil sich in diesem Moment vor mir ein kaum zu bewältigender Berg an Vorbereitungen auftürmt, bevor wir überhaupt das Drehkreuz am Eingang zum Seebad berühren werden. Mein erster Gedanke: Ich muss mich rasieren, wenn ich mich im Bikini an die Öffentlichkeit wagen möchte. Im Alltag bin ich froh, wenn ich mich abends in der Stillpause zwei Minuten unter eine kalte Dusche stellen kann. Bikinizonenrasur? Nur nach Plan und nur dann, wenn ich die Kinder bei meinem Mann parken kann. Körperpflege zu betreiben, während das Baby beim Krabbeln üben beinahe auf die Badfliesen knallt, bedeutet Anspannung pur.
Die Packliste für Badespaß mit Kindern ist endlos
Es würde das Packen der Badetasche folgen, für die ich im ganzen Haus die Einzelteile einsammeln muss. An welchem Wäscheständer hängt noch die Badehose? Sind die Badehandtücher wieder im obersten Schrank verstaut? Ich müsste mich entscheiden zwischen Baby auf dem Arm durch drei Stockwerke schleppen und brüllendem Baby im Laufstall parken, während ich herumflitze. Handtuch und Badekleidung wären jedoch lediglich die Grundausstattung.
Es fehlen: Schwimmflügel, Sonnenhüte, UV-Shirts, Kinder-Sonnencreme, Badeschuhe, Sandspielzeug, Wickelset, Feuchttücher, ein Notfall-Set inklusive Pflaster, Desinfektionsspray und kühlendem Gel bei Insektenstichen. Und bloß nicht die komplette Tauchausrüstung vergessen um ein größeres Drama zu vermeiden, wenn sie genau dann gewünscht wird.
"Ich kann jedes Mal wieder nicht fassen, wenn Mütter mit Picknicks in Kühltaschen verpackt auftauchen, die mein komplettes Wochenmenü übertreffen."
Doch jetzt käme das Schlimmste: die Verpflegung. Ich kann jedes Mal wieder nicht fassen, wenn Mütter mit Picknicks in Kühltaschen verpackt auftauchen, die mein komplettes Wochenmenü übertreffen. Sie öffnen Behälter mit geschnippeltem Obstsalat, Gemüse-Sticks, dazu selbstgemachte Dips, ein Baguette, Couscous-Salat, möchte noch jemand ein Stück Bananenbrot? Das war zufällig von gestern übrig.
Bei mir gibt es normalerweise Pommes, fertig. Doch wenn dann andere ein Döschen nach dem anderen hervorzaubern, auf das sich meine Kinder stürzen, bekomme ich ein schlechtes Gewissen und vermute, ich sollte auch mal ein paar vorzeigbare Snacks zubereiten. Doch einkaufen, schneiden, einpacken, Kühlakkus aus dem Kehler holen – echt jetzt?
Unsere Autorin...
...wurde mit Anfang 30 Mutter. Und kommt noch immer nicht damit klar, dass ihr altes, schönes Leben seitdem vorbei ist. Sie ist wütend, dass Eltern nie den Mut hatten, zu erzählen, was es wirklich bedeutet, ein Kind zu haben. Aus diesem Grund legt sie alle zwei Wochen den Finger in die Wunde – und berichtet schonungslos. Und weil sie weiß, dass Mütter sehr giftig werden können, wenn es um ihr Heiligstes geht, bleibt sie lieber anonym. Die täglichen Entrüstungsstürme ihres Sohnes reichen ihr völlig aus.
Auch der Trubel am See ist stressig
Stellen wir uns vor, ich hätte all das bereits auf mich genommen und ich würde rasiert mit gepackter Bade- und Kühltasche sowie mit zwei angezogenen Kindern im Flur stehen. Nun folgt: alleine das gesamte Gepäck plus Kinderwagen plus Kleinkind plus Baby ins Auto verfrachten. Sagen wir, nun wäre alles verladen, die Kinder angeschnallt und ich schweißgebadet am Steuer.
"Das Badesee-Life (...) sieht für mich so aus: Lautes Schreien, Brüllen, Heulen weil sich der Fünfjährige nicht eincremen lassen möchte."
Sagen wir, das Baby hätte aufgehört zu brüllen, nachdem ich es im offenen, heißen Auto geparkt hatte, um sämtliche Gepäckstücke einzeln zu holen und im Kofferraum zu verstauen. Und sagen wir auch, wir kommen am Badesee-Parkplatz an, müssen sehr weit außerhalb parken und ich habe es mit zwei Kindern, einer Badetasche auf dem Rücken und einer zu schweren Kühltasche am Kinderwagen baumelnd bei 36 Grad bis zum Eingang geschafft.
Es folgt? Das Badesee-Life. Und das sieht für mich so aus: Lautes Schreien, Brüllen, Heulen weil sich der Fünfjährige nicht eincremen lassen möchte. Jetzt ist es in den Augen, es brennt, wegrennen, hinterherrennen. Schwimmflügel aufpusten obwohl ich am liebsten die Beine hochlegen würde, um meinen Kreislauf zu stabilisieren. Das Nichtschwimmer-Kind im Blick behalten, das Stillbaby bändigen, das mir ständig an die Brust möchte und den Bikini wegreißt, Wespen verjagen, Verhandlungen über notwendige Kopfbedeckungen führen und dazwischen viele Drohungen, den See zu verlassen, wenn dies und das und jenes.
Bei Hitze Zuhause ist es auch nicht besser
Natürlich schläft das große Kind auf dem Rückweg nach zwei Sekunden ein. Das bedeutet, er wird vor 22 Uhr kein Auge mehr zu tun. Ein erholsamer Abend nach einem anstrengenden Badetag hätte sich damit erledigt.
Meine gewählte Alternative bei den angekündigten 38 Grad? Wir verbringen heute den dritten Tag in Folge im Wohnzimmer. Der Sohn langweilt sich, fängt an zu provozieren, es gipfelt in "Ich-hasse"-Satzanfängen. Mich hasst er natürlich ganz besonders. Zwischen Schreien, Babyheulen und Dauergenervtsein genehmige ich eine Folge "Paw Patrol" und bereue es danach umso mehr, weil seine Laune über das Ende der Folge den restlichen Nachmittag bestimmt.
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Der Abend? In unserem Schlafzimmer unter dem Dach ist es so unerträglich heiß, dass sich der Fünfjährige zwei Stunden lang herumwälzt, sich nach und nach mit großen Ankündigungen seines Schlafanzugs entledigt, 20 Mal geräuschvoll die Wasserflasche ansetzt und trinkt, einen Teil davon verschüttet und endlich einen Grund hat, aufzustehen. Dann muss er wieder auf Toilette und lässt mich alle zwei Minuten wissen, dass er nicht schlafen kann.
"Seit ich zwei Kinder habe, muss ich leider sagen: Ich hasse den Sommer."
Währenddessen trieft das Kopfkissen, auf dem ich mit dem Baby liege, von ihrem Kopfschweiß. Also noch mehr stillen, sie fordert es im Zehn-Minuten-Rhythmus. Meinen Laptop klappe ich um 21:48 Uhr auf, um diesen Text zu schreiben. Zwischen zwei schlafenden Kindern, die morgen so müde und daher schlecht gelaunt sein werden, dass der nächste Nachmittag auch wieder gelaufen ist. Seit ich zwei Kinder habe, muss ich leider sagen: Ich hasse den Sommer.
Hotels sind ohnehin nichts für Menschen mit einer Keimphobie und manche Enthüllungen machen es wirklich nicht besser. Auch wer eigentlich kein Problem damit hat, sich Zimmer und Gebrauchsgegenstände mit Fremden zu teilen, erfährt manchmal Dinge, die man einfach nicht wissen wollte.