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Wochenmarkt in Berlin, Hamburg, Köln und Co: Warum sind Menschen auf dem Markt so nervig

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Das Schlimmste am Wochenende: Menschen auf dem Markt

#mondaymotivation vom schlechtgelauntesten Redakteur der watson-Redaktion
29.04.2019, 08:2911.06.2019, 06:04
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Der Samstag könnte so einfach sein. So friedlich. Nur schnell mal eben ein paar Lebensmittel auf dem Markt nebenan holen. Wurst, Käse, Brot. Ein paar Tomaten. Vielleicht. Mehr nicht. Doch in der Stadt ist dieser Plan bloße Theorie. Denn: Dort ist der Wochenmarkt kein Ort, um einfach nur das zu machen, wozu Märkte erfunden wurden: einzukaufen.

Nein. Weil sie dort schon warten. Stadtmenschen, die mit Betreten eines Wochenmarktes völlig außer Kontrolle geraten. Und so erinnert jeder Gang auf einen Markt in der Stadt unfreiwillig an "Die zweite Invasion der Marsmenschen" der Strugazki-Brüder. Nur, dass es keine Marxisten sind, die im "Guten" eine Despotie errichten, sondern echte Marsianer. Marktianer. Und ja, sie wollen deinen Magensaft!

Archetyp des Wochenmarkts: der Kollwitzmarkt in Berlin

Dann, wenn ihm der Altbau auf den Kopf fällt und der Bart frische Luft braucht, schwärmt er aus. "Schatzi, heute ist doch Markt." Säuselt er. Einmal in der Kampfzone angekommen, beginnt so eine Art schräge Dauersimulation von Unmittelbarkeit.

Der handelsübliche Großstädter, der sein Fahrrad in die Wohnung trägt und gerade noch auf dem Weg ins Bretterbudenparadies über den Leihradhaufen geschimpft hat, der es nicht ausstehen kann, wenn vorm Späti in seiner Straße nach zehn noch echte Menschen sitzen, der es hasst, nach dem Weg gefragt zu werden, oder schlimmer noch, dann auch Auskunft geben zu müssen, eben jener Stadtmensch wird zum flanierenden Blumenkind sobald er einen Markt betritt.

Er wird dann ganz selig bei der Aussicht, gleich unschuldige Marktverkäufer zuzutexten.

Dann bewegt er sich in Zeitlupe. Und verordnet sich Gemütlichkeit. Er ist dann ganz besessen davon, am Käsestand ein Pläuschchen zu halten. Ist beleidigt, wenn ihn der Verkäufer vor den Chrysanthemen nicht gleich wiedererkennt. Er war ja schließlich letzte Woche schon mal da. Und die Woche davor.

Und ja, natürlich, er muss probieren. Gar nicht mal unbedingt, weil er probieren will, sondern weil ja Markt ist, und er glaubt, dass das die Gesetze des Marktes sind und er zur Hölle noch mal das Recht hat zu probieren. Also los, PROBIEREN. Und dann pikst er seinen Probierzahnstocher in die Oliven-Bärlauch-Mische. Und nochmal. Egal. Er pikst und pikst. Um schließlich doch wieder denselben langweiligen Käse zu kaufen.

Der großstädtische Marktteilnehmer glaubt sich plötzlich auf dem Lande. Er schlendert nicht. Er schlendert demonstrativ! Grüßt in alle Himmelsrichtungen, pikst, grinst und steht überall: vor allem im Weg.

"Marc-Theodor, es gibt's was zum Probieren!", zitiert der Pikser dann den Nachwuchs herbei. "KÄÄÄÄSE." Um zwei Stunden später dann wieder, während er die Melone prüfend an sein Ohr hält, Sätze in sein iPhone zu sagen wie: "Sorry, bin mit meinem Verleger draußen auf dem Boot."

Der Marktianer ist auch gut vorbereitet. "Tüte?!", winkt er ab und zeigt stolz seinen formschönen Weidekorb. Ach was, nein, gibt’s ja nicht, schaut her, der Mann hat einen Korb. Wahnsinn. Und ich stehe, warte und begreife plötzlich Schleiermacher: Wenn man nicht intolerant sein dürfte, wäre die Toleranz nichts.

In Zeitlupe wird dann das Portemonnaie gesucht. Konnte ja niemand ahnen, dass das noch zum Einsatz kommen würde. Auf einem Markt. Am Samstag. Und natürlich ist mit dem Kauf der Handel noch nicht abgeschlossen. Der Wurst-/Fisch-/Obstverkäufer wird sich dann noch eine Geschichte anhören müssen. Es ist ja Markt.

Und Marktteilnehmer sind wie Typen, die besoffen zum Vorglühen kommen.

Im nächsten Bild wird der Blumenverkäufer terrorisiert. "Ich hab‘ im Internet gelesen, dass...", doziert dann eine. Da steht auch, dass Hitler noch lebt, möchte man ihr zurufen.

Es riecht nach Füßen. Einer steuert mit Raclettes-Käsebroten auf dich zu. Ein anderer kämpft auf offener Straße mit Matjes. Und auch die Bruschetta muss im Gehen gegessen werden. Plötzlich will einer Tomaten probieren. TOMATEN! "Kann ich auch halb und halb?" Allein der Fischhändler kennt sich aus mit Invasorenhumor. Auf die Frage, was er denn empfehlen könne, antwortet der nur: "Fisch."

Zäh mäandert die Invasorenmasse dann von Stand zu Stand, der Anhang gut verteilt und immer im Raum, weil, is‘ ja Markt, da gilt kein Linksverkehr. Und so promenieren sie betont vierreihig, Hand in Hand in Hand in Hand. Nur einer hat Humor und stolpert stockbesoffen in die Emailleauslage.

Wenn die industrielle Revolution die Muskelkraft ersetzt hat, dann die digitale die Gehirnaktivität. Ein Markt. An einem Samstag. In Berlin. Willkommen im Technozän.

Jetzt die Schwerkraft überwinden, denke ich. Und schiebe mich an den Körperkontaktsuchenden vorbei. Marc-Theodor und der Papa piksen sich noch immer schwindelig. Und sobald dann ein friedfertiger Platz gefunden ist, um einfach nur heimlich, still und leise eine außerplanmäßige Käsesuppe zu essen, kommt ganz sicher der erste Käsesuppenkommentar.

"Ist die gut?"

Dabei wollte ich doch nur schnell mal eben einkaufen. Wurst, Käse, Brot. Und ein paar Tomaten. Vielleicht. Mehr nicht.

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