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Robert Habecks "Osterpaket": War das der Startschuss für die Energiewende?

Farbenprächtig leuchtet der Morgenhimmel kurz vor Sonnenaufgang über Windenergieanlagen in Ostbrandenburg.
Mit dem am Mittwoch vorgestellten "Osterpaket" hat sich die Bundesregierung ambitionierte Ziele in Bezug auf die Energiewende gesetzt. Bild: dpa-Zentralbild / Patrick Pleul
Analyse

Habecks "Osterpaket": War das der Startschuss für die Energiewende?

Mehr Wind- und Solarenergie – das soll in Deutschland schneller laufen als geplant. Einen wesentlichen Beitrag dazu soll das "Osterpaket" von Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck leisten. Aber hält das Paket auch, was es verspricht?
08.04.2022, 09:2208.04.2022, 10:24
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Robert Habecks ganzer Stolz umfasst rund 600 Seiten: Im Mittelpunkt des am Mittwoch vorgestellten "Osterpakets" steht dabei der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien. Sein ambitioniertes Ziel: Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen, bis 2035 sollen es fast 100 Prozent sein. Aktuell liegt Deutschland nach Branchenangaben bei 42 Prozent.

Das ist ambitioniert. Denn auch wenn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) von Beginn an deutlich gemacht hatte, Deutschland aus seiner fossilen Ära in die Zukunft – und damit in das Zeitalter der erneuerbaren Energien – führen zu wollen, bleiben die Schwierigkeiten: Ewig andauernde Genehmigungsverfahren, Skepsis und Ablehnung allem voran gegenüber der Windenergie, Engpässe an Materialien und Fachkräften, Bedenken aufgrund des Artenschutzes.

Robert Habeck nutzt Gunst der Stunde – und will Energiewende anpacken

Diese Probleme will Habeck mit seinem Gesetzespaket in Angriff nehmen – und nutzt den Rückenwind durch den Krieg in der Ukraine und das dadurch entstandene Bewusstsein für die Abhängigkeit Deutschlands von Russland, um die Menschen trotz Inflation für die Energiewende zu gewinnen.

Für den 1,5 Grad-Pfad reiche das Gesetzesvorhaben zwar noch nicht, aber es handele sich dennoch um ambitionierte Ziele, die "sehr zu begrüßen sind", sagt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin, gegenüber watson. "Die FDP hat aber bereits Widerstände angekündigt, insofern bleibt abzuwarten, welche Gesetze am Ende im Bundestag wirklich beschlossen werden."

Greenpeace und German Zero kritisieren: "Osterpaket" geht nicht weit genug

Die unterschiedliche Haltung der Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP darüber, wie viel der Staat am Umbau hin zu den erneuerbaren Energien beitragen und finanziell abfedern sollte, könnte zu einer Blockade des ambitionierten Paketes führen. Hier sei Vorsicht geboten, betont Jonas Ott, Experte für erneuerbare Energien bei Greenpeace, gegenüber watson.

Er geht noch einen Schritt weiter: "Diese Ziele können erreicht werden, allerdings greifen die jetzigen Maßnahmen aus dem Osterpaket zu kurz." Trotzdem sei man bei Greenpeace froh, "keine Erneuerbaren-Verhinderungspolitik" wie bei Altmaier beobachten zu müssen. Was jetzt im "Osterpaket" fehle oder nicht ausreichend berücksichtigt sei, "muss im parlamentarischen Prozess noch nachgeschärft werden", so Ott. Das könnte aber auch in dem schon von Habeck angekündigten "Pfingst"- und "Sommerpaket" passieren.

"Aber von einem großen Wurf kann man nicht sprechen."
Annalena Brockeringklimapolitische referentin bei german zero

"Es sind viele notwendige und sinnvolle Maßnahmen im Kleinen, mit denen Widersprüche und Fehlanreize im bestehenden Fördersystem für Erneuerbare aufgehoben werden", sagt Annalena Brockering, klimapolitische Referentin bei German Zero, gegenüber watson. "Aber von einem großen Wurf kann man nicht sprechen." So fehle Brockering zufolge nach wie vor eine sinnvolle Steuerung des Ausbaus der Erneuerbaren, auch das Potenzial der dezentralen Energiewende bliebe "unausgeschöpft".

Letzten 20 Prozent zur kompletten Versorgung durch die Erneuerbaren werden sehr aufwändig

Marc Hiller, Elektroingenieur und Professor für die Energiewende und Leistungselektronik am Elektrotechnischen Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), hält das "Osterpaket" hingegen für ein wichtiges Zeichen. So verdeutliche es, "dass es die Politik nun endlich ernst meint mit dem zügigen Ausbau der regenerativen Energien". Gegenüber watson ergänzt der Experte: "Dies bietet auch für die Industrie hoffentlich die notwendige Planungssicherheit, wodurch stärker in die erforderlichen Technologien, Kompetenzen und Fertigungsstandorte investiert werden kann."

Das Vorhaben, bis 2030 80 Prozent des Stroms aus den Erneuerbaren zu beziehen, hält Hiller bei starker Fokussierung durchaus für erreichbar. "Bei den 100 Prozent bin ich mir nicht sicher, da sowohl der Bedarf an elektrischer Energie stark steigen wird, als auch die letzten Prozent immer den höchsten Aufwand erfordern", erklärt er. Die ersten 40 Prozent, bei denen Deutschland jetzt steht, wären leicht zu erreichen gewesen. "Die folgenden 30 bis 40 Prozent bis zum Etappenziel von 80 Prozent werden schwer, und der Rest wird angesichts des Speicherbedarfs noch wesentlich aufwändiger", sagt der Experte.

"Daher ist es möglicherweise sinnvoll, die letzten paar Prozent zunächst auf andere Weise abzudecken."
Marc Hillerprofessor am kit

Der Grund: Es muss gewährleistet werden, dass auch bei wenig Wind und Sonnenschein ausreichend elektrische Energie zur Verfügung steht. Dafür werden große Energiespeicher benötigt, denn die Verfügbarkeit von Sonne und Wind schwankt stark. Aufgrund des großen Aufwands für Aufbau, Betrieb und die Entsorgung des Speichers nach Ende seiner Lebensdauer werden die Lösungen unwirtschaftlich – und weniger nachhaltig. "Daher ist es möglicherweise sinnvoll, die letzten paar Prozent zunächst auf andere Weise abzudecken", gibt Hiller zu bedenken. Zum Beispiel durch Gaskraftwerke, die später auch mit Wasserstoff betrieben werden können, oder mithilfe von Energieimporten. "Das ist zwar alles lösbar, benötigt aber auch Zeit und die noch 13 verbleibenden Jahre bis 2035 sind eben nicht wirklich lange."

Die großen Hürden

Neben der Speicher-Problematik sehen die Experten aber auch weitere Probleme, wie beispielsweise die Abstandsregelung für Windräder von Gebäuden in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Damit werde der Ausbau der Erneuerbaren geradezu "torpediert", kritisieren die Energie-Experten Volker Quaschning und Jonas Ott. Dazu kämen noch die Schwierigkeiten mit den bislang stark ausbremsenden Genehmigungsverfahren sowie tragfähige Investitionsrandbedingungen, vor allem für die Speicher, die es ja auch bräuchte. Auch der schnelle Ausbau der Stromnetze werde eine Herausforderung darstellen. "Das ist aber nur ein technisches Problem, das definitiv zu lösen sein wird", so Marc Hiller.

Gegenüber watson fügt der Experte hinzu:

"Die größten Hürden sehe ich bei der Akzeptanz der regenerativen Energien, allem voran bei der Windenergie. Ich sehe es daher als unerlässlich an, der Bevölkerung zu verdeutlichen, dass der Ausbau von Photovoltaik- und Windanlagen schlicht alternativlos ist. Dabei muss auch akzeptiert werden, dass Windräder die Landschaft langfristig verändern und dabei auch negative Einflüsse auf geschützte Tierarten nicht ganz zu vermeiden sind. Und es gehört leider auch dazu, dass Windräder Schallemissionen verursachen. Beim Straßenverkehr ist das gesellschaftlich akzeptiert, bei Windrädern nicht. Eine Alternative gibt es aber nicht."
Marc Hiller professor für die energiewende und Leistungselektronik am kit

Die Zeit für die Energiewende ist gekommen

Davon ist auch Volker Quaschning überzeugt. "Angesichts der Kriegsverbrechen in der Ukraine und der fatalen Abhängigkeit Deutschlands von russischem Öl und Gas und der immer unkontrollierbaren Klimakrise wird es Zeit, dass die Union und die FDP endlich aufhören, die Beschleunigung der Energiewende zu behindern."

Auch das Argument zu hoher Investitionen würde nicht mehr hinhalten. Erst in dem am Montag vorgestellten IPCC-Bericht wird nochmals dargelegt, dass die Kosten für beispielsweise Photovoltaik-Anlagen und Batterien in den letzten Jahren um 85 Prozent gesunken sind. "Wenn wir jetzt nicht die Mittel aufbringen, die erneuerbaren Energien schnell genug auszubauen, dann ist es nicht, weil das Geld fehlt, sondern weil wir uns dazu entschlossen haben", betont Benedikt Heyl, klimapolitischer Referent bei German Zero.

Überstunden-Debatte: FDP-Chef Lindner reagiert auf Kritik der Gewerkschaften – "einseitiger Blick"

FDP-Chef Christian Linder will den Deutschen "Lust auf Überstunden" machen – und zwar durch steuerliche Vorteile. Dazu fordert seine Partei, die Steueranreize zum Leisten von Überstunden zu verbessern. Sprich, Überstunden sollen sich steuerlich lohnen, dann hätte man mehr Bock drauf, länger zu arbeiten, "weil man nicht alles abgibt beim Staat", wie es Lindner formuliert.

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