Auf den Fahrplänen der Kreuzfahrtreedereien steht es schwarz auf weiß: "Venice (Trieste)". Eine Klammer, die eine ganze Stadt in eine Fußnote verwandelt.
Für viele Tourist:innen ist Triest bloß der Parkplatz vor der Serenissima. Nur dass man hier, während die Busse nach Westen rollen, plötzlich selbst im Zentrum einer Touristenwelle steht. Und die Einwohner:innen fragen sich, ob man auch ohne Unesco-Siegel ertrinken kann.
Seitdem Venedig 2021 große Kreuzfahrtschiffe aus seiner Lagune verbannt hat, hat sich Triest als Substitut etabliert. Die Schiffe legen direkt neben der Piazza Unità d'Italia an, dem Herzstück der Stadt. Von hier aus strömen die Passagiere in die Altstadt oder steigen in Busse, die sie nach Venedig bringen.
Die Zahlen sprechen für sich: Während 2019 noch 177.000 Kreuzfahrtpassagiere Triest besuchten, waren es 2022 bereits 425.000. Im vergangenen Jahr überschritt die Zahl die Marke von einer halben Million.
Die Meinungen der Einheimischen zu diesem Ansturm sind geteilt. Riccardo Faggioto, Besitzer des traditionsreichen Caffè degli Specchi, sieht die Entwicklung positiv: "Wir bekommen jedes Jahr exponentiell mehr Kunden, und das freut uns", sagt er der "New York Times". Sein Café, das von den Triestinern liebevoll als "Wohnzimmer der Stadt" bezeichnet wird, ist ein beliebter Treffpunkt für Tourist:innen und Einheimische gleichermaßen.
Doch nicht alle teilen diese Begeisterung. Annalisa Metus, eine Kunsthandwerkerin, die filigrane Papierarbeiten herstellt, sieht die Veränderungen kritisch: "In den letzten Jahren haben viele der wenigen verbliebenen Handwerksbetriebe geschlossen und wurden durch Restaurants ersetzt, die sich die hohen Mieten im Stadtzentrum leisten können."
Sie befürchtet, dass der Charakter der Stadt durch den Massentourismus verloren gehen könnte.
Die Stadtverwaltung unter Bürgermeister Roberto Dipiazza sieht in der wachsenden Zahl von Touristen eine Chance. Er sagt: "Selbst wenn die Kreuzfahrtpassagiere nur einen Kaffee trinken, ist das Geschäft, und wir heißen das hier willkommen."
Gleichzeitig arbeitet die Stadt an einem Großprojekt, um die Uferpromenade zu modernisieren und Platz für Hotels und Restaurants zu schaffen. Triest, sagt Dipiazza, "könnte besser sein als Monaco".
Kritiker:innen wie die Stadträtin Giulia Massolino warnen hingegen vor den Gefahren des Overtourism. Steigende Mieten, die Verdrängung von Einheimischen aus dem historischen Zentrum und die Umweltbelastung durch die Kreuzfahrtschiffe seien nur einige der Probleme, die auf die Stadt zukommen könnten. Der Tourismus sei wunderbar, sagt sie, "aber er muss nachhaltig gestaltet werden".
Triest, das einst als ruhige Alternative zu Venedig galt, steht vor einer Herausforderung: Wie bleibt man authentisch, wenn die Touristenströme immer größer werden? Oder, wie ein Einheimischer es ausdrückt: "Es ist toll fürs Geschäft, aber die Stadt hat sich so verändert, dass es keinen Platz mehr für noch mehr Touristen gibt."